Um die ambulante Versorgung zu verbessern, öffnen in vier Hamburger Stadtteile viele Angebote unter einem Dach. Die “Zentren für Seelische Gesundheit“ bieten erkrankten Menschen Wege zur Behandlung.

Hamburg. Die Hamburger Stadtteile Steilshoop und Horn werden mit dem 1. Dezember bundesweit Pioniere in der ambulanten Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. „Mit der Eröffnung der ‚Zentren für Seelische Gesundheit‘ an der Steilshooper Straße und der Horner Landstraße bieten wir erkrankten Menschen kurze und schnellere Wege zur Behandlung.

Unter einem Dach sind in den Zentren Diagnostik, ambulante Therapien, eine flexible Tagesklinik und ein spezieller Pflegedienst vereint. Dieses Stadtteil-Konzept, das mit allen Kassen und der Hamburger Gesundheitsbehörde entwickelt worden ist, ist für die Bundesrepublik neu“, sagt Privatdozent Dr. Matthias Nagel, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Asklepios Klinik Nord-Wandsbek. Er wird das „Zentrum für Seelische Gesundheit" in Horn leiten, sein Kollege Sarang Thakkar, Chefarzt des Psychiatrisch-Psychotherapeutischen Ambulanzzentrums der Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll, das Zentrum in Steilshoop.

Die Krankheit soll nicht das Leben bestimmen

Erwachsenen, die unter Depressionen, Psychosen, posttraumatischen Störungen, Ängsten oder Persönlichkeitsstörungen leiden, wollen die Mediziner helfen, damit diese Krankheiten eine Episode bleiben und das Leben nicht bestimmen. Suchtkranke können die Ärzte in den Zentren jedoch nicht behandeln.

Die Teams starten mit zwei Fachärzten, drei Psychologen, zwei Therapeuten, drei speziell geschulten Pflegekräften und einem Sozialpädagogen. Weitere Fachkräfte und auch ein ambulanter psychiatrischer Pflegedienst, der die Menschen zu Hause unterstützt, werden hinzukommen. Die Palette der Therapien ist breit: Fachärztliche, psychotherapeutische, sozialpädagogische, ergotherapeutische und fachpflegerische Therapien kommen sowohl ambulant wie auch in der Tagesklinik zum Einsatz. Patienten, die häufiger kommen, sollen möglichst immer von dem gleichen Teammitglied betreut werden.

So unterschiedlich wie die Berufe der Teammitglieder, ist auch ihr Alter – und sind, was noch wichtiger ist, ihre Sprachen. In Steilshoop beispielsweise können die Patienten auf Türkisch, Farsi, Englisch und Deutsch angesprochen werden. „Wir arbeiten daran, auch Therapiegruppen in den Muttersprachen der Patienten anzubieten, sofern diese das wollen. Und wir möchten die Sprachpalette unbedingt noch um Arabisch erweitern“, sagt Dr. Nagel.

Es wird auch eine Notfallsprechstunde geben

Die Zentren, die barrierefrei erreichbar sind, wurden völlig neu gestaltet und eingerichtet. Hell und freundlich sollen sie die Patienten empfangen. Auf 850 beziehungsweise 1000 Quadratmetern stehen jeweils 20 Plätze für die Tagesklinik und jede Menge Räume für Einzeltherapien und Diagnostik zur Verfügung. An den Wänden hängen Bilder von Künstlern, die einst selbst erkrankt waren. So werden die Zentren nebenbei zur Galerie.

Zusätzlich zu den regulären Sprechstunden, die den Patienten eine ausführliche Diagnostik garantieren, wird es auch eine Notfallsprechstunde geben. „Wir arbeiten natürlich mit allen niedergelassenen Kollegen im Quartier und den Anbietern sozialpsychiatrischer Dienste eng zusammen“, betont Sarang Thakkar. „Die regionale Vernetzung ist sehr wichtig. Denn die ‚Zentren für Seelische Gesundheit‘ sollen ja dazu beitragen, regionale Lücken in der ambulanten Versorgung zu schließen und stationäre Aufenthalte zu vermeiden.“

Das ist auch dringend geboten. Wenn Patienten, was gegenwärtig oft der Fall ist, mehr als drei Monate auf ein erstes Gespräch mit einem niedergelassenen Psychiater oder Psychotherapeuten warten müssen oder keinen ambulanten Behandlungsplatz finden, bleibt vielen gar nichts anderes übrig, als ins Krankenhaus zu gehen. Und das, wissen die Experten schon längst, ist nicht immer die beste Lösung für die Patienten.

Jeder dritte bis vierte Deutsche wird mal psychisch krank

Deshalb werden in diesem und im kommenden Jahr auch noch zwei weitere „Zentren für Seelische Gesundheit“ eröffnet, eines in Hamburg-Neugraben, das andere in Hamburg-Osdorf. Ersteres trägt das Asklepios Klinikum Harburg, das zweite das Asklepios Westklinikum. Dann stehen in Hamburg insgesamt 80 neue Plätze in psychiatrischen Tageskliniken zur Verfügung.

Wie viele Patienten aus den Stadtteilen sie ambulant aufsuchen werden, darauf sind Dr. Matthias Nagel und Sarang Thakkar sehr gespannt. Obwohl Statistiken besagen, dass jeder dritte bis vierte Deutsche im Laufe seines Lebens psychisch erkrankt, gehen viele mit diesen Beschwerden nicht zum Arzt. Denn psychische Erkrankungen sind in unserer Gesellschaft immer noch ein Tabu.

Die beiden Mediziner hoffen, dass diese wohnortnahen „Zentren für Seelische Gesundheit“ auch dazu beitragen, dass die Mauern des Schweigens um diese Krankheiten mehr Löcher bekommen und endlich fallen.

Zentrum für Seelische Gesundheit Steilshoop:
Steilshooper Str. 293, 22309 Hamburg,
Telefon: 878 89 03-30, Öffnungszeiten: Mo–Fr 8.30–17 Uhr


Zentrum für Seelische Gesundheit Horn:
Horner Landstraße 302, 22111 Hamburg,
Tel: 878 89 03-60, Öffnung: Mo–Fr 8.30–16 Uhr