Hamburg. Ist Findeling typisch für Start-Ups der Generation Y? Katharina Walter über Gründer-Spirit, Rückschläge und Arbeitswelt heute.
Direkt nach dem Studium in die Selbstständigkeit und die eigene Idee zum Erfolg bringen? Klingt waghalsig, aber Katharina Walter hat es so gemacht. Anfang letzten Jahres gründete die Hamburgerin, 25, gemeinsam mit ihrem Kommilitonen Florian Schneider ein Start-Up mit dem Namen „Findeling“. Mit diesem Schritt in die Selbstständigkeit sind die beiden keine Ausnahme. Unter den Angehörigen der Generation Y entpuppen sich viele als mutige Neugründer. Doch was motiviert junge Menschen ohne lange Berufserfahrung zum Schritt in die Selbstständigkeit?
Hamburger Abendblatt: Wie seid Ihr auf die Idee zu Findeling gekommen?
Katharina Walter: Die Idee entstand vor etwa zwei Jahren noch während meines Studiums. Ich wohne in St. Pauli - also superzentral. Meine Nachbarin hat damals immer die Pakete aller Parteien im Haus angenommen. Sie war zwar schon in Rente und für sie war das fast schon wie ein Hobby, aber ich hab mich gefragt, es kann doch nicht sein, dass hier immer wieder so viele Pakete ankommen, da wir doch überall in der Nähe alle Angebote haben. Die lokale Google-Suche funktioniert leider nur begrenzt, da mir als erstes die ganzen Ladenketten angezeigt werden. Und das ist auch eigentlich der Ursprung unserer Idee, dass es eben Suchmaschinen für kleine Geschäfte geben sollte, die sich so ein Marketing wie die großen Ketten nicht leisten können.
Was macht Findeling aus? Was ist das Neue und Besondere?
Walter: Mit der App wollen wir Geschäften hier in Hamburg eine Online-Plattform geben, damit Kunden auch wieder verstärkt lokal einkaufen gehen. Wir verstehen Findeling auch mehr als Ladenplattform, in der die individuelle Geschichte der Läden mit im Vordergrund steht und weniger als Produktplattform. Hamburg war dann im letzten Jahr zunächst ein Testmarkt, um zu schauen ob beide Seiten - Nutzer und Geschäfte - bereit sind Zeit und Geld zu investieren. Unsere Idee ist gut angekommen und jetzt planen wir die nächsten Schritte dann ab März in Köln und München.
Was war dann nach der ersten Idee der Auslöser, direkt durchzustarten und sich selbstständig zu machen?
Walter: Noch während meines Studiums habe ich mich informiert, ob es diese Idee denn wirklich noch gar nicht gibt und schnell gemerkt, da bewegt sich gerade etwas. Der Trend geht wieder dahin zurück mehr lokal zu kaufen. Und dann haben Flo und ich uns entschieden: Ok, wir machen das jetzt - noch während des Studiums. Mit einem eigenen Start-Up hatten wir ja die Möglichkeit, unsere Idee nach unseren Vorstellungen umzusetzen. Das hat man anderswo selten, da wird einem meist schnell ein Riegel vorgeschoben.
Haben Sie damit schon schlechte Erfahrungen gemacht?
Walter: Ich habe damals nebenbei in einer kleinen Werbeagentur gejobbt und gemerkt, wenn du Berufseinsteiger bist, wirst du mit deinem Enthusiasmus, den du nach dem Studium mitbringst im Sinne von „Hey, ich bin bereit für die Welt und möchte etwas bewirken“, meistens enttäuscht. Ich habe mit vielen Leuten geredet, die genau das erleben und extrem frustriert sind. Ich glaube, dass viele Unternehmen Leuten, die weniger als drei Jahre Berufserfahrung haben, einfach nichts zutrauen.
Wie haben Freunde und Bekannte auf Ihren Entschluss reagiert?
Walter: Als meine Eltern so alt waren wie ich, hätte man wohl gesagt „Kind, mach mal was Vernünftiges“. Aber heute ist das schon etwas anderes. In meinem Freundeskreis sind schon manche, die das nicht nachvollziehen können. Die unterstützen mich zwar dennoch, aber haben sich selbst eher dazu entschieden, in größeren Unternehmen zu starten.
Können Sie sich das erklären?
Walter: Das ist schwierig. Ich habe eigentlich nur eine Freundin, die sich selbstständig gemacht hat. Was ich aber bemerke, ist, dass vielen das Gehalt gar nicht mehr so wichtig ist. Wenn ich auf die Generation meiner Eltern schaue, dann musste der Job etwas Solides sein, wo man sich was zur Seite packt. Und bei meinen Freunden merke ich, die wollen vor allem einen erfüllenden Job haben mit netter Atmosphäre und einem coolen Team.
Wenn man ein Start-Up gründet, geht man ja auch immer ein gewisses Risiko ein – hatten Sie Bedenken, als es ernst wurde?
Walter: Klar, wir hatten starke Bedenken. Man nimmt Kredite auf und leiht sich Geld von Familie und Bekannten. Hinzu kommt, dass unsere Idee noch keinen Vorgänger hatte, z.B. in Amerika, an dem man sich das hätte durchrechnen können. Das wäre sehr viel leichter, als wenn wir sagen, wir machen jetzt etwas völlig Neues. Es gab schon Momente, da habe ich mich gefragt, warum habe ich mich nicht einfach in einen bequemen Job gesetzt.
Was sollte man mitbringen, wenn man sich selbstständig macht?
Walter: Man muss sich selber motivieren können. Im Studium heißt es noch, du musst die und die Scheine machen, aber jetzt bist du diejenige, die den Plan festlegt. Das braucht viel Disziplin und eine gute Portion Optimismus. Die Arbeit in einem Start-Up ist immer eine Achterbahnfahrt. Da gibt es Tage, da läuft alles super und dann gibt es Tage, wo man sich fragt, was mache ich hier eigentlich.
Sie sind mit 25 Jahren eine sehr junge Geschäftsführerin. Machen Sie sich da über Mitarbeiterführung schon Gedanken, was ist Ihnen dabei wichtig?
Walter: Bei uns beruht sehr viel auf Vertrauen. Einer unser Mitarbeiter kommt beispielsweise sehr viel früher morgens als wir und das können wir natürlich nicht kontrollieren – und wollen wir auch gar nicht. Wir sind da flexibel. Bei uns herrscht auch die Bereitschaft, am Wochenende einzuspringen, wenn es irgendwo brennt. Wir haben da wirklich einen coolen Teamspirit! Unsere Grundregel bei alledem ist eigentlich: Jeder macht das, was er kann. Unser Entwickler ist eigentlich für die Programmierung der App zuständig, hat aber ein super Auge fürs Design und gestaltet daher dann auch mal eine Broschüre oder einen Flyer. Ich bin die Feelgood-Managerin und die Strategin in einem, ich bringe den Müll raus und stelle den Masterplan auf. Und Flo und ich stellen uns auch mal sonntags im Regen auf die Straße und verteilen unsere selbst designten Flyer – das gehört für uns einfach dazu.
Ist das Ihre Unternehmensphilosophie?
Walter: Eine konkrete Philosophie haben wir nicht. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass wir wenig Regeln haben und viel Handlungsspielraum einräumen. Wir versuchen gleichzeitig, im Team mehr für einander zu tun, als wir müssten. Durch dieses ‚Mehr als das Mindestmaß’ entsteht ein wirklich guter Teamgeist und wir alle ziehen an einem Strang. So locker, wie es grade zugeht, wird es natürlich nicht immer bleiben können. Vor allem, wenn wir weiter wachsen und in andere Städte expandieren. Es wird sich wahrscheinlich noch vieles verändern, wenn wir uns vergrößern. Abgesehen davon ist unser Motto: Einfach mal probieren und dann schauen, wie es angenommen wird.
Was haben Sie im vergangenen Jahr bei Findeling gelernt?
Walter: Eigentlich haben wir zwei Erkenntnisse gewonnen. Zum einen: Egal was es ist, es dauert wirklich immer doppelt so lang, wie man denkt. Man plant und plant, rechnet Puffer mit ein und dann klappt doch irgendetwas nicht. Und auf der anderen Seite: Nicht zu viel auf die Zusammenarbeit mit anderen Firmen bauen. Man muss schon darauf achten, dass man sich selbst nicht aus den Augen verliert, auf sein Team vertraut und seine Ideen aus eigener Kraft umsetzt.
Man spricht ja immer häufiger davon, dass junge Leute einer sinnstiftenden Tätigkeit nachgehen wollen. Wie zeigt sich das bei Ihnen in der täglichen Arbeit bei Findeling?
Walter: Ich möchte mit meiner Arbeit etwas erreichen. Wenn Leute uns schreiben, dass sie endlich ihre Lieblingskamera gefunden haben oder die Ladenbesitzer auf uns zukommen und dankbar sind, dass sie von vielen „neuen“ Kunden bei uns entdeckt wurden, dann hat man das Gefühl, man tut etwas, was auch anderen nützt. Außerdem kann ich in meinem eigenen Start-Up auch meine Leidenschaften kombinieren. Ich schreibe unheimlich gern und obwohl ich auch für das Strategische und die Finanzen zuständig bin, verfasse ich den Großteil der Blogeinträge und Social Media Postings selbst. Es ist einfach die Abwechslung in meinem Job, die mich reizt.
Mit Blick auf die Arbeitswelt heute: Nehmen Sie dort konkrete Veränderungen wahr?
Walter: Bei Freunden bemerke ich zunehmend, dass sich die Statussymbole verändert haben. Eigentlich muss heute jeder Masterabsolvent erklären, warum er so wenig verdient, dafür gibt es dann aber coole Büroräume in der Hafencity, tolle Kaffeemaschinen und eine kostenlose Fitnesskarte. Ich glaube auch, dass es heute wichtiger ist, hinter dem Produkt oder der Firma zu stehen, für die man arbeitet. Dazu gehört auch der Anspruch an eine Ganzheitlichkeit mit dem was du tust. Ich glaube, unsere Generation will ein Projekt haben, von dem sie weiß: Hierfür habe ich den Auftrag bekommen und ich weiß was damit passiert. Wir wollen nicht die Fließbandarbeiter sein, die nur das eine Rad am Auto montieren. Wir wollen das Projekt bis zum Abschluss begleiten.
Katharina Walter, 25, ist Mitgründerin und Geschäftsführerin des Hamburger Start-Ups Findeling. Die gebürtige Hamburgerin studierte unter anderem Wirtschaftspsychologie in Köln, New York und Hamburg. Mit dem Wirtschaftsinformatiker Florian Schneider entwickelte sie die Idee für eine App, die den lokalen Einzelhandel stärken will. Bei Findeling ist sie verantwortlich für die Bereiche Marketing, Unternehmensstrategie und App-Konzeption.