Inzest zwischen Vater und Tochter: Aus “abgöttischer Liebe“ zu seiner Tochter versuchte ein 42-Jähriger deren Lebensgefährten zu ermorden.

Stralsund. Seit der Bluttat im September 2009 herrschte eisige Stille zwischen Vater und Tochter. Im Zeugenstand, vor dem Stralsunder Landgericht, bricht es dann aus der jungen Frau heraus: „Wenn er nur einmal für mich dagewesen wäre“, schluchzt die 22-Jährige.

Auch der Angeklagte, ein muskelbepackter und eher bulliger Typ, kann seine Emotionen nicht mehr verbergen. „Ich habe 20 Jahre lang versucht, mich um dich zu kümmern“, entgegnet er ihr unter Tränen. Im Gerichtssaal herrscht betretenes Schweigen. Der 42-Jährige muss sich wegen versuchten Mordes am Lebensgefährten seiner Tochter verantworten.

Bis zu ihrem 18. Geburtstag hatten Vater und Tochter keinen Kontakt zueinander. Dann begannen erste zaghafte Versuche der Annäherung: Telefonate, kurze Besuche, SMS. Im vergangenen Sommer - fünf Wochen lang – waren sich beide ganz nah: Mit ihrem Baby besuchte sie ihren Vater in Züssow. Die junge, im schleswig-holsteinischen Wilster beheimatete Frau bestätigt im Zeugenstand, in dieser Zeit mit ihrem Vater eine sexuelle Beziehung gepflegt zu haben.

Gegen beide haben die Behörden inzwischen ein Ermittlungsverfahren wegen „Beischlafes mit Verwandten“ (Inzest) eingeleitet. Ein Polizeibeamter spricht von einer offenbar „abgöttischen Liebe“ des Angeklagten zu seiner Tochter. Ihm habe der Angeklagte gestanden, dass er die 22-Jährige nicht als Tochter, sondern als Frau liebe.

Doch im Prozess geht es zunächst um die Bluttat, bei der der 21- jährige Lebensgefährte seiner Tochter beinahe ums Leben gekommen wäre: Am 4. September 2009, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, soll der 42 Jahre alte Schweißer den Vater seiner kleinen Enkelin unter dem Vorwand, ihm einen gut bezahlten Kurzzeitjob in Polen besorgt zu haben, von Wilster nach Vorpommern gelockt haben. „Die Fahrt diente nur dem Zweck, das Opfer von seiner Tochter zu trennen, wenn nötig mit Gewalt“, sagt Staatsanwalt Rolf Kuhlmann. Aus Eifersucht habe der Angeklagte gehandelt, weil er das intime Verhältnis zu seiner Tochter fortsetzen wollte. Der 21-Jährige habe sich nur retten können, weil er sich tot gestellt habe.

Der Angeklagte selbst schweigt am ersten Prozesstag zu den Vorwürfen. Den äußerst brutalen Tatablauf schildert das ahnungslose Opfer, das bis dahin nichts von der inzestuösen Beziehung zwischen seiner Freundin und deren Vater wusste. Danach habe ihn sein Schwiegervater in spe auf einem Zwischenstopp zunächst mit einer Pistole bedroht, gefesselt und in den Kofferraum gezwungen. Später in Breechen in der Nähe von Greifswald habe er ihn nach einer gemeinsamen Zigarette brutal geschlagen und mit einem Seil zum Fluss Peene geführt, berichtet der schmal gewachsene junge Mann. Dort habe der Täter ein Messer gezückt und mehrfach auf Brustkorb, Bauchraum und Rücken eingestochen. „Ich spürte, wie das Blut blubbert. Oh Mist, jetzt hat er mich tödlich erwischt“, schilderte der junge Mann seine Gedanken in dem Moment. Um sein Leben zu retten, habe er sich totgestellt, woraufhin der Täter von ihm abließ. Mit Mühe habe er sich zu einem Haus schleppen können, wo ihn die Hauseigentümerin fand und einen Notarzt alarmierte.

Die Wunden sind inzwischen vernarbt. Die Richterin fragt nach den psychischen Folgen des Angriffs: Noch vier Monate nach der Tat habe er Alpträume und Verfolgungsängste, berichtet er mit leiser Stimme. Für eine psychiatrische Behandlung gebe es keine Termine. Er nehme Schmerzmittel, Schlafmittel und Antidepressiva. Seine Tochter, inzwischen elf Kilo schwer, könne er nicht heben.

Ambivalent bleibt am ersten Prozesstag die Rolle der Tochter des Angeklagten: So wusste sie offenbar, dass der Vater ihrem Lebensgefährten, mit dem sie zuvor wegen dessen Lebenswandels in Streit geraten war, einen Denkzettel verpassen wollte. Noch vor der Abfahrt habe sie ihren Freund gewarnt, ihr Vater wolle ihn aussetzen. Wie der 21-Jährige berichtet, habe er deshalb den Übergriff zunächst nicht ernst genommen. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.