Hochmoore sind aus unserer Landschaft fast verschwunden. Dabei sind sie wichtig für Boden und auch Klima, denn sie speichern Kohlenstoffdioxid.
Hankhausen. Mitten im Hochmoorgebiet von Hankhausen nördlich von Oldenburg: Zwischen Viehweiden befindet sich eine Fläche, deren Grasnarbe und oberste Erdschicht abgetragen wurden. Der darunterliegende Torfkörper liegt frei. Kleine Gräben, randvoll mit Wasser, teilen das etwa drei Hektar große Stück in mehrere Parzellen ein, auf denen Torfmoos zu verschiedenen Bedingungen unter freiem Himmel kultiviert werden soll.
Der Boden schwingt spürbar mit, als ein Maschinentrio, bestehend aus Bagger, Silowagen und Raupenfahrzeug mit Kratzbodenstreuer, zur vorbereiteten Fläche vorfährt. "Wir sind eben im Moor", sagt Silke Kumar, "da schwingt es schon mal." Kumar ist Mitarbeiterin der Torfwerk Moorkultur Ramsloh GmbH in Ramsloh/Saterland und wichtige Akteurin beim ersten praxisorientierten Großversuch, Torfmoos an einem typischen Standort für Hochmoorgrünland anzubauen.
"Wir wollen mit dem Anbau von Torfmoos als nachwachsendem Rohstoff neue Wege gehen, um den Weißtorfanteil in unseren Substraten langfristig ersetzen zu können", erklärt die Gartenbau-Ingenieurin. Als Weißtorf bezeichnen Fachleute die obere Torfschicht, die weniger zersetzt und dadurch stärker strukturiert ist.
Nicht nur Silke Kumar ist seit Langem bekannt, dass durch die Bewirtschaftung und den Abbau von Mooren wertvolle Biotope zerstört werden. Obendrein wird das Klima geschädigt, weil dabei große Mengen von gebundenem Kohlendioxid aus den Mooren entweicht. Dennoch wird Torf weiterhin wegen seiner idealen wasser- und nährstoffhaltenden Eigenschaften als Zuschlagstoff für Substrate im Erwerbsgartenbau und im Hobbybereich eingesetzt, da andere Rohstoffe nicht in ausreichender Menge und Qualität verfügbar sind. "Dabei werden die Torfvorräte in Deutschland knapper und die Transportwege für Importe immer länger", sagt Silke Kumar.
Die 48-Jährige beschäftigt sich seit 2004 in enger Kooperation mit Wissenschaftlern vom Institut für Botanik und Landschaftsökologie an der Universität Greifswald mit dieser Problematik. Als Substratproduzentin sieht sie sich in der Verantwortung, nach brauchbaren Alternativen zu suchen. Inzwischen, nach kleinen Testreihen, ist sie fest davon überzeugt, dass der Anbau von Torfmoos einen Ausweg aus dem Torfdilemma bietet. Denn die unscheinbare Pflanze hat eine einmalige Eigenschaft: Sie kann das 20-Fache des eigenen Gewichts an Wasser speichern und stellt mit dieser Haltefähigkeit sogar Weißtorf in den Schatten. Tatsächlich wird Torfmoos (lat. Sphagnum), aus Chile und Neuseeland importiert, bereits bei der Kultur von Orchideen verwendet. Allerdings steckt eine professionelle Kultivierung des Mooses noch in den Anfängen. Obgleich das Ziel klar definiert ist, fehlt es gänzlich an Techniken und Erfahrungen bei der Saataufbereitung, Ausbringung, Bewirtschaftung und Ernte.
Was die Beteiligten alles noch lernen müssen, ist bei der Ausbringung des "Saatgutes" in Hankhausen zu beobachten: Der Bagger lädt das vorher klein gehäckselte Torfmoos umständlich vom Silowagen auf das Raupenfahrzeug mit Streugerät, das das faserige Material auf den weich-feuchten, nackten Torfkörper aufbringt. Jedoch lässt das Streubild zu wünschen übrig: Das Torfmoos ist ungleich verteilt, sodass Silke Kumar und die Greifswalder Wissenschaftler mit Harken nachhelfen müssen.
Wenn alles so läuft wie erhofft, dann wächst die hauchdünne Torfmoosschicht in sechs Jahren auf eine Dicke von mindestens 20 Zentimetern an. Diese Schicht will man später maschinell ernten, ohne dass der Torfkörper beschädigt wird. Wie viel Ertrag pro Hektar tatsächlich zu erwarten ist, darüber gibt es bisher nur vorsichtige Schätzungen. Erwartet werden 75 bis 125 Kubikmeter Torfmoos pro Hektar. Zum Vergleich: Das Torfwerk in Saterland baut jährlich rund eine halbe Million Kubikmeter Torf (ein Fünftel Weiß- und vier Fünftel stärker zersetzten Schwarztorf) auf einer Fläche von 750 Hektar ab. Der gesamte Bedarf im deutschen Erwerbsgartenbau liegt allein beim Weißtorf bei beachtlichen drei Millionen Kubikmetern. Da aber in Deutschland kaum noch Abbaugenehmigungen für Hochmoore erteilt werden, kommt der Weißtorf seit vielen Jahren hauptsächlich aus dem Baltikum und aus Skandinavien.
Über die Nachfrage nach geeigneten Substituten brauchen sich die Torfmoos-Entrepreneure also keine Sorgen zu machen. Zurzeit stehen für das Greifswalder Forscherteam um Biologin Greta Gaudig ohnehin ganz andere Themen obenan. Beispielsweise, ob das ausgebrachte Moos in Hankhausen optimal anwächst - sind doch Moose sehr sensible Pflanzen. "Das Moos darf nicht lange überflutet sein, braucht aber nasse Bedingungen", umschreibt Gaudig die Anforderungen des Gewächses, "das nicht wurzelt, sondern nach oben hin wächst und nach unten hin vertorft". Außerdem reagiert das zarte Pflänzchen allergisch auf hohe Sonneneinstrahlung, weshalb Gaudigs Team vorsichtshalber eine Lage Stroh als Schutz über die Saatfläche verteilt hat. Zudem kann ein Pilz das Moos angreifen.
Sollte die Kultivierung gelingen, könnte sie für viele Landwirte interessant werden, weil der Anbau des neuen nachwachsenden Rohstoffes eine gute Alternative zu bisherigen Nutzungen der moorigen Flächen, etwa als Viehweiden, darstellt.