München. Mit seinem Sommerservice hat der ADAC bereits seit 1990 die hygienische Belastung von Badegewässern zum Thema gemacht. Seither informiert Europas größter Automobilclub und Verbraucherschützer die Öffentlichkeit alljährlich über die Qualität der Badegewässer, die Algenentwicklung und die Umweltsituation in touristisch interessanten Urlaubsorten in Europa. Grundlage dafür sind gewässerhygienische Daten, die von den EU-Staaten nach der EU-Richtlinie 2006/7/EG und von einigen Ländern außerhalb der EU erhoben werden. Umgekehrt melden aber auch zahlreiche Mitglieder dem ADAC ihren subjektiven Eindruck über die Sauberkeit von Stränden und Gewässern. Dabei zeigen sich oft Diskrepanzen, die meist darauf beruhen, dass der von den Badegästen genutzte Bereich nicht mit den Messpunkten der EU identisch ist.
Hier setzt der aktuelle Test zur Wasserqualität an deutschen Badestränden an, den der ADAC jetzt zum ersten Mal durchgeführt hat. Die Frage lautet: Gibt es an den Stränden Stellen mit erhöhter Keimbelastung, die von Badegästen uneingeschränkt genutzt werden können, bei den EU-Messungen aber nicht berücksichtigt werden wie zum Beispiel Flachwasser oder kleine Wasserbecken, in denen Kinder besonders gerne spielen? 22 Badeorte an der deutschen Nord- und Ostseeküste standen im Fokus des Tests. Kriterien für die Auswahl der Testorte waren deren touristische Bedeutung und geografische Lage. Das Ziel: Alle wichtigen Küstenabschnitte entlang der deutschen Nord- und Ostseeküste abzubilden.
Für die praktische Durchführung und die wissenschaftliche Auswertung der Messungen holte sich der Club die Institution ins Boot, die schon seit 20 Jahren den ADAC-Sommerservice durchführt: das HYDRA-Institut mit seinem Biologen Dr. Knut Eichstaedt. Er war mit einem speziellen Labor-Bus in der Bade-Hochsaison vom 1. Juli bis zum 9. September 2009 an Deutschlands Stränden unterwegs, um Wasserproben zu entnehmen, und zwar nur bei hohem Wasserstand und stabiler Witterung, also nicht bei Ebbe oder während und nach Starkregen.
Zur Auswahl der Messstellen wurden mithilfe von Satellitenaufnahmen und Kartenmaterial sowie durch Recherchen bei Gemeinden, Umweltverbänden und wissenschaftlichen Organisationen potenzielle Belastungsquellen lokalisiert, die beim Test vor Ort auf ihre Relevanz überprüft wurden. Solche Belastungspunkte waren zum Beispiel Mündungen von Bächen, Entwässerungsgräben und Rohrleitungen, vom Meer abgetrennte Bassins sowie Holz- und Steinbuhnen. An jeder dieser Messstellen wurden zunächst zwei Messpunkte festgelegt, und zwar dort, wo mit der höchsten Belastung zu rechnen war. Anzeichen dafür waren unter anderem unangenehmer Geruch, trübes Wasser oder starkes Algenwachstum. In die Wertung kam dann aber immer nur der Messpunkt, der für den Badegast die größte Bedeutung hatte, also zum Beispiel nicht die Messstelle im Wasser zwischen den Steinen einer Buhne, sondern im freien Bereich daneben. Keine Regel ohne Ausnahme: An sechs Messstellen im Test wurden beide Messpunkte in die Bewertung einbezogen. Ein Beispiel: An einem über den Strand in das Meer fließenden Bach spielen Kinder sowohl im Bachbett selber als auch im Mündungsbereich.
An jedem dieser insgesamt 72 Messpunkte wurden an unterschiedlichen Tagen unter Berücksichtigung der einschlägigen mikrobiologischen Vorschriften drei Wasserproben entnommen sowie wichtige Parameter wie Wassertemperatur und Salzgehalt festgehalten. Zudem wurde jeder Test fotografisch dokumentiert. Die geografischen Koordinaten wurden mit einem GPS-Gerät festgehalten. Die gekühlten Proben wurden jeweils innerhalb von 24 Stunden zur mikrobiologischen Untersuchung in das Medizinaluntersuchungsamt Kiel gebracht. Das Hygiene-Institut ist der Universitätsklinik Kiel angeschlossen und für die Untersuchung von Badegewässern offiziell zugelassen. Dort wurde gemäß der neuen EU-Richtlinie mittels zertifizierter Analyseverfahren (DIN EN ISO 9308-3 und DIN EN ISO 7899-1) nach den Keimen Escherichia coli (E. coli) und Intestinale Enterokokken (IE) gefahndet. Ihre Konzentration wird in Einheiten pro 100 Milliliter angegeben. Die untere Nachweisgrenze für die Keime lag bei 10 Einheiten pro 100 Milliliter, die obere bei 4.564 Einheiten pro 100 Milliliter.
Das Auswertungssystem zur Interpretation dieser Daten basiert auf wissenschaftlichen Grundlagen des Umweltmediziners Dr. Albrecht Wiedenmann, der unseren Wissenschaftler auch bei der Auswertung der mikrobiologischen Daten unterstützte. Mittels einer dreistufigen Risikoberechnung wurde die Badegewässerqualität für jeden Messpunkt beurteilt. Um Ausreißern Rechnung zu tragen, wurden in einem weiteren Schritt die Grenzwerte aus den Landesverordnungen von Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen in die Bewertung einbezogen. Diese sehen Sofortmaßnahmen von der Durchführung weiterer Kontrollmessungen bis zur Verhängung von Badeverboten vor, wenn einzelne Messwerte von 1 800 E. coli pro 100 Milliliter und 700 IE pro 100 Milliliter überschritten werden. Für den ADAC-Test bedeutete das: Wurde dieser Grenzwert an einer Messstelle ein Mal überschritten, konnte die Wertung nicht besser als ausreichend sein. Anderenfalls griff das sogenannte K.O.-System, das heißt, die Note wurde abgewertet.
Das Ergebnis beschreibt das Risiko, als Badender an einer Messstelle einer gesundheitsgefährdenden Konzentration von Bakterien während der Badesaison 2009 ausgesetzt worden zu sein. Es drückt sich aus in den ADAC-Urteilen sehr gut, gut, ausreichend, bedenklich und mangelhaft.
Alle 72 Messpunkte wurden in der ersten Mai-Woche 2010 durch HYDRA nochmals daraufhin überprüft, ob sich in der Zeit nach dem Test bauliche oder andere, für die Wasserhygiene oder den Badegast bedeutsame Veränderungen ergeben haben. (Quelle: ADAC)