Von wegen rückständig: Ein kleines Dorf in Baden lebt die Zukunft. Mauenheim versorgt sich mit Strom und Wärme aus Biomasse selbst.
Mauenheim/Wildpoldsried. Die Orte sind klein, ihr wirtschaftlicher und ökologischer Nutzen für die Region ist außerordentlich: Bioenergiedörfer produzieren Strom und Wärme weitgehend selbst, vor allem auf Basis von Biomasse aus der Region. Sie sind Vorreiter in Sachen regenerativer Energien, verschaffen ihren Einwohnern Versorgungssicherheit und sorgen für ein „Wir-Gefühl“.
Im badischen Bioenergiedorf Mauenheim versorgt seit Dezember 2006 die Biogasanlage zweier Landwirte das 430-Einwohner-Dorf mit Strom und Wärme. Derzeit sind 72 Gebäude an das vom Blockheizkraftwerk gespeiste Nahwärmenetz angeschlossen – darunter das Rathaus, das Pfarrheim, die Dorfgaststätte. Auch eine Hackschnitzelheizung speist Energie in das Netz ein, eine Photovoltaikanlage erzeugt zusätzlichen Ökostrom.
„Alles, was wir an Energie verbrauchen, wird hier hergestellt, das Geld bleibt in der Region“, sagt Landwirt Keller. Seine Biogasanlage am Ortsrand beliefert das Blockheizkraftwerk mit rund 500 Kilowatt elektrischer Leistung. Mehr als vier Millionen Kilowattstunden Strom werden jährlich erzeugt. Das entspricht in etwa dem zehnfachen des gesamten Mauenheimer Strombedarfs.
Zusätzlich fällt eine nutzbare Abwärme von rund 3,5 Millionen Kilowattstunden an. Umgerechnet entspricht das etwa 350.000 Litern Heizöl und dem Wärmebedarf des gesamten Ortes. Um diese Ausbeute zu erreichen, werden pro Stunde rund 1.200 Kilogramm Biomasse in die Fermenter gefüllt – zu je einem Drittel Mais, Kleegras/Luzerne und Mist von Rindern und Schafen.
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„Wir müssen darauf achten, dass wir die Biomasse nachhaltig produzieren“, sagt Andreas Schütte, Geschäftsführer der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V., die 1993 auf Initiative der Bundesregierung gegründet wurde. Er verweist auf die aktuelle Kritik um die Verwendung der Energiepflanze Mais zur Biogaserzeugung: Der Anbau von Energiepflanzen dürfe die Produktion von Nahrungsmitteln und die Artenvielfalt nicht bedrohen, Biomasse dürfe nicht verschwendet werden. Wie der Fachverband Biogas betont, sind derzeit Alternativen zu Mais auf dem Vormarsch: schnellwachsende Grassorten, Wildpflanzen und die gelb blühende Durchwachsene Silphie.
Insgesamt gibt es nach Schüttes Angaben in Deutschland bereits mehr als 100 bestehende oder in der Umsetzung befindliche Bioenergiedörfer. Seit dem ersten bundesweiten Wettbewerb Bioenergiedörfer 2010 habe sich die Anzahl der Bioenergiedorf-Initiativen vervierfacht.
„Was Besseres hätten wir uns nicht vorstellen können“, sagt die Mauenheimerin Sandra Bender, die mit ihrem Mann und ihren drei Kindern ein Haus in der Neubausiedlung bewohnt. Seit sechs Jahren ist ihr Haushalt an das Nahwärmenetz angeschlossen, Wärme und Strom kommen aus dem Dorf, pro Kilowattstunde Heizenergie sparen die Mauenheimer sieben Cent. Dort, wo früher zwei große Öltanks samt Brenner standen, trocknet die 36-Jährige heute die Wäsche, der ehemalige Waschraum ist zum Kinderzimmer von Tochter Ronja umfunktioniert.
„Mit dem Nahwärmenetz sind die Bewohner jetzt technisch unabhängig“, sagt die Agrarbiologin Jutta Gaukler, deren Firma solarcomplex Anlagen zur Wärme- und Stromherstellung aus erneuerbaren Energien baut und Mauenheim auf dem Weg zum Bioenergiedorf begleitet hat.
„Die Bürger müssen die Investitionen nachvollziehen können und dahinter stehen“, weiß auch Arno Zengerle, Bürgermeister des Vorzeige-Energiedorfs Wildpoldsried im Oberallgäu. Die Bürger von Wildpoldsried verdienen mit Sonne, Wasser und Biomasse – dank Energieeinspeisevergütung. 2011 habe man zusammen einen Ertrag von mehr als vier Millionen Euro erzielt.
Die Gemeinde produziert schon heute regenerativ dreimal mehr Strom als sie selber verbraucht. Auf den Hügeln ragen Windräder in den Himmel, rund ein Viertel der Dächer ist mit blau-schimmernden Photovoltaikanlagen gepflastert, der dominierende Baustoff im Dorf ist Holz: Ob Windkraft, Photovoltaik, Biogas oder Wasserkraft: Den Kohlendioxid-Ausstoß habe Wildpoldsried durch den Ausbau der erneuerbaren Energien um mehr als 80 Prozent verringert. (epd)