Nach Einschätzung von Experten haben Kinder suchtkranker Eltern ein stark erhöhtes Risiko, später selbst suchtkrank zu werden.

Waren. In Mecklenburg-Vorpommern droht Experten zufolge rund 16.000 Kindern, die in Familien mit suchtkranken Eltern leben, eine eigene „Suchtkarriere“. Diese Zahl wurde am Sonnabend auf der Jahrestagung der Landesstelle für Suchtfragen in Waren bekannt. „Das ist keine Randgruppe mehr, das ist eine substanzielle Gruppe“, sagte Janet Nachtigall vom Rostocker Netzwerk „Kind-Familie-Sucht“. Das Schweriner Sozialministerium will erreichen, „dass sich alle sozialen, psychologischen und medizinischen Fachkräfte stärker des Themas annehmen, als bisher“, hieß es in einem Grußwort von Landessozialministerin Manuela Schwesig (SPD), die nicht selbst zur Tagung kam.

Nach Einschätzung von Experten haben Kinder aus solchen Familien - meist mit Alkoholproblemen – ein stark erhöhtes Risiko, später selbst suchtkrank oder psychisch krank zu werden. Bundesweit wird die Zahl der Kinder in solchen Familien auf 2,65 Millionen Kinder geschätzt, in Mecklenburg-Vorpommern sollen rund 47 000 Kinder bis zum 18. Lebensjahr in Familien mit mindestens einem suchtkranken Elternteil leben. Untersuchungen zeigten, dass ein Drittel solcher Kinder aus Familien mit Alkoholsüchtigen und 45 Prozent der Kinder aus Familien mit Drogensucht später selbst suchtkrank werden.

In solchen Familien änderten sich meist ständig die Tagesabläufe es gebe keine festen Regeln, erklärte Nachtigall. „Oft wird die Sucht zum Dreh- und Angelpunkt in der Familie, die Kinder stellen ihre eigenen Gefühle in den Hintergrund.“ Hinzu kämen Probleme mit dem Arbeitsplatz. So flüchteten Kinder oft in Rollen, wie der des Helden, der den Tagesablauf managt, was meist die ältesten Kinder übernähmen. später hätten sie als Erwachsene Probleme, Verantwortung abzugeben. Andere fielen als „Sündenbock, als Träumer oder als Clown“ auf. Trotz aller Probleme sei aber eine stabile Entwicklung möglich.

„Wichtig sind dabei soziale Netzwerke außerhalb der Familie und der offene Umgang mit der Sucht, statt der meist praktizierten Regel: „Das geht keinen was an“ “, erklärte die Sozialpädagogin. Dazu gehörten auch verlässliche Verwandte oder Nachbarn. „Jeder Erwachsene ist unbewusst ein Vorbild für Kinder.“ Dem Rostocker Netzwerk gehören Erziehungs-, Sucht- und Familienberater, das Gesundheitsamt, Ärzte und Sozialpädagogen an. Nach diesem Vorbild wurde 2010 auch in Greifswald ein solches Netzwerk gegründet.