Experte hält Ausbruch von Ebola in Deutschland für unwahrscheinlich. Zahl der Neuinfektionen in Afrika wieder gestiegen. Helfer warnen vor Ausweitung
Hamburg. Nach Rückschlägen im Kampf gegen Ebola wächst die Sorge vor einer Ausbreitung der Seuche in Europa. Erstmals trat in dieser Woche ein Fall einer Infektion außerhalb Westafrikas auf: Eine Pflegehelferin steckte sich in Spanien bei einem Patienten an. Trotzdem gebe es keinen Grund zur Panik, sagte am Freitag Prof. Bernhard Fleischer vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. „Ich glaube, gerade in Deutschland ist die Chance, dass es einen Ausbruch gibt, außerordentlich gering oder gar nicht vorhanden“, so der Mediziner.
Es könne zwar passieren, dass jemand ohne Symptome einreise und hier erkranke, wie es in den USA der Fall war. „Aber da ist Deutschland gut aufgestellt, es gibt Quarantänemaßnahmen und eine schnelle Diagnostik, wir haben gute Krankenhäuser und gute Ärzte“, sagte Fleischer. „Eine Epidemie wird es hier keinesfalls geben. Ich denke, dass wir hier in Europa sehr wachsam und aufmerksam sind.“
Reisende treibt womöglich die Frage um, ob sie sich im Flugzeug bei einem Ebola-Infizierten anstecken können. Solange der Infizierte keine Symptome zeige, sei dies nicht der Fall, sagte Fleischer. „Erst wenn der Patient erkrankt, also Fieber auftritt, ist die Infektionsgefahr gegeben.“ Man müsse aber Kontakt mit dem Infizierten oder mit seinen Ausscheidungen haben.
„Alle Evidenz spricht gegen eine Übertragung durch die Luft“, sagte Fleischer. „Darum ist auch die Reproduktionsrate, also die Zahl derer, die ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt, vergleichsweise gering.“ Konkret stecke ein Infizierter im Durchschnitt eineinhalb Menschen an. Ein an Masern erkranktes Kind hingegen stecke in einer nicht immunen Umgebung 15 Menschen an. Die Masern-Infektion sei also zehnfach ansteckender, weil sie durch die Luft übertragen werde.
Von großen Menschenansammlungen in Flughäfen und Bahnhöfen könne zwar theoretisch eine Gefahr ausgehen, sagte der Mediziner. „Es ist aber extrem unwahrscheinlich, weil das Virus nicht durch die Luft übertragen wird. Man kann sich in Menschenansammlungen nur anstecken, wenn man einen Erkrankten berührt, der äußerlich mit dem Virus kontaminiert ist.“
Auch nach Ansicht der Bundesregierung ist Deutschland gegen eine Ausbreitung der Ebola-Seuche durch den internationalen Flugverkehr sehr gut gewappnet. Für den Fall, dass es an Bord eines Flugzeugs zu einem Verdachtsfall komme, gebe es entsprechende Notfallpläne, sagte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums am Freitag. An den Flughäfen in Frankfurt am Main, Düsseldorf, Hamburg und München könnten betroffene Passagiere in eigens dafür vorgesehenen Bereichen von anderen Reisenden getrennt und weiter in örtliche Spezialkliniken transportiert werden.
An Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt sind bisher keine strengeren Sicherheitsmaßnahmen geplant. Nach den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gebe es keinen Handlungsbedarf, sagte Udo Götsch vom Frankfurter Gesundheitsamt. Anders als in London kämen in Frankfurt keine Direktflüge aus Ebola-Gebieten wie Liberia und Sierra Leone an. Nach den USA hatten am Donnerstag die Londoner Flughäfen Heathrow und Gatwick spezielle Kontrollen für Reisende aus Ländern mit Ebola angekündigt. „Wir haben lediglich zwei Direktflüge aus Nigeria pro Tag“, sagte ein Fraport-Sprecher. Dort gab es auch Ebola-Fälle, jedoch weit weniger als in den anderen westafrikanischen Staaten. Die Behörden gehen davon aus, dass die Situation dort im Griff ist. „Generell sind wir bestmöglich vorbereitet und im ständigen Kontakt mit den Behörden“, sagte der Fraport-Sprecher.
Spezielle Vorschriften oder veränderte Abläufe gebe es wegen der Ebola-Gefahr weder für das Flughafenpersonal noch für die Reinigungskräfte. Am New Yorker Flughafen La Guardia hatten sich Putzleute aus Angst vor Ebola geweigert, aus Afrika kommende Maschinen sauber zu machen. Diese Probleme gebe es in Frankfurt nicht, sagte der Sprecher. Nach einer Studie des Max-Planck-Instituts in Saarbrücken ist das Risiko für Passagiere, sich mit einer Infektion anzustecken, in Frankfurt größer als bei anderen internationalen Airports. Die Einschätzung basiert auf einem komplizierten Rechenmodell.
„Daraus würden wir jetzt nicht ableiten, dass wir künftig alle Passagiere screenen müssen“, sagte Udo Götsch vom Frankfurter Gesundheitsamt. Um beim Beispiel Ebola auch alle Passagiere aus Afrika, die zuvor in anderen Airports umgestiegen sind, in Frankfurt zu checken, müssten etwa die Hälfte der Reisenden untersucht werden. Neben Fiebermessungen müssten die Menschen einzeln befragt werden – was eine riesige logistische Herausforderung wäre. „Da stehen Aufwand und Erfolg in keinem Verhältnis“, sagte Götsch.
Auch die Flughäfen in München, Hamburg und Düsseldorf haben keine Direktflüge aus den drei am schwersten betroffenen Ländern. Daher gibt es bei ihnen auch keine besonderen Kontrollen. Die Flughäfen haben jedoch generell spezielle Vorgaben für gefährliche Infektionsfälle.
Derweil war der Zustand des Ebola-Patienten im Leipziger Klinikum St. Georg unverändert. Es gelte der Stand vom Vortag, hieß es am Freitag. Die Ärzte hatten den Zustand des Uno-Mitarbeiters, 56, bei dessen Eintreffen als „hochgradig kritisch, wenngleich stabil“ bezeichnet. Er war am Donnerstag aus Liberia nach Leipzig geflogen worden. Hoffnung gibt es womöglich für die an Ebola erkrankte Spanierin: Bei der Pflegehelferin wurde am Freitag das Medikament „ZMapp“ eingesetzt. Eine Lieferung des experimentellen Mittels, dessen Vorräte als weitgehend erschöpft galten, sei aus Belgien gekommen, berichtete der Fernsehsender RTVE . Der Zustand der 44-Jährigen ist nach der Verschlechterung vom Vortag stabil. Die Frau hatte sich Ende September bei der Behandlung eines aus Westafrika ausgeflogenen Ebola-Kranken infiziert. Dies war die erste Ebola-Infektion von Mensch zu Mensch in Europa. Ein erster Verdachtsfall ist jetzt in Brasilien aufgetreten. Ein Mann, 44, aus Guinea wurde am Freitag in ein Spezialkrankenhaus in Rio de Janeiro gebracht, wo er unter Quarantäne kam.
Neben der klinischen Erprobung eines Ebola-Impfstoffs in den USA und Großbritannien haben auch in Afrika Tests begonnen. Vorläufige Erkenntnisse zur Wirkung und Sicherheit des Mittels könnten Ende November vorliegen, sagte der Leiter des Zentrums für Impfstoffe in Bamako (Mali). In Mali hätten sich 40 Freiwillige zur Verfügung gestellt. Auch in Gambia seien Testreihen geplant. In beiden Ländern gab es bislang keine Ebola-Fälle.
Von Rückschlägen in Guinea berichtet die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“. In Guinea hatte der Ebola-Ausbruch im Dezember 2013 begonnen. Vor einigen Wochen habe es Anzeichen für einen langsamen Rückgang der Neuinfektionen gegeben. Doch derzeit erlebe die Hauptstadt Conakry wieder einen starken Anstieg von Ebola-Fällen, teilte die Organisation mit. Insgesamt meldeten sieben Länder, darunter die drei am stärksten betroffenen Guinea, Liberia und Sierra Leone, der WHO bis Freitag 8399 Ebola-Infektionen und 4033 Todesfälle. Allein in Guinea gab es eine Zunahme um 100 bestätigte Ebola-Infektionen innerhalb einer Woche. Auch in Sierra Leone und Liberia nehmen die Ansteckungen weiter zu.
Die Europäische Union richtete eine Luftbrücke nach Westafrika ein. Am Freitag sollte die erste Boeing 747 von Amsterdam aus rund 100 Tonnen Hilfsgüter in die sierra-leonische Hauptstadt Freetown bringen.