Hamburg. Hoher Beratungsbedarf in Hamburg. Lage und Ausstattung von Wohnungen werden oft anders bewertet. Was dann zu tun ist.

Sylvia Sonnemann weiß nicht, wo ihr gerade der Kopf steht. „Wir haben mit atemberaubend vielen Mieterhöhungsfällen zu tun“, sagt die Geschäftsführerin von Mieter helfen Mietern MhM in Hamburg. Nur wenige dieser Beratungen hätten etwas mit der Mietpreisbremse zu tun, vielmehr mit der fehlerhaften Einordnung in den zum dritten Mal in Folge stark gestiegenen Mietenspiegel. „Vermieter ordnen hier die Wohnungen oft nicht sorgfältig ein“, beklagt die Juristin. Entsprechend oft müsste man zu einer Ablehnung oder nur zu einer Teilzustimmung der Erhöhung raten.

Das ist Wasser auf die Mühlen des Deutschen Mieterbundes DMB. Nach seiner Erfahrung sind mehr als ein Drittel der Mieterhöhungen, die Vermieter unter Berufung auf die ortsübliche Vergleichsmiete oder nach einer Modernisierung verschicken, unzulässig, fehlerhaft oder zu hoch. In der neuen Broschüre „Mieterhöhung“ klärt er daher zu den wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen und zur aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf – auch zur Mietpreisbremse.

Wo es zu Streit und Fehlern kommt, zeigen diese drei Beispiele.

St. Georg: Obwohl es in der „Koppel“ kein Grün gibt und die Umgebung stark geprägt ist von parkplatzsuchenden Besuchern der Lange Reihe, wurde die Straße im aktuellen Wohnlagenverzeichnis des Mietenspiegels erneut der guten Wohnlage zugeordnet. Der Vermieter fordert deswegen jetzt 10,59 Euro/m² netto kalt. Der Verein MhM empfiehlt den ratsuchenden Mietern nur zu einer Teilzustimmung. „Denn selbst wenn man der Einordnung in die gute Wohnklage folgt, handelt es sich um eine schlechte gute Wohnlage, so dass ein kräftiger Abschlag vom Mittelwert gerechtfertigt ist“, sagt Sonne­mann. Wenn die Vermieter mehr wollten, müssten sie auf Zustimmung klagen. Die Juristin: „Schon einmal befanden Richter, dass die Straße der normalen Wohnlage zuzuordnen ist.“

Barmbek: Hier berufen sich die neuen Vermieter bei ihrer Mieterhöhung auf das ursprüngliche Baualter der Wohnung, und damit auf das Jahr 1928. Sonnemann: „Das Ensemble wurde aber komplett bis auf die Außenmauern im Zweiten Weltkrieg zerstört und erst 1950 wiederhergestellt. Laut Mietenspiegel gilt in solchen Fällen in aller Regel das Bezugsdatum als Baualtersklasse.“ So hätten es auch die Voreigentümer gehandhabt. „Erst jetzt, wo die Baualterklasse 1919–1948 teurer geworden ist als die 50er-Jahre-Kategorie, kommt der Vermieter mit der neuen alten Baualtersklasse.“ Auch hier empfiehlt MhM nur eine Teilzustimmung. Notfalls müssten Gerichte entscheiden, welches Baualter gelte.

Altona: In diesem Fall sollen Mieter, die damals bei Bezug ihrer Altbauwohnung die Heizung selbst eingebaut haben, einer Mieterhöhung zustimmen, weil die Wohnung sich damit dem Feld C4 des Mietenspiegels zuordnen lässt. Der Vermieter fordert unter Hinweis, dass diese Maßnahme längst abgewohnt sei, nun eine Erhöhung von 7,50 auf 8,63 Euro/m2. Er betont, dass er auf eine Erhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete von 9,15 Euro/m2 verzichte. Hier rät MhM gänzlich von einer Zustimmung ab. „Denn eigentlich wäre das Feld B4 einschlägig, weil die Heizung von den Mietern eingebaut wurde. Egal, wie lange das jedenfalls zurück liegt, kann sich der Vermieter diese Ausstattung nicht zurechnen.“ Grundsätzlich liege keine wirksame Begründung vor, da der Vermieter keine Mietenspiegelwerte, kein Gutachten oder Vergleichswohnungen benennt.

Wie der Deutsche Mieterbund hinweist, kommt die Mieterhöhung unter Berufung auf die ortsübliche Vergleichsmiete am häufigsten vor. Mieterhöhungen auf die Vergleichsmiete seien aber ausgeschlossen, wenn ein Index- oder Staffelmietvertrag oder ein Zeitmietvertrag mit einer Festmiete vereinbart sei. Außerdem gibt es eine Jahressperrfrist: Frühestens ein Jahr nach Einzug in die Wohnung darf der Vermieter die erste Mieterhöhung schicken. Rechnet man die Überlegungsfrist des Mieters hinzu, kann sich die Miete jeweils frühestens nach 15 Monaten erhöhen. In der neuen Broschüre des DMB findet sich hierzu das folgende Beispiel: Begann das Mietverhältnis am 1. März 2015, darf der Vermieter erst im März 2016 eine Mieterhöhung fordern. Zahlen muss der Mieter die erhöhte Miete erst von Juni 2016 an.

Außer der ortsüblichen Vergleichsmiete muss der Vermieter noch die Kappungsgrenze beachten: Die Miete darf danach innerhalb von drei Jahren höchstens um 20 Prozent steigen beziehungsweise in Gebieten mit besonders angespannten Wohnungsmärkten höchstens um 15 Prozent. Beispiel: Kostet eine 50 Quadratmeter große Wohnung 350 Euro im Monat, und die Vergleichsmiete liegt bei 400 Euro, ist eine Mieterhöhung auf diesen Betrag möglich, denn der Quadratmeterpreis steigt dann nur von sieben auf acht Euro. Liegt die Vergleichsmiete aber bei 9 Euro/m2, ist eine Mieterhöhung von 350 Euro auf 450 Euro nicht zulässig. Die Kappungsgrenze greift hier bei 420 Euro (20 Prozent), oder genauer bei 402,50 Euro (15 Prozent), ein. Sie gilt in Städten, die von den Ländern festgelegt werden müssen. Voraussetzung ist, dass dort die ausreichende Versorgung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Das ist in Hamburg der Fall. Wichtig zum Schluss: Die Mieterhöhung wird nur mit Zustimmung des Mieters wirksam. Der muss zustimmen, wenn die Erhöhung formal und inhaltlich in Ordnung ist.

Die Broschüre Mieterhöhung kostet 6 Euro und kann unterwww.mieterbund.de bestellt werden.