Hamburg. Die Ypsiloner wollen sich selbst verwirklichen. Das hat großen Einfluss auf das Beziehungsleben junger Leute – und auf den Sex.
Oma und Opa sind seit 65 Jahren verheiratet. Die Eltern feiern dieses Jahr 35. Hochzeitstag. Dagegen sind die Partnerschaften unserer Generation oft nur von kurzer Dauer – warum? Ist die langjährige Liebesbeziehung ein Auslaufmodell, das nicht in unser funktionelles und flexibles Leben passt? Und welche Rolle spielt Sex dabei?
Um das herauszufinden, haben wir Autorinnen, die wir auch zur Generation Y gehören, mit Experten und Ypsilonern selbst gesprochen. Hier erzählen Paare unterschiedlicher Generationen in Hamburg, was Liebe für sie ist.
Paare erzählen: Das ist Liebe für uns
Generation Y: Paare
Diese Paare haben sich teilweise vor Jahrzehnten füreinander entschieden, einige sind erst vor Kurzem zusammengekommen. Unabhängig davon verbinden sie mit der Liebe zueinander teils sehr ähnliche Gefühle und Werte.
Allerdings lebe die Generation Y diese Liebe anders als vorangegangene Generationen, meinen Experten – und zwar kürzer, öfter, aber auch intensiver: „Ich sehe eine Generation, die viel schneller bereit ist, Leidenssituationen aufzulösen“, sagt Gerold Wehde vom privaten Integralis Institut Hamburg. Hier können sich unter anderem Paare mit Beziehungsproblemen beraten lassen.
Man trennt sich, wenn es zu anstrengend wird
Die Ypsiloner machen schneller Schluss – das zeigt sich zum einen im beruflichen Kontext: Der Arbeitsplatz wird häufiger gewechselt, wenn er nicht mehr den eigenen Anforderungen entspricht. Gleiches gilt aber auch in Partnerschaften: Man trennt sich, wenn es zu anstrengend wird oder die Beziehung nicht mehr zum eigenen Leben passt. Auf immer und ewig sei heutzutage nicht mehr der Anspruch an die Beziehung, stattdessen habe sich ein freiheitliches Modell in der Generation Y etabliert, meint Wehde: „Der Vorteil ist, dass die Paare in der gemeinsamen Zeit glücklicher miteinander agieren können.“
Gleichzeitig würden die Beziehungen aber an Tiefe verlieren, sagt der Coach. Denn schlechte Zeiten schweißen auch zusammen, man lernt, dem Partner zu vertrauen.
Lautet das Motto der Ypsiloner also "Aufhören, wenn es schwierig wird"? Lassen sie die großen Versprechungen und Vertrauensbeweise einfach beiseite, weil es einfacher ist?
Let´s talk about – Trost
Und wenn es so ist; vielleicht kann die Generation Y gar nichts dafür, dass sie liebt, wie sie lebt: flexibel, leistungsorientiert und immer erst das eigene Wohl im Blick. Denn: „Es gibt für diese Generation nur wenig Sicherheit“, sagt Jakob Pastötter von der Deutschen Gesellschaft Sozialwissenschaftliche Sexualforschung (DGSS).
Eine unverbindliche Möglichkeit, um sich dabei wenigstens für einen kurzen Moment sicher zu fühlen, ist – Sex zu haben. Denn Sex spende Trost und gebe Selbstsicherheit, erklärt Pastötter: „Ob man sich nach dem Sex gut fühlt, ist vergleichsweise einfach zu bemessen.“
Wer Sex hat, ist einem Menschen nahe. Und das sei immer noch besser, als alleine zu sein, erklärt der Sexualforscher. Er glaubt, dass Sex heutzutage als Konsumgut betrachtet wird, „etwas, was einem zusteht, was man sich nehmen muss“. Man kann sich mit seinen Eroberungen im privaten Umfeld brüsten, so wie man mit beruflichen Erfolgen in der Arbeitswelt einen Status erlangt.
Wer sind wir?
Auch frühere Generationen haben sich als junge Erwachsene sexuell ausprobiert. „Heutzutage aber wird Sex instrumentalisiert, er ist nichts Selbstgenügsames mehr“, sagt Pastötter. Er glaubt jedoch, dass die Generation Y ihre Unzufriedenheit irgendwann bemerkt. Grundsätzlich findet er es gut, dass sexuelle Bedürfnisse offener kommuniziert werden: „Man bleibt nicht mehr 30 Jahre in einer Ehe ohne Sex, wenn man ihn wichtig findet.“
Coach Gerold Wehde sieht außerdem die Loslösung von gesellschaftlichen Konventionen und die Freiheit, mit der insbesondere Frauen der Generation Y Beziehungen gestalten können, als Chance und Basis für eine „innerlich freie Liebe“. Dabei geht es nicht mehr darum, dass der Partner gesellschaftlich passt oder die Versorgerrolle übernimmt. Die Liebe zueinander stehe klar im Vordergrund der Beziehung. Darin sieht Wehde einen möglichen Trend, der zu mehr Raum für Liebe und Gemeinschaft in der Gesellschaft führen könnte: „Von ,Wer bin ich?´ zu ,Wer sind wir?´“.