Im Schnitt steigt der Stromverbrauch trotz verbesserter Technik um 22 Prozent. Rebound-Effekt macht alles zunichte. Erfahren Sie hier mehr.
Wer auf effiziente Technik setzt, spart Energie und Geld, so die landläufige Meinung. Doch die Realität sieht häufig anders aus: Statt Energiesparlampen abzuschalten, lässt man sie sorglos brennen. Anstatt die sparsame Hightech-Heizung auf 18 Grad zu beschränken, darf es gerne mal ein Grad mehr sein. Und wer sich vom gesparten Geld einen zusätzlichen Urlaub leistet, bedient ihn ebenfalls, den sogenannten Rebound-Effekt, der einen Teil der angestrebten Einsparung schnell wieder zunichte macht.
"Maßnahmen zur Energieeffizienz werden weniger aus moralischen Gründen ergriffen denn aus dem Hang, Geld zu sparen. Man investiert nur, wenn es sich rechnet, und möchte dann natürlich auch von den Ersparnissen profitieren", sagt Tilman Santarius, Vorstandsmitglied bei Germanwatch. Der Verein setzt sich für globale Gerechtigkeit, den Erhalt der Lebensgrundlagen und eine nachhaltige Entwicklung ein. Santarius hat sich als Wissenschaftler intensiv mit dem Rebound-Effekt beschäftigt. "Es muss teuer bleiben, wenn man Licht zu lange brennen lässt - trotz Energiesparlampen", sagt der Ökonom. Denkbar sei beispielsweise das Erheben einer Verbrauchs- bzw. Ökosteuer, wie sie auch von Wissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker favorisiert werde. Das motiviere, Energie einzusparen.
Viele Investitionen würden aber auch unterlassen, obwohl sie sich rechneten, so Santarius. Ein Umdenken könnten intelligente Stromzähler (Smart Meter) bewirken. "Die Geräte können helfen, ein Bewusstsein für das Thema Energieeffizienz zu schaffen, denn der direkte Rebound-Effekt ist damit nachvollziehbar", sagt der Klimaexperte.
Mithilfe von Smart Metern lassen sich Energiefresser schneller identifizieren
Energieversorger wie etwa E.on Hanse sehen die Einführung von Smart Metern ebenfalls positiv. Insgesamt hat das Unternehmen in Europa schon 1,8 Millionen solcher Messgeräte im Einsatz. In Bayern begrüßten Kunden in einem Feldtest mit 10 000 Smart Metern, dass die Geräte eine Verbrauchskontrolle ermöglichten und mit ihnen "Energiefresser" leichter zu identifizieren waren. "Bei über einem Drittel der Teilnehmer führten diese Erkenntnisse zu einer Veränderung des Verbrauchsverhaltens", sagt Unternehmenssprecher Volker Mielisch.
Der VNW Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen, dem 312 Wohnungsgenossenschaften und -gesellschaften angehören, zeigt sich dagegen skeptisch. "Feldversuche zeigen, dass Smart Meter im Idealfall Energieeinsparungen zwischen vier und neun Prozent ermöglichen", sagt Joachim Wege, Direktor des VNW. Vordem bedürfe es aber fachkundiger Beratung.
Über Smart Meter gesteuerte Hausgeräte sollen anspringen, wenn viel und deshalb preiswerte Energie verfügbar ist. Das sei mit der Lebenswirklichkeit nur selten kompatibel. Herde, Küchenmaschinen, Fernseher etc. würden angeschaltet, wenn sie gebraucht werden - unabhängig vom gerade aktuellen Energiepreis, so Wege. Denkbar sei zwar, dass Waschmaschinen oder Wäschetrockner mit günstigem Nachtstrom liefen. Nächtliches Wäschewaschen und Schleudern im Namen der Energiewende würde aber zur Nagelprobe für die Nachbarschaft. Ältere Häuser seien schalltechnisch darauf nicht ausgerichtet. Zudem müssen die Haushalte ihre elektrischen Geräte durch sogenannte SG-Ready-Geräte (Anm. der Red.: SG bedeutet Smart Grid, das intelligente Stromnetz) ersetzen, die mit Smart Metern kommunizieren können.
"Der Markt für diese Art der Haushaltsgeräte entwickelt sich erst", sagt Anna Muche, Expertin der Zebau - Zentrum für Energie, Bauen, Architektur und Umwelt in Hamburg. "Noch gibt es zu wenige Anbieter. Die Technologie ist von der Marktreife entfernt." Den Ansatz, den Strom zu nutzen, wenn er vorhanden ist, und damit Bedarfsspitzen von zusätzlichen Kraftwerken überflüssig zu machen, hält die Zebau-Expertin allerdings für richtig. Derzeit forschen und entwickeln alle großen Gerätehersteller, aber auch Firmen wie Microsoft an Lösungen, die uns Energie effizienter nutzen lassen.
Im Testlabor "Microsoft Home" in Redmond stehen viele Ideen auf dem Prüfstand. Fünf Jahre sei man allerdings noch von der Marktreife entfernt, so heißt es dort. Ein Blick in die Vergangenheit gibt allerdings zu denken. Wie Studien zeigen, nahm die Energieeffizienz von Geräten seit Mitte der 80er-Jahre um rund 37 Prozent zu. Durch zunehmende Größe und den Umstand, dass mehr Apparate angeschafft wurden, stieg der Stromverbrauch trotzdem um insgesamt 22 Prozent. "Rund 50 Prozent der Einsparungen werden durch den Rebound-Effekt langfristig wieder aufgefressen", sagt Experte Santarius. Es sei daher höchste Zeit, nicht nur auf intelligente Technologie zu setzen, sondern das Verbrauchsverhalten auch zu steuern, damit die Umwelt nachhaltig davon profitiert und nicht nur die Lebensqualität.