Wissenschaftler des GKSS-Forschungszentrums Geesthacht entwickeln zukunftsträchtige Verfahren, um Stromproduktion klimafreundlicher zu machen.
Emissionsfreie Kohle- oder Gaskraftwerke, aus deren Abgas das klimaschädliche Kohlendioxid (CO2) entfernt und eingelagert wird, halten viele Energieexperten für eine notwendige Übergangstechnologie ins Zeitalter der erneuerbaren Energieträger Sonne, Wind und Wasserkraft. Im GKSS-Forschungszentrum Geesthacht entwickeln Wissenschaftler Spezialmembranen aus Kunststoff, mit denen sie das Klimagas einfangen wollen. Die Geesthachter Superfeinstfilter könnten eine Alternative zur parallel betriebenen Entwicklung der Rauchgaswäsche sein, bei der zur CO2-Abtrennung eine kleine Chemiefabrik gebraucht wird.
"Unsere Membranen können bereits recht gut CO2 aus dem Abgasstrom abtrennen", sagt Prof. Klaus-Viktor Peinemann vom GKSS-Institut für Polymerforschung. "Aber das Tempo des Trennvorgangs ist noch zu niedrig." Denn die hauchdünnen Trennwände müssen später im Kraftwerk eine Mammutarbeit leisten: Eine mittelgroße Anlage mit einer Leistung von 600 Megawatt produziert pro Stunde 1,4 Millionen Kubikmeter Abgas. Etwa 15 Prozent davon ist Kohlendioxid.
Würde man heutige Membranen in einem solchen Kraftwerk einsetzen wollen, so bräuchte man eine Fläche von zehn Millionen Quadratmetern - "das ist weder wirtschaftlich noch technisch darstellbar", so Peinemann. Deshalb wollen er und sein Team die Kunststoffmembran zehnmal schneller machen. Membranflächen von einer Million Quadratmeter würden heute bereits eingesetzt, in Meerwasserentsalzungsanlagen. Die hauchdünnen Folien werden dazu auf Rollen gewickelt. Eine ein Meter lange Rolle mit 30 Zentimeter Durchmesser fasst etwa 40 Quadratmeter.
Die Geesthachter CO2-Fänger sind bereits deutlich schneller geworden. Peinemann: "Ein Quadratmeter herkömmliche Membran, die bei der Erdgasförderung CO2 abtrennt, schafft 0,2 Kubikmeter pro Stunde. Ein Jahr nach dem Projektstart haben wir diesen Wert verfünffacht, liegen jetzt bei einem Kubikmeter. Zwei bis drei wären ideal."
Um die Trennschicht schneller zu machen, muss sie noch dünner werden - heute ist sie 0,2 Mikrometer (Tausendstel Millimeter) "dick", die Geesthachter Zielmarke liegt bei 0,1 Mikrometer. Diese Trennschichten sind nicht mehr stabil, deshalb bestehen die Membranen aus mehreren Lagen. Peinemann: "Unsere derzeit beste Membran hat fünf Lagen, unser Ziel ist, mit drei Schichten auszukommen."
Die Membran hat keine Poren. Das Kohlendioxid löst sich im Spezialkunststoff und tritt auf der anderen Seite der Trennschicht wieder aus. Um auf Geschwindigkeit zu kommen, wäre eine Flüssigkeit, in der sich das CO2 gut löst, als Trennmaterial ideal. Die Geesthachter experimentieren mit Polyethylenglykol. Dazu wählen sie ein Lösemittel (Ethanol), in dem sich sowohl das Polyethylenglykol als auch der Kunststoff lösen, verrühren beide Substanzen miteinander und lassen das Ethanol verdampfen. Übrig bleibt eine Mischschicht aus Kunststoff und Polyethylenglykol.
Die Geesthachter Kunststoffwerker sind Teil eines bundesweiten Projektes verschiedener Helmholtz-Forschungszentren mit dem Titel "MemBrain". Unter der Leitung des Jülicher Zentrums wollen die Wissenschaftler bis Juli 2011 verschiedene Membrantypen zur CO2-Abtrennung entwickeln. Der Schwerpunkt liegt auf Keramikmembranen. Sie setzen vor dem Verbrennungsofen an, trennen aus dem Luftstrom den Stickstoff ab, sodass die Verbrennung mit annähernd reinem Sauerstoff erfolgt. Dabei entsteht fast ausschließlich CO2, das dann direkt eingelagert werden kann.
"Mit Gastrennung durch poröse Keramiken würden die Kraftwerke kaum an Effizienz einbüßen", betont Prof. Detlev Stöver, Direktor am Forschungszentrum Jülich. Das könnte ein großer Vorteil der Membranen gegenüber chemischen Gasabscheideverfahren werden. Denn die Rauchgaswäsche verbraucht viel Energie. Folge: Der Wirkungsgrad der Stromproduktion von Kohle- und Gaskraftwerken, der ohnehin bestenfalls bei 50 Prozent liegt, sinkt um sechs bis elf Prozentpunkte.
Klaus-Viktor Peinemann ist da weniger optimistisch: "Die Keramikmembran arbeitet erst bei 800 Grad. Es kostet viel Energie, um auf diese Temperatur zu kommen. Die Membrantechniken, auch unsere, dürften etwa ähnliche Wirkungsgradverluste erzeugen wie die chemischen Verfahren." Auch der Platzbedarf der Membranen liege ähnlich hoch - "eine Turnhalle reicht da nicht aus". Aber immerhin müssten die Kraftwerksbetreiber beim Einsatz von Membranen nicht noch nebenbei eine Chemiefabrik unterhalten.
Wann die Hightech-Folien aus den GKSS-Laboren tatsächlich in Kraftwerken einsetzbar sein werden, sei schwer abzusehen, so Peinemann. "Bis 2011 möchten wir zumindest ein technisches Modul entwickelt haben, das beweist, dass unser Verfahren funktioniert. Aber dann ist noch fraglich, wie schnell sich eine Firma findet, um die Millionen Quadratmeter Membranen zu produzieren."