Nach Ehrung in Hamburg jetzt den Medizin-Nobelpreis
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Das innere Navigationssystem des Gehirns ermöglicht es, uns in der Welt zurechtzufinden. Für diese Entdeckung erhalten in diesem Jahr gleich drei Hirnforscher den Medizin-Nobelpreis.
Stockholm/Hamburg. Wie wissen wir, wo wir sind? Wie finden wir den richtigen Weg in unserer Umgebung? Und wie wird dieses Wissen in unserem Gehirn so verankert, dass wir uns an den Weg später noch erinnern können? Für die Entdeckung des inneren Navigationssystems im Gehirn erhalten in diesem Jahr drei Hirnforscher den Medizin-Nobelpreis. Das gab am Montag die schwedische Nobel-Versammlung am Karolinska-Institut in Stockholm bekannt.
Eine Hälfte der mit rund 880.000 Euro dotierten Auszeichnung geht an den US-Forscher Prof. John O’Keefe, 74, der am University College in London arbeitet. Die andere Hälfte erhält das norwegische Forscherehepaar Prof. May-Britt Moser, 51, und Prof. Edvard Moser, 52, das für seine wissenschaftlichen Erkenntnisse erst kürzlich in Hamburg mit dem renommierten Körber-Preis ausgezeichnet worden war.
O’Keefe entdeckte 1971 in Versuchen mit Ratten, dass spezielle Nervenzellen in einer Hirnregion, dem sogenannten Hippocampus, aktiviert wurden, wenn die Tiere einen bestimmten Platz in ihrer Umgebung aufsuchten. Dabei stellte er auch fest, dass für unterschiedliche Plätze auch unterschiedliche „Ortszellen“ aktiviert wurden. Er schloss daraus, dass aus der Vielzahl dieser Zellen eine innere Landkarte im Hirn der Tiere entsteht, die im Gedächtnis verankert wird und es den Tieren ermöglicht, sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden, ihnen sozusagen einen Ortssinn verleiht.
Das Ehepaar Moser hatte 2005 in Gehirnen von Mäusen sogenannte Rasterzellen gefunden, und zwar im entorhinalen Cortex, einer Region ganz in der Nähe des Hippocampus. Sie fanden heraus, dass es dort Zellen gibt, die eine Art inneres Koordinatensystem erstellen, das eine räumliche Orientierung ermöglicht. Zusammen mit Zellen, die die Stellung des Kopfes und die Grenzen des Raumes erkennen können, bilden sie mit den Ortszellen im Hippocampus Schaltkreise, die eine präzise Orts- und Wegbestimmung möglich machen.
Bei Menschen mit Alzheimer-Erkrankung lässt das räumliche Gedächtnis nach
Neue Forschungen haben gezeigt, dass solche speziellen Zellen auch im menschlichen Gehirn existieren. So können die Erkenntnisse der Nobelpreisträger helfen zu verstehen, warum bei Menschen mit einer Alzheimer-Erkrankung das räumliche Gedächtnis nachlässt, warum sie sich verlaufen und ihre Umgebung nicht mehr erkennen können. Denn die Hirnregionen, in denen sich unser internes Navigationssystem befindet, sind bei dieser Erkrankung schon in einem frühen Stadium betroffen. Außerdem liefern die Forschungsergebnisse Grundlagen für weitere Erkenntnisse. „Die Studienergebnisse der Forscher haben neue Zugänge für das Verständnis anderer kognitiver Prozesse eröffnet, wie zum Beispiel Erinnern, Denken und Planen“, schrieb das Nobelpreiskomitee in seiner Begründung.
Für die Preisträger kam die Auszeichnung völlig überraschend: „Ich bin immer noch schockiert. Das ist so großartig“, sagte May-Britt Moser laut Nobelkomitee. Eine Sprecherin der Universität in Trondheim, Hege Tunstad, sagte, May-Britt Moser habe sich an der Hochschule befunden, als sie von ihrer Auszeichnung erfahren habe. „Sie brauchte eine Minute, um zu weinen und mit ihrem Team zu reden“, sagte Tunstad. Die Norwegerin habe ihre Medizin-Auszeichnung mit mehr als nur einem Freudentanz gefeiert: Völlig euphorisch sei sie auf dem Flur ihres Instituts in Trondheim umhergetänzelt und habe ihre Kollegen in den Arm genommen, schrieb die norwegische Zeitung „Aftenposten“ am Montag auf ihrer Internetseite. Sie und ihr Mann seien seit 30 Jahren ein Paar, sagte Moser. „Wir werden weitermachen und in der Zukunft hoffentlich noch bahnbrechendere Arbeit leisten.“
O’Keefes Leistungen wurden von Kollegen anfangs mit Skepsis betrachtet
„Ich bin voller Dankbarkeit. Das ist ein großartiger Moment“, sagte Edvard Moser. Er wurde am Flughafen München von der Nachricht überrascht. „Ich habe mit ihm telefoniert, als er an der Gepäckausgabe stand. Er wusste noch gar nichts. Die Lufthansa hat ihn mit einem Blumenstrauß abgeholt und er fragte mich „Tobias, what is this? I don’t understand“ (etwa: „Tobias, was ist los? Ich verstehe das nicht“), berichtete der Neurobiologe Prof. Tobias Bonhoeffer. „Dann hat er auf sein Handy geschaut und gesehen, dass der Vorsitzende des Nobelpreiskomitees ihn angerufen hat. Da dämmerte es ihm“, erzählte Bonhoeffer. Er arbeitet am Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried bei München, in dem Moser am Mittwoch zu einem dreiwöchigen Forschungsaufenthalt eintraf.
Auch der dritte Preisträger zeigte sich überwältigt. „Ich bin hin und weg“, sagte Prof. John O’Keefe. Er saß zu Hause am Schreibtisch, als ihn die Nachricht erreichte. Erst vor wenigen Wochen hatte der Wahl-Londoner den Kavli-Preis für Neurowissenschaften für seine Forschungsleistungen erhalten. Der emeritierte Oxford-Professor John Stein erinnerte daran, wie skeptisch die Leistungen O’Keefes zunächst in der Fachwelt beäugt worden seien. Sie seien als Artefakte bezeichnet und O’Keefe sei bezichtigt worden, den Geruchssinn von Ratten unterschätzt zu haben. „Heute, wie bei vielen Ideen, die zunächst sehr kontrovers waren, sagen die Leute: ,Ja, das ist doch klar!‘“
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