Da ich es strikt ablehne, mich mittels Ohrstöpseln oder überdimensionaler Kopfhörer von meiner akustischen Umwelt abzuschotten, kann ich als Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs ab und an das Gebrüll von renitenten Kleinkindern im gehfähigen Alter genießen. Das macht nachweislich nachhaltig wach. Aber irgendwann muss mit dem enervierenden Geplärre natürlich auch mal Schluss sein. Und so wurde ich – wie alle anderen Fahrgäste des Waggons 9752 der Linie U2 zwischen den Stationen Hammer Kirche und Schlump auch – gestern zum Zeugen eines Theaterstücks in fünf Akten.

Erster Akt: Der kleinen Jennifääh, etwa zwei Jahre, fällt der Trinkbecher runter. Das Kind zeigt auf den Boden, gibt gutturale Geräusche von sich. Mutter verdreht die Augen, bückt sich aber nicht. Jennifääh weint.

Zweiter Akt: Berliner Tor. Jennif­fääh schreit lauter. Mutter bückt sich ächzend, gibt ihr den Becher zurück. Jennifääh wirft ihn wieder auf den Boden. Mutter wird böse.

Dritter Akt. Hauptbahnhof-Nord. Aus Jennifäähs Augen spritzen Tränen, aus der Nase fließt ein bisschen Rotz. Das Gebrüll erreicht die Phonzahl eines startenden Eurofighters. Ein Fahrgast hebt den Becher auf. Mutter schimpft mit Jennifääh. Das Kind läuft Gefahr, sich mit dem Sicherheitsgurt des Buggys zu strangulieren.

Vierter Akt: Messehallen. Mutter kann Redeschwall. Beruhigende Worte und Drohungen („Wenn ich das Papa erzähle!“) wechseln sich ab. Ein Schnuller fliegt durch den Waggon. Der Becher hinterher. Mutter redet wild gestikulierend auf Jennifääh ein. Das Kind läuft blau an. Mutter brüllt.

Fünfter Akt: Kurz vorm Schlump. Eine ältere Dame erhebt sich, schiebt die Mutter resolut beiseite, hebt Jennifääh aus dem Kinderwagen heraus auf ihren Arm. Leichte Schaukelbewegungen und ihre sanfte Stimme beruhigen Jennifääh innerhalb von 17 Sekunden.