Die Spannung im Norden wächst: Nach dem TV-Duell der Spitzenkandidaten sehen sich CDU und SPD vorn. FDP-Vormann Kubicki träumt von Jamaika.
Kiel. „Dänen-Ampel“, große Koalition, „Jamaika“ oder rot-gelb-grüne Ampel? Schleswig-Holstein steuert an diesem Sonntag eine hochspannende Landtagswahl mit knappem Ausgang an. Mit einem Großaufgebot ihrer Bundesprominenz versuchen alle Parteien fast bis zur letzten Minute, das Ruder für sich herumzureißen. Nach SPD und FDP mit den Parteichefs Sigmar Gabriel und Philipp Rösler am Donnerstag rüstet die CDU mit Kanzlerin Angela Merkel am Freitag zum letzten Großauftritt. Die Grünen haben ihre Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir ohnehin im Dauereinsatz auf den Straßen.
Zusätzlichen Drive bekam der Wahlkampf mit dem TV-Duell der Spitzenkandidaten von CDU und SPD, auch wenn die Protagonisten Jost de Jager und Torsten Albig trotz Differenzen in Stil und Inhalten im NDR-Fernsehen am Mittwochabend brav miteinander umgingen. Der CDU-Wirtschaftsminister setzte auf Zahlen und Fakten, Kiels SPD-Oberbürgermeister blieb eher grundsätzlich, wirkte auf Beobachter gefälliger. Angriffe de Jagers parierte er abgeklärt. Wie üblich, sah die jeweilige Anhängerschaft den eigenen Mann als Gewinner. Einen klaren Sieger gab es indes nicht, Fernsehprofis sahen Albig nach Punkten vorn, weil er rhetorisch besser gewesen sei. Albig rangiert bei den Persönlichkeitswerten in den Umfragen klar vor de Jager.
Beide behandelten einander im Fernsehen so, dass sie sich bei möglichen Verhandlungen über eine große Koalition nach der Wahl auch freundlich begrüßen könnten – wie sie es vor dem TV-Duell taten. Kein Vergleich mit dem einstigen krawalligen Auftritt der Streithähne Peter Harry Carstensen (CDU) und Ralf Stegner (SPD) vor der Wahl 2009. Ein Bündnis mit der SPD erscheint für die CDU derzeit als realistischste Machtoption nach der Wahl, auch wenn führende Christdemokraten eher ein „Jamaika“-Bündnis mit FDP und Grünen erwarten.
Das ist auch für FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki die wahrscheinlichste Koalition, bekräftigte er im ZDF-„Morgenmagazin“ am Donnerstag. Kubicki sieht hinreichend viele Kompromisslinien zu den Grünen in der Haushalts- und Bildungspolitik. Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck meinte dagegen in der TV-Talkrunde der kleinen Landtagsparteien: „Ich kenne niemanden in Schleswig-Holstein, der Jamaika will, mich eingeschlossen.“ Habeck hatte lange offengelassen, ob die Grünen lieber mit der SPD oder der CDU regieren wollen. Inzwischen setzen sie klar auf eine Koalition mit der SPD und dem SSW (Südschleswigscher Wählerverband), der für einen Regierungswechsel weg von Schwarz-Gelb wahrscheinlich gebraucht wird.
„Jamaika“ könnte Habeck in seiner Partei derzeit kaum durchsetzen, selbst wenn er es wollte. Spekulationen ranken sich um die Frage, ob Kubicki statt „Jamaika“ eher eine rot-gelb-grüne Ampel im Blick hat. Die hat er zwar mit dem kantigen SPD-Fraktions- und Landeschefs Ralf Stegner ausgeschlossen, aber wer weiß, wie es wirklich kommt. Die FDP kann nach langem Stimmungstief den jüngsten Umfragen zufolge auf den Wiedereinzug in den Landtag mit 6 bis 7 Prozent hoffen. Die Grünen lagen bei 12 bis 13 Prozent, die Piratenpartei bei 8 bis 10, der von der Fünf-Prozent-Hürde befreite SSW bei 4 Prozent. Die Linke steht vor dem parlamentarischen Aus.
Um Platz eins rangeln CDU und SPD mit Umfragwerten von 31 bis 33 Prozent. Für den Ausgang des Rennens war das TV-Duell vermutlich nicht entscheidend. „Ich bin zufrieden“, gab de Jager an. „War ganz okay“, sagte Albig. „Deswegen werden wir die Wahl nicht verlieren.“ (dpa)