Unsicherheiten beim Laufen, Anecken an Tischen oder Türrahmen - diese Koordinationsstörungen sind bei Patienten, die an einer multiplen Sklerose (MS) leiden, häufig. "Die sogenannten ataktischen Beschwerden, kommen bei mehr als 50 Prozent der Patienten vor", so Privatdozent Dr. Christoph Heesen, Oberarzt in der Neurologischen Klinik des UKE. Ursachen können Lähmungen der Beine, Störungen der Tiefensensibilität oder im Kleinhirn sein.
"Die Kleinhirnstörungen sind besonders bedenkenswert. Wenn sie früh auftreten, ist das ein Hinweis darauf, daß bei dem Patienten die MS einen schwereren Verlauf haben kann. Das kann in seltenen Fällen so weit gehen, daß die Patienten im Alltag nicht mehr allein zurechtkommen, weil sie keine Tasse mehr halten oder nicht mehr richtig essen können", so Heesen. "Bislang konnte man diese Symptome mit Medikamenten und Krankengymnastik zwar lindern, aber eine zufriedenstellende Behandlung gab es nicht. Den einzigen Ausblick auf bessere Therapiemöglichkeiten gibt zur Zeit die ,Tiefe Hirnstimulation', bei der eine Elektrode in das Gehirn eingesetzt wird. Damit sind vor zwei bis drei Jahren im UKE drei Patienten behandelt worden, mit positivem Effekt, der bis heute anhält."
Zudem werden von der Pharmaindustrie neue Medikamente entwickelt. "Diese Substanzen, die wohl in den kommenden fünf Jahren zugelassen werden, beeinflussen das Immunsystem. Denkbar wäre es, sie mit Interferon, dem Standardmedikament bei schubförmiger MS, zu kombinieren und so eine bessere Wirkung zu erzielen", so Heesen. Und eine neue diagnostische Methode könnte künftig helfen, den besten Zeitpunkt für den Therapiebeginn herauszufinden. "Man kann im Blut bestimmte Antikörper nachweisen, die möglicherweise eine Aussage über den weiteren Verlauf erlauben. Wenn diese Antikörper sich schon beim ersten Schub der Erkrankung nachweisen lassen, spricht das für eine höhere Entzündungsaktivität. Deswegen würde man in solchen Fällen dazu raten, früh mit einer Immuntherapie zu beginnen", so Heesen, denn diese Patienten könnten bald einen zweiten Schub bekommen. Der Test ist noch im Forschungsstadium.