In Dulsberg engagieren sich Bürger im Verein Mook Wat. Sie kümmern sich um Ausländer, Wohnungen, Weiterbildung und soziale Angelgenheiten.
Er wird zu unrecht unterschätzt: Der Stadtteil Dulsberg zählt zu den kleinsten Quartieren der Hansestadt, doch er ist viel schöner als sein Ruf: "Viele Hamburger kennen unseren Stadtteil kaum", sagt Jürgen Fiedler, Leiter des Stadtteilbüros. "Dabei haben wir zum Beispiel einen großen, für alle zugänglichen Grünstreifen, der sich mitten durch den Stadtteil zieht." Dulsberg habe sich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt, sagt der 49-Jährige: "Uns unterscheidet von anderen Quartieren, dass die Bevölkerung nicht wegzieht." Es seien aber auch viele junge Leute hergezogen, sagt Fiedler: Studenten und Familien mit Kindern. "Der Stadtteil ist lebendig, durchmischt - und engagiert. Wir versuchen bei all unseren Aktivitäten, die Bevölkerung in die Entwicklung des Quartiers einzubeziehen", sagt Fiedler, "zum Beispiel haben wir im Grünzug einen Spielplatz gebaut und die Bewohner an den Entscheidungen des Projekts beteiligt."
Das Büro wurde 1993 im Zuge des Hamburger Stadtentwicklungsprogramms eingerichtet. Damals zählte Dulsberg zu den ersten drei Stadtteilen, die am Programm für soziale Brennpunkte teilnahmen. Vier Angestellte arbeiten heute in dem Stadtteilbüro, das der freie Träger "Mook Wat" betreibt. "Unsere Aufgaben sind vor allem, die Lebensverhältnisse im Quartier zu stabilisieren und die Bevölkerung zu aktivieren, zum Beispiel auch wieder zu wählen", sagt Fiedler. Auch die öffentliche Diskussion gehöre dazu sowie die Verbesserung der Wohnraumsituation. "Dulsberg ist der Stadtteil mit den meisten kleinen Wohnungen", sagt Fiedler. "Sie haben im Durchschnitt 52 Quadratmeter. Wir überlegen mit den Baugesellschaften, wie wir sie vergrößern können, etwa, indem bestehende Wohnungen für Familien zusammengelegt werden. Denn es gibt bei uns keine freien Flächen für Neubauten mehr."
+++"Mook Wat" : Soziale Projekte in Dulsberg vor dem Aus+++
Der Name Dulsberg lässt sich zurückführen auf eine Anhöhe im heutigen Bezirk Hamburg-Nord, die Tollsberg hieß. Sie lag auf der Höhe der Kreuzung Krausestraße und Lauenburger Straße. Jahrhunderte als Ackerland der Barmbeker Bauern genutzt, konzipierte Oberbaudirektor Fritz Schumacher in den 20er-Jahren auf dem 1,2 Quadratkilometer großen Areal eine Neubausiedlung, größer als die Jarrestadt, mit den drei Schulen Alter Teichweg, Krausestraße und Adlerstraße. Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Stadtteil durch die Angriffe der Operation Gomorrha nahezu vollständig zerstört, doch vielfach blieben Fassaden stehen, sodass die Häuser später nach alten Plänen wieder aufgebaut werden konnten. Heute reisen Architekten aus aller Welt an, um die Bauten Schumachers und auch der Gebrüder Frank zu besichtigen, welche die unter Denkmalschutz stehenden Laubengänge errichtet hatten.
Bedingt durch die vielen kleinen Wohnungen leben 61 Prozent der Dulsberger in Single-Haushalten. Statistisch gesehen sind 14,5 Prozent der Bewohner über 65 und älter, 14,1 Prozent unter 18 Jahre, und in 14,4 Prozent der Wohnungen leben Kinder. "Der Stadtteil ist toll", findet auch Seyhan Dülger, die mit ihrem Mann Murat und den Söhnen Yunus, 11, und Akin, 8, vor zehn Jahren aus Barmbek umzog. "Es ist familienfreundlich und grün, es gibt viele Kleingärten - mitten in der Großstadt."
Dülger schätzt besonders, dass Schulen, Kindergärten und Spielplätze nah beieinander sind. Und die Freundlichkeit der Menschen: "Bei uns gibt es Multikulti, man kennt sich, man fühlt sich wohl", sagt die 34-Jährige. "Wir haben einen Anteil an Ausländern von 23 Prozent", sagt Fiedler, "der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund, die schon lange bei uns leben, ist mit 50 Prozent wesentlich höher." Die meisten seien Türken, Iraner, Ghanaer oder aus dem ehemaligen Jugoslawien, so der Leiter des Stadtteilbüros.
Auch Patricia Tippenhauer schätzt Dulsberg: "Ich kam nach 26 Jahren in Spanien von der Costa Brava hierher, der Liebe wegen. Ich habe es nicht bereut, sagt sie: "Hier leben alle zusammen, bei uns gibt es eine nette Nachbarschaft, man hält immer mal einen Schwatz im Treppenhaus." Die 51-Jährige lebt an der Dithmarscher Straße, einer Ladenstraße mit Kopfsteinpflaster und Häusern mit klassischer Backsteinfassade. Obwohl einige der Geschäfte schließen mussten, ist sie bis heute die wichtigste Einkaufsmeile in dem Viertel. "Geschäfte aller Couleur sind gut zu erreichen", sagt Tippenhauer. Es gebe eigentlich keinen Grund ins Zentrum zu fahren, obwohl Dulsberg verkehrstechnisch gut angebunden ist.
Das Engagement vieler Leute in dem vergleichsweise kleinen Stadtteil findet Tippenhauer bemerkenswert: "Verschiedenen Gruppen von Anwohnern tun sehr viel, um möglichst alle Bewohner zu beteiligen. Es gibt viel Kleinkultur, Autorengruppen, eine Galerie." Hier könnten auch Menschen, die wenig Geld hätten, in der Gesellschaft sein, ohne sich ausgegrenzt fühlen zu müssen, sagt sie.
Eine, die sich engagiert, ist Seyhan Dülger. Sie ist eine von zwei angestellten Bildungsberaterinnen bei "Mook Wat" und bietet kostenlose Beratung zur Weiterbildung an. Aber das ist längst nicht alles: "Durch Gespräche finden wir heraus, was die Person zusätzlich brauchen oder mögen könnte", sagt sie. Künftige Eltern etwa erführen, wo sie preiswert Kinderkleidung fänden oder wo Massagen für Babys angeboten würden. "Wir finden eigentlich immer etwas, das Bewohnern weiterhilft oder sie einfach nur interessiert."