Das Thema ist brisant und sorgt für Streit zwischen Forschern und Kirche. Dokument deutet darauf hin, dass Jesus verheiratet war.

Frankfurt. Besonders bei jüdischen Forschern findet sich die These, Jesus müsse verheiratet gewesen sein. Grund: Jesus tritt in den Evangelien erst im Alter von 30 Jahren auf und die Juden seiner Zeit hätten traditionell sehr früh geheiratet. Zudem erwarte man von einem „Rabbi“, dass er eine Frau und Kinder haben muss. Für viele Christen ist dies undenkbar: Ein verheirateter Jesus etwa würde das Pflichtzölibat für römisch-katholische Priester ad absurdum führen.

Ein kleiner Papyrus-Schnipsel aus dem vierten Jahrhundert nach Christus hat die Diskussion neu entfacht. Auf dem Dokument steht in koptischer Sprache: „Jesus sagte zu Ihnen: 'Meine Frau'“, wie die Zeitung „New York Times“ berichtet. Das verblasste Papyrus-Fragment ist etwas kleiner als eine Visitenkarte und enthält Fotos zufolge acht Zeilen auf jeder Seite. Bei der Frau soll es sich Mutmaßungen zufolge um Maria Magdalena handeln.

Die US-amerikanische Historikerin Karen L. King, die den Text am Dienstag in Rom vorstellte, warnt jedoch vor übereilten Schlüssen: Das Fragment sei kein Beweis, dass der historische Jesus wirklich verheiratet war. Es könnte allerdings belegen, dass es bereits unter frühen Christen eine Diskussion darüber gab, ob Jesus verheiratet war oder zölibatär lebte und „welchen Weg seine Anhänger wählen sollten“, so King, die in Harvard lehrt und Spezialistin für das frühe Christentum ist. Doch dies ist Experten zufolge in der Forschung bereits seit langem bekannt.

Die Spekulationen darüber, ob Jesus verheiratet war, sind nach Ansicht des Erlanger Theologieprofessors Peter Pilhofer von der Wissenschaft längst widerlegt. Das Papyrus-Fragment „mag als Text wahnsinnig interessant sein, aber für die Frage nach dem historischen Jesus gibt er absolut nichts her“, sagte der Professor für Neues Testament an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

„Jesus hat alle Familienbande gelöst, deswegen ist es absolut unwahrscheinlich, dass er verheiratet war“, fügte Pilhofer hinzu. Dass Frauen im Umkreis Jesu unterwegs waren, sei zudem „historisch völlig unstrittig“, betont der Theologe. Es habe geradezu einen „Fanclub von Frauen“ im Unterstützer- und Anhängerkreis von Jesus gegeben. Pilhofer: „Da brauchen wir keinen neuen koptischen Papyrus.“

Das sei auch das, was Jesus von einem normalen Rabbi unterscheidet, erklärte Pilhofer weiter: „Ein Rabbi hat nach der jüdischen Tradition nur männliche Schüler.“ Historisch gesichert sei auch das „a-familäre Ethos“ Jesu. Er habe von Familie nicht viel gehalten und sich auf schärfste von seiner Mutter, seinen Brüdern und seinen Schwestern distanziert, wie es auch im Markus-Evangelium überliefert ist.

„Jesus war wohl mit ziemlicher Sicherheit ledig“, konstatiert auch die jüdische Schriftstellerin Salcia Landmann (1911-2002). Unter vielen Argumenten führt sie an: Eheloses Leben sei bei fast allen endzeitlich ausgerichteten Sektierern „fast die Norm. Man braucht nur an Johannes den Täufer zu denken“. Jesus sei auch kein normaler Rabbi, sondern ein „freischaffender“ Wanderprediger gewesen.

Landmann: „Oder soll man annehmen, Jesus habe zwar eine Frau gehabt, ihr aber den Scheidungsbrief gegeben?“ Doch Jesus spreche so negativ von der Scheidung, dass auch dies nicht anzunehmen ist.