In Schwerin mahnte Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) aktuellen Tendenzen von Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten.

Schwerin. Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) hat anlässlich des Holocaust-Gedenktages den Respekt vor der Menschenwürde als Grundlage gesellschaftlichen Zusammenlebens betont. „Die im vergangenen Jahr bekannt gewordene grausame Serie von Morden und Anschlägen einer neonazistischen Verbrecherbande führt uns erneut vor Augen, wozu Fremdenfeindlichkeit und Hass führen können“, erklärte die SPD-Politikerin am Freitag in einer Gedenkstunde des Landtags für die Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft.

Gemeinsame Aufgabe sei es, „in der Gesellschaft für Frieden, Demokratie und Toleranz zu werben und zugleich aktiv für die Grundwerte unserer Landesverfassung einzustehen. Demokratie ist der beste Garant für Frieden und Freiheit“, betonte Bretschneider vor etwa 120 geladenen Gästen im Festsaal des Schlosses.

Am 27. Januar 1945 waren die Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz von sowjetischen Truppen befreit worden. Der frühere Bundespräsident Roman Herzog machte diesen Tag 1996 zum offiziellen Gedenktag in Deutschland.

Der Holocaust-Überlebende Erich Kary mahnte in einer Gedenkrede, die richtigen Lehren aus der Geschichte zu ziehen. „Die Vermittlung des Erlebten an die nachfolgenden Generationen ist mir sehr wichtig. Es geht mir dabei nicht nur um die Geschehnisse in den Konzentrationslagern und auf den Transporten, sondern auch um die Erfahrung von Ausgrenzung und Gewalt Anfang der 30er Jahre zu Beginn der faschistischen Diktatur“, sagte der 87-Jährige, der im Mai 1945 auf einem der sogenannten Todesmärsche von KZ-Häftlingen in Wöbbelin befreit wurde und dann in Ludwigslust heimisch wurde. „Für mich ist der 2. Mai 1945 ein Tag der Rettung, eigentlich war es wie eine zweite Geburt“, sagte Kary.

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Im April 1943 war er als Jude von den Nazis nach Auschwitz gebracht und als Zwangsarbeiter eingesetzt worden. „Aus einem Menschen mit Namen und Ansehen war eine erniedrigte Kreatur, ein Nichts geworden“, erinnerte Kary das eigene Erleben. Unter den sechs Millionen von den Nazis getöteten Juden war auch seine Mutter, die bereits am Tag der Einlieferung nach Auschwitz in der Gaskammer starb. Die Aufklärung über die Naziverbrechen empfinde er als Verpflichtung gegenüber den Opfern. So hätten ihm KZ-Häftlinge vor ihrer öffentlichen Hinrichtung zugerufen: „Vergesst uns nicht! Es lebe die Freiheit!“ Seit den 70er Jahren spreche er deshalb auch vor Schulklassen. „Die Menschen müssen wissen, was damals geschehen ist“, betonte Kary und äußerte sich besorgt darüber, dass nicht nur bei Jugendlichen Unkenntnis herrsche, sondern auch bei Erwachsenen.

Die Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur wachzuhalten, sei „das mindeste, was wir heute für sie tun können“, sagte Bretschneider. Kinder, Frauen und Männer seien geächtet, misshandelt und ermordet worden, weil sie in der verblendeten Ideologie der Nationalsozialisten andersartig waren. „Diese absurde Überzeugung von der Ungleichwertigkeit von Menschen ist tief verwurzelt. Sie war der Grund für zahlreiche Kriege, und noch heute ist diese Vorstellung der Ursprung von Neid, Hass und Gewalt auf dieser Welt.“

(dpa/abendblatt.de)