In der hannoverschen Landeskirche werden Pfarrer schon bald rar. Der Käßmann-Nachfolger will mehr Begeisterung für den Beruf wecken.

Hannover/Braunschweig. Ralf Meister, neuer Bischof von Deutschlands größter evangelischer Landeskirche in Hannover, hat für mehr Frauen in kirchlichen Spitzenämtern geworben. Auch wenn Frauen formal der Weg in sämtliche Kirchenämter offenstehe, könne von einer Gleichberechtigung in der Praxis noch nicht gesprochen werden, sagte der Käßmann-Nachfolger am Freitag in Hannover in seinem ersten Bericht vor dem Kirchenparlament. Die Kirche müsse darüber nachdenken, wie sie mehr Frauen für Führungsaufgaben gewinnen könne.

Der neue Bischof würdigte die Pionierarbeit seiner Vorgängerin Margot Käßmann. „Sie hat als Frau diesem Amt einen besonderen Charakter gegeben. Sie hat darin eine emanzipatorische Bewegung in unserer Kirche ausgelöst.“ Meister, bisher Landessuperintendent in Berlin, hatte vor sechs Wochen die Nachfolge von Käßmann in Hannover angetreten. Die prominente Theologin war nach einer Alkoholfahrt im Februar 2010 von ihren Spitzenämtern zurückgetreten.

Die Landeskirchen in Hannover und in Braunschweig legten ihre Haushaltszahlen für 2010 vor - die Parlamente tagten parallel. Während die Kirche in Hannover nach langem Sparkurs einen Überschuss von 24,9 Millionen Euro verbuchte, steckt die Braunschweiger Kirche weiter in roten Zahlen. Bischof Friedrich Weber verteidigte die im Herbst eingeleiteten Sparmaßnahmen deshalb als „unumgänglich“. Bis 2020 soll die Zahl der Gemeindepfarrstellen von 220 auf 170 sinken, die Zuschüsse an das Diakonische Werk sollen halbiert werden und die Frauenhilfe steht vor drastischen Einschnitten.

Bei ihrer Tagung wählte das Braunschweiger Kirchenparlament Oberlandeskirchenrat Thomas Hofer zum Stellvertreter von Bischof Weber. Hofer hatte im März die Leitung des Landeskirchenamtes übernommen.

Meister warnte unterdessen vor einem Pfarrermangel, der schon bald der Kirche in ganz Deutschland bevorstehe. „Fast alle evangelischen Kirchen in Deutschland werden in einigen Jahren vor einem Nachwuchsproblem stehen.“ In Niedersachsen werde es spätestens von 2017 an zunehmend schwieriger, freiwerdende Stellen neu zu besetzen. In einem ersten Schritt müssten die fünf Landeskirchen in Niedersachsen den Austausch intensivieren. Außerdem müsse die Kirche verstärkt in den Schulen für das Theologiestudium werben und junge Menschen für den Pfarrberuf begeistern.

Anders als seine Vorgängerin setzte Meister in seiner ersten Grundsatzrede vor dem Kirchenparlament noch keine politischen Akzente. Das Bischofsamt bestehe nach seiner Überzeugung nicht in der Ausübung weltlicher Gewalt, sondern in der kritischen Auslegung der Bibel in unserer Zeit. Meister war bis vor kurzem einer der „Wort zum Sonntag“-Sprecher in der ARD.

Kritisch setzte sich die Synode während ihrer Tagung mit der Massentierhaltung auseinander. Hintergrund ist der im Bau befindliche Geflügelschlachthof in Wietze im Kreis Celle. Verbraucher, Landwirtschaft und Politik müssten über den Umgang mit Tieren diskutieren, meinte der Bischof. „Es geht darum, einen Konsens zu finden.“

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Deutschlands größte evangelische Landeskirche in Hannover schreibt nach einem jahrelangen Sparkurs wieder schwarze Zahlen. Erstmals seit längerem sei im vergangenen Jahr wieder ein Überschuss in Höhe von 24,9 Millionen Euro verbucht worden, sagte ein Kirchensprecher am Donnerstag nach einem Bericht des Landessynodalausschusses. Im Haushalt der Kirche mit ihren knapp drei Millionen Mitgliedern standen Einnahmen in Höhe von rund 513 Millionen Euro Ausgaben von 488 Millionen Euro gegenüber.

Bis Sonnabend tagt das Kirchenparlament erstmals mit dem neuen Bischof der Landeskirche. Ralf Meister hatte im März die Nachfolge der langjährigen Bischöfin Margot Käßmann angetreten. Am Freitag wird Meisters erster Bericht vor der Synode erwartet. Auf der Kirchentagung debattiert das Parlament unter anderem auf Antrag der Kirchengemeinde Wietze über die Nutztierhaltung. In Wietze entsteht derzeit ein riesiger Hähnchenschlachthof – das Projekt ist höchst umstritten.

Begleitet wurde der Start der Synodentagung von einer Demonstration von Diakoniebeschäftigten, zu der die Gewerkschaft Verdi aufgerufen hatte. Die Arbeitgeberseite fordert für die rund 50.000 Diakonie-Beschäftigte in Niedersachsen fünf Prozent mehr Gehalt, die Arbeitgeber hatte zwei Prozent geboten, will parallel aber die Arbeitszeit erhöhen. Verdi hatte bereits mehrfach zu Protestaktionen aufgerufen, obwohl die Gewerkschaft bislang in die Verhandlungen nicht einbezogen ist. In dem bei der Kirche praktizierten „Dritten Weg“ beraten Arbeitgeber und -nehmer in einer Kommission über die Gehälter. Die Arbeitnehmerseite streb aber seit längerem unter Einbeziehung von Verdi herkömmliche Tarifverhandlungen an. (dpa/abendblatt.de)