Essen. Für Eltern ist der Schnuller oft die Rettung. Doch wann sollte der Trostspender wieder abgewöhnt werden? Die wichtigsten Antworten.
Das Baby schreit, die Eltern sind verzweifelt und wissen nicht weiter. Seit Generationen scheint der Griff zum Schnuller die letzte Rettung zu sein. Doch ob Eltern einen Schnuller geben sollten, ist umstritten, denn er kann negative Folgen für die Entwicklung des Kindes haben.
Schnuller als Trostspender: Im Englischen heißt der Schnuller pacifier, Friedensstifter. Er beendet so manche Schreiattacke. „Die Kinder werden in frühester Kindheit, meistens schon in der Klinik, an den Schnuller gewöhnt“, sagt Dr. Stephan Kranz von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Nordrhein. Das Bedürfnis zu saugen ist den Babys angeboren. Manche nuckeln bereits im Mutterleib an ihrem Daumen.
Neugeborene sollten den Schnuller aber erst bekommen, wenn das Stillen gut funktioniert. Das könne manchmal erst sechs Wochen nach der Geburt sein, sagt Aleyd von Gartzen, Beauftragte für Stillen und Ernährung des Deutschen Hebammenverbandes. Klappt das Stillen noch nicht ganz reibungslos, könne das Nuckeln am künstlichen Sauger, das sich von dem an der Brust unterscheidet, Babys zusätzlich irritieren.
Der richtige Schnuller: Je flacher der Schnuller, umso weniger verändert sich der Oberkiefer, erklärt Zahnarzt Kranz. Vor allem der Steg müsse schmal sein, betont Hebamme von Gartzen. Sie gibt den Tipp, bei der kleinsten Schnullergröße zu bleiben.
Daumen oder Schnuller: Wird der Schnuller verwehrt, steckt sich so manches Kind den Daumen in den Mund. Eine schlechte Alternative, sagt Zahnarzt Kranz. „Das Entwöhnen vom Schnuller ist leichter als beim Daumen, den man nicht wegnehmen kann.“ Außerdem seien die möglichen Fehlentwicklungen bei Kiefer und Zähnen noch gravierender.
Gesundheitliche Folgen: Durch das ständige Saugen am Schnuller trainiert das Baby seine Zunge. Diese Muskulatur bewirkt, dass sich die Zunge erst gegen und später zwischen die Zähne legt, auch wenn das Kind keinen Schnuller im Mund hat. Ein sogenannter offener Biss kann entstehen. Dabei bildet sich zwischen oberer und unterer Zahnreihe eine Lücke, auch wenn der Mund geschlossen ist. „Das Thema offener Biss ist ein Riesenproblem“, sagt Zahnarzt Kranz. In den meisten Fällen lässt sich zu einem frühen Zeitpunkt die Fehlstellung aber noch beheben.
Häufiges Nuckeln kann sich nicht nur auf das Gebiss auswirken, sondern auch das Risiko von Atemwegserkrankungen erhöhen, erklärt Zahnarzt Kranz. Vermehrte Mundatmung und eine Kieferverformung könnten zu einer schlechteren Belüftung des Nasenraumes führen und eine Mittelohrentzündung begünstigen. Doch das Nuckeln könnte auch positive Folgen haben: „Es gibt Vermutungen, dass Kinder, die nachts den Schnuller bekommen, seltener am plötzlichen Kindstod versterben“, sagt Dr. Hermann Josef Kahl vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Hintergrund sei, dass Kinder, die im Bett nuckeln, nicht ganz so tief schlafen. Bewiesen sei dies aber nicht.
Sprachliche Entwicklung: „Sobald Kinder plappern und Laute bilden, muss der Schnuller aus dem Mund“, sagt Diplom-Logopädin Nicole Hübl. Mit Schnuller im Mund könnten die Kinder Zunge und Lippen nicht frei bewegen. Sie hätten weniger Gelegenheit zu sprechen, die Aussprache werde undeutlicher. Nicole Hübl: „Probleme mit den Zischlauten, wie Lispeln, sieht man häufiger bei Kindern, die viel und über das Alter von zwei Jahren hinaus schnullern.“
Zeit zum Entwöhnen: Alles hat ein Ende – auch das Nuckeln am Schnuller. Das wird mitunter aber zum schweren und emotionalen Kampf. „Für ein Kind ist es genauso schwierig, vom Schnuller entwöhnt zu werden, wie beim Erwachsenen von der Zigarette“, sagt Zahnarzt Kranz. Sobald die Zähne kommen und das Kind zu sprechen beginnt, sollte es aber entwöhnt werden und mit zwei, spätestens drei Jahren auf das Nuckeln ganz verzichten, um bleibende Schäden zu verhindern.
Für den Weg zum schnullerfreien Dasein gibt es mehrere Methoden: Bei den einen tauscht die Schnullerfee den Gummisauger gegen ein Geschenk, andere hängen ihn in einer feierlichen Zeremonie an einen Schnullerbaum. Kinderarzt Kahl empfiehlt, die Kinder langsam vom Schnuller zu entwöhnen. Daraus könne ein gemeinsames Spiel werden: Schnuller suchen. Zunächst findet der Nachwuchs den Nuckel schnell, dann wird die Suche verlängert. Gleichzeitig wird das Kind abgelenkt, so dass es am Ende den Schnuller vergisst, noch bevor dieser gefunden wurde.
Schnuller – ja oder nein? Als Zahnarzt rät Kranz vom Schnuller ab, als Vater und Großvater jedoch nicht. Mediziner und Hebamme sprechen sich nicht generell gegen den Schnuller aus. „Kinder, die den Schnuller wollen, sollen ihn auch bekommen“, sagt Kinderarzt Kahl. „Wichtig ist der gezielte Einsatz, wenn sich das Kind beruhigen soll“, so Diplom-Logopädin Hübl. Vom Dauernuckeln raten alle Experten ab.