Schettino beschädigte bereits vor zwei Jahren als Kommandant die “Aida Blu“, als das Schiff in den Warnemünder Hafen einfuhr.

Rom/Warnemünde. Von einem gefährlichen Manöver des "Costa Concordia“-Kapitäns Francesco Schettino vor knapp zwei Jahren in Warnemünde berichtet die Turiner Zeitung „La Stampa“ am Freitag. Den Ermittlungsprotokollen zur Havarie der "Costa Concordia“ sei dieses zu entnehmen: Schettino habe am 4. Juni 2010 als Kommandant des Kreuzfahrtschiffes „Costa Atlantica“ bei der Einfahrt in den Hafen des Ostseebades die dort vertäute "Aida Blu“ beschädigt und sich dem Kapitän des Schiffes gegenüber dann in „unangemessenem Ton“ geäußert.

Das Kreuzfahrtschiff sei fast acht Knoten schnell in den Hafen gefahren, heißt es. Auf Nachfrage seiner Reederei Costa Crociere habe Schettino zu Protokoll gegeben, von einer Geschwindigkeitsbegrenzung nichts gewusst zu haben und dafür auch nicht belangt worden zu sein.

Schettino steht nach der Havarie der „Costa Concordia“ vom 13. Januar unter Hausarrest. Ermittelt wird gegen ihn wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung, Havarie und Verlassen das Schiffes während der Evakuierung. 25 Tote wurden geborgen, 7 Opfer werden noch vermisst.

In einem Brief soll die Reederei Schettino im Oktober 2010 gerügt haben: „Mit einer größeren Aufmerksamkeit und Kenntnis der Dokumente zur Navigation hätte der Vorfall vermieden werden können“, zitiert die Zeitung Angaben des Costa-Personaloffiziers Maurizio Campagnoli. Nach der Havarie der „Costa Concordia“ hatte der 52jährige Schettino angegeben, nicht die richtigen Karten verfügbar gehabt zu haben. Die „Costa Concordia“ war auf einen Felsen gefahren. Die Reederei hatte geantwortet, es sei seine Sache, für die richtigen Karten zu sorgen.

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Imageschaden für Costa

Gleich zwei Havarien seiner Luxusliner unter den Augen der Weltöffentlichkeit im Abstand von kaum sechs Wochen: Das ist unter PR-Gesichtspunkten ein Albtraum für den italienischen Konzern Costa Crociere SpA. Das „Concordia“-Unglück mit bis zu 32 Toten und die Panne auf der „Allegra“ haben den Ruf der größten Kreuzfahrtgesellschaft Europas angekratzt. Branchenkenner glauben indes nicht, dass der Imageschaden zwangsläufig den Todesstoß für Costa bedeutet.

Zu dem Konzern mit Sitz in Genua, der Teil der US-amerikanischen Unternehmensgruppe Carnival ist, gehören die Marken Costa Crociere, AIDA Kreuzfahrten und Iberocruceros. Schon nachdem die „Concordia“ am 13. Januar vor der toskanischen Insel Giglio auf Grund lief, waren die Buchungszahlen bei Costa Crociere um schätzungsweise ein Drittel eingebrochen. Nachdem nun die „Allegra“ nach einem Brand im Maschinenraum manövrierunfähig im Indischen Ozean trieb und auf die Seychellen geschleppt werden musste, sieht die Zukunft für Costa noch schwieriger aus.

Ob sich das Unternehmen nach 60 Jahren im Geschäft weiter halten kann, könnte nach Einschätzung von Fachleuten davon abhängen, dass es seinen Namen ändert oder von der Mutter Carnival aus der Klemme geholt wird. Costa müsse eine Überarbeitung der Marke in Erwägung ziehen, glaubt die Touristikexpertin Magda Antonioli von der Mailänder Bocconi-Universität. „Natürlich sind die Bilder der zwei Unglücke um die Welt gegangen“, gibt sie zu bedenken. Nach Ansicht vieler wird das aber nicht das Aus für Costa sein oder auf lange Sicht Auswirkungen auf die boomende Kreuzfahrtbranche generell haben. „Nein, nicht das Ende für Costa“, schätzt der Fachautor Douglas Ward. Dauernd im Brennpunkt der Medien zu stehen, könne aber die Marke schwächen und möglicherweise zu einer Verkleinerung der Flotte führen.

Seit der Übernahme durch Carnival 2000 hat Costa die Zahl seiner Schiffe von fünf auf 14 fast verdreifacht. Der Umsatz stieg 2010 um zwölf Prozent auf 2,8 Milliarden Euro, die Passagierzahl um 18 Prozent auf 2,15 Millionen. Weltweit hat Costa einen Marktanteil von sieben Prozent, den größten der Carnival-Töchter. Zwei Schiffe sind zwar jetzt ausgefallen, doch noch vor der Sommersaison sollen zwei neue in Dienst gestellt werden, ein weiteres 2014. Für die spürbarste Auswirkung hält Ward den Verlust der Arbeitsplätze auf den beiden Havaristen. Viele Beschäftigte stammen aus Entwicklungsländern und halten mit ihrer Arbeit ganze Familienverbände über Wasser.

Der Verbandspräsident der italienischen Reiseveranstalter, Roberto Corbella, spricht von einem Buchungsrückgang bei Costa nach dem „Concordia“-Unglück um etwa 30 Prozent und nach der „Allegra“-Havarie nach ersten vorsichtigen Schätzungen um 22 bis 25 Prozent. Die tatsächliche Auswirkung auf die Buchungen im wichtigen ersten Quartal sei aber erst später abzusehen. „Wir haben gesehen, dass langjährige Kreuzfahrtgäste unbeeindruckt sind, sie lassen weiter reservieren. Es sind die Kreuzfahrt-Neulinge, die erst einmal abwarten, bis sie wieder mehr Vertrauen haben“, sagt Corbella.

Die „Allegra“ wurde am Donnerstag in den Hafen von Victoria auf den Seychellen geschleppt; die mehr als 600 Passagiere konnten an Land gehen und sollten nach Italien, Frankreich oder Deutschland ausgeflogen werden. „Sicher ist das alles unschön und hätte nicht passieren dürfen, aber alle Mann des Unternehmens bemühen sich, die Unannehmlichkeiten für die Passagiere so gering wie möglich zu halten“, betont Corbella. „Meiner Ansicht nach kann die Marke weiter bestehen. Sie hat eine lange Geschichte, und diese Geschichte ist auch positiv und war immer solide und seriös.“

Mit Material von dapd und dpa