Dem Gipfel in Durban stehen deutsche Forscher eher pessimistisch gegenüber. Vom 28. November bis 9. Dezember findet der Klimagipfel statt.
Hamburg/Berlin. Die Daten zur Klimakrise lesen sich nicht besser als die griechischen Finanzdaten: Der globale Ausstoß des Treibhausgases CO2 hat 2010 eine neue Rekordmarke erreicht, meldete kürzlich das US-Energieministerium. Der weltweite Energieverbrauch wird nach einem Szenario der Internationalen Energieagentur bis zum Jahr 2035 um ein Drittel wachsen. Vor diesem eher düsteren Hintergrund bereitet sich die Weltgemeinschaft auf den nächsten Krisengipfel vor: Vertreter der 195 Vertragsstaaten der Uno-Klimakonvention treffen sich vom 28. November bis 9. Dezember im südafrikanischen Durban.
Die Erwartungen an die Konferenz sind eher niedrig. Gleichzeitig wird das Zeitfenster, in dem sich der Klimawandel auf ein gesellschaftsverträgliches Maß begrenzen lässt, immer kleiner. "Wir wissen längst, dass der steigende CO2- Gehalt der Atmosphäre die Erde erwärmt, wir sind nur noch unsicher, in welchem Ausmaß", sagt Prof. Jochem Marotzke. Der Direktor am Max-Planck-Institut (MPI) für Meteorologie in Hamburg ist zugleich Vorsitzender des Deutschen Klima-Konsortiums, eines Zusammenschlusses der 21 führenden Institutionen rund um die Klimaforschung. Neue Berechnungen des MPI-Klimamodells zeigen, dass die Zeit allmählich drängt. Marotzke: "Wenn wir das international anerkannte Ziel, die Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf zwei Grad zu begrenzen, erreichen wollen, muss 2020 die Trendwende geschafft sein und der CO2-Ausstoß anfangen zu sinken."
Sein Kollege Prof. Wolfgang Lucht vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) macht eine ähnliche Rechnung auf: "Um das Klima weitgehend stabil zu halten, dürfen bis 2050 weltweit nicht mehr als 700 Milliarden Tonnen (700 Gigatonnen, die Red.) Kohlendioxid emittiert werden. Derzeit sind wir dabei, dieses Budget bereits in zwei Jahrzehnten aufzubrauchen. Je länger wir warten, desto schwieriger wird es, die 700 Gigatonnen einzuhalten, und desto drastischer muss später die Umkehr sein."
+++Forscher schlagen Alarm: Co2-Austoss so hoch wie nie+++
Die Warnungen der Forscher seien lange bekannt, betont Lucht: "35 Jahre wurden für den Klimaschutz verloren, weil es immer nur darum ging, das vorhandene Wissen weiter abzusichern, statt entschlossen gegenzusteuern. Die ökonomische Krise kam weitgehend unerwartet. Die Umweltkrise jedoch ist vorhersehbar."
Dennoch gelang es weder den Delegierten der Klimakonferenz in Kopenhagen (2009) noch beim nachfolgenden Gipfel in Cancún, Mexiko (2010), Vereinbarungen zu treffen, in denen sich Staaten international zu mehr Klimaschutz verpflichten. Kommendes Jahr läuft das Kyoto-Protokoll aus, das bislang einzige Regelwerk mit bindenden Reduktionszielen für Treibhausgase. Abgesehen vom Laufzeitende ist das 1997 beschlossene Protokoll ohnehin veraltet: Es verpflichtet nur die damaligen Industrienationen (außer den USA), doch durch die rasante wirtschaftliche Entwicklung in China und Indien hat sich die Rangliste der weltgrößten CO2-Sünder deutlich verändert. Umso wichtiger wird ein neues Vertragswerk.
"Deutschland wird sich in Durban für ein verbindliches Abkommen einsetzen", sagt Dr. Carsten Sach vom Bundesumweltministerium, der in Südafrika die Verhandlungen führen wird. "Wir werden dies nicht in diesem oder im nächsten Jahr erreichen. Aber es wäre schön, wenn wir ein Mandat verabschieden könnten, ein solches Abkommen bis 2015 auszuhandeln." Es könne frühestens 2016 in Kraft treten, so Sach. Bis dahin gelte es, die Instrumente, die geschaffen wurden, um das Kyoto-Protokoll umzusetzen, etwa den Emissionshandel, über die Zeit zu retten.
Dem Chefverhandler ist wichtig, dass alle großen Emittenten von einem neuen Regelwerk erfasst werden, also auch Spitzenreiter China, gefolgt von USA und Indien, die am meisten Treibhausgase in die Atmosphäre abgeben. Dabei müssten sich die Staaten nicht unbedingt zu Reduktionszielen verpflichten, sagt Sach - er weiß, dass dies mit den USA und wohl auch mit China nicht zu machen ist. Er könne sich vorstellen, dass die Staaten die Umsetzung von selbst erarbeiteten Maßnahmenkatalogen zusagen oder aber bestimmte CO2-Einsparziele für einzelne Industriesektoren vereinbaren. Sie könnten durch den effizienteren Umgang mit Energie wettbewerbsfähiger werden, etwa die Zementindustrien in Schwellenländern. Auch Waldschutzprogramme könnten als Klimaschutzmaßnahmen angerechnet werden.
Klimaforscher Marotzke rechnet ebenfalls nicht damit, dass sich alle wesentlichen Staaten in Durban oder auf späteren Konferenzen bindenden Reduktionszielen unterwerfen werden. "Jedes Land sucht seinen eigenen Vorteil, große Fortschritte sind nicht zu erwarten. Es ist falsch, weiterhin den Kampf zu führen zwischen hehren langfristigen Zielen für alle und kurzfristigen, nationalen Interessen."
Viel sinnvoller wäre es, so Marotzke, kleinere Ziele anzustreben, die einfacher einzugehen sind. Für die Entwicklungsländer könnten etwa Eckdaten zur Energieversorgung gesetzt werden, die mit finanzieller Hilfe und dem Know-how der Industriestaaten erreicht werden sollen - und das mit Techniken, die den vorhandenen CO2-Ausstoß mindern oder ihn gar nicht erst entstehen lassen, allem voran mit dem Einsatz von erneuerbaren Energien.
Die reichen Länder müssten verstärkt erneuerbare Energien nutzen, um der sich entwickelnden Welt zu demonstrieren, dass diese praktikabel sind, betont Wolfgang Lucht. Zumindest in diesem Bereich gibt es in der Klimakrise positive Daten - aus Deutschland: Der Öko-Anteil an der Stromproduktion liege inzwischen bei 20 Prozent, meldete das Bundesumweltministerium im Oktober. Das entspricht dem Ziel, das sich die EU für das Jahr 2020 gesteckt hat. Deutschland will mehr: Es strebt bis 2020 einen Anteil von mindestens 35 Prozent an.