In einer öffentlich-privaten Partnerschaft arbeiten Hamburger Forscher an Verfahren, die tropische Infektionserreger genauer nachweisen sollen.
Hamburg. Dengue-Fieber, West-Nil-Fieber, Malaria - besteht ein Verdacht auf eine dieser tropischen Krankheiten, benötigen niedergelassene Ärzte und Kliniken meist Hilfe bei der Diagnose. In normalen Labors können viele der krank machenden Keime aber nicht nachgewiesen werden. Dann springt das Hamburger Bernhard-Nocht-Institut (BNI) ein, das nationale Referenzzentrum für tropische Infektionserreger. Etwa 40 000 Einsendungen werden jedes Jahr in den Speziallabors der Einrichtung untersucht; dabei nutzen die BNI-Forscher 100 verschiedene Verfahren. Diese Expertise will das Institut künftig zu Geld machen. "Wir werden unsere Tests so umwandeln, dass sie auch in Routinelabors genutzt werden können", kündigte der Vorstandsvorsitzende des BNI, Prof. Rolf Horstmann, an. Geplant seien schuhkartongroße Test-Kits für weniger als 100 Euro, die an Kliniken und Labors weltweit verkauft werden könnten.
Um diese Sets zu entwickeln, hat das BNI eine Partnerschaft mit dem Hamburger Biotechnologie-Unternehmen Altona Diagnostic vereinbart, einer Ausgründung ehemaliger BNI-Forscher. Gefördert wird das zunächst bis 2015 angelegte Projekt mit 4,63 Millionen Euro vom europäischen Fond für regionale Entwicklung. "Diese Bewilligung zeigt, welche Bedeutung dem Vorhaben beigemessen wird", sagte Hamburgs Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) bei der Vorstellung des Projekts. Die Stadt werde 400 000 Euro zuschießen. Weitere 4,57 Millionen Euro wollen das BNI und das Unternehmen aus eigenen Mitteln investieren. Priorität habe das Dengue-Fieber, aber auch für West-Nil-Fieber, Krim-Kongo-Fieber und für Malaria würden neue Tests entwickelt. In einem Jahr sollten erste Forschungsergebnisse vorliegen; bald darauf könnten die ersten Kits zugelassen werden, sagte der Geschäftsführer von Altona Diagnostics, Ulrich Spengler.
+++Neues Projekt aus Hamburg gegen Tropenkrankheiten+++
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Das öffentlich-private Bündnis strebt aber nicht nur nach wirtschaftlichem Erfolg. Vielmehr sollen die neu zu entwickelnden Tests dazu beitragen, dass tropische Erreger künftig weltweit schneller und genauer nachgewiesen werden. Denn Tropenkrankheiten sind längst nicht mehr auf tropische Regionen begrenzt; sie werden zu einem globalen Problem. Die Mobilität nimmt zu, kaum ein tropisches Land, das noch nicht touristisch erschlossen ist, das noch keine internationalen Beziehungen pflegt. Damit steigt die Gefahr, dass sich Besucher mit tropischen Erregern infizieren. Schwerer wiegt, dass in Gepäck oder Containern die Überträger (hauptsächlich Mücken) in Regionen gelangen, die einst frei von solchen Krankheiten waren. Auch der Klimawandel spielt eine Rolle für die Ausbreitung der Überträger. "Es ist zu erwarten, dass tropische Erreger zunehmend auch in Mitteleuropa auftreten werden", sagte BNI-Forscher Horstmann.
Immer mehr solcher Fälle werden bekannt. Das Dengue-Fieber, ausgelöst durch Dengue-Viren und übertragen durch Gelbfiebermücken und Asiatische Tigermücken, trat lange Zeit hauptsächlich in Lateinamerika, Zentralafrika und Südostasien auf - 2010 wurden jedoch erstmals Infektionen mit dem Virus durch Tigermücken in Südfrankreich nachgewiesen. Das West-Nil-Fieber, ausgelöst durch das West-Nil-Virus, übertragen durch verschiedene Mückenarten und lange ebenfalls auf tropische Regionen begrenzt, breitete sich ab 1999 in Nordamerika aus. Inzwischen wurden sogenannte autochthone Infektionen auch in Südeuropa nachgewiesen, etwa in Rumänien und Griechenland. Ein möglicher Überträger, die Gemeine Stechmücke, kommt auch in Mitteleuropa vor. "Deshalb wundert es uns, dass in diesem Raum bisher noch keine Infektionen mit dem West-Nil-Virus aufgetreten sind", sagte Rolf Horstmann.
Infektionen mit dem Dengue- oder dem West-Nil-Virus verlaufen zwar in den meisten Fällen glimpflich; in einigen Fällen kommt es allerdings zu schweren Verläufen - ein Teil davon führt zum Tode. In den USA wurden der US-Gesundheitsbehörde CDC im Jahr 2011 insgesamt 690 West-Nil-Infektionen gemeldet, 43 Patienten starben.
Wie gefährlich diese und andere tropische Erreger tatsächlich sind, ist allerdings schwer einzuschätzen, weil längst nicht alle Infektionen bekannt werden. Grundsätzlich könnten durch neue Diagnosemethoden womöglich Tausende Menschen weltweit gezielter behandelt werden; bei Viruserkrankungen ließen sich überflüssige Behandlungen vermeiden. Zudem könnten Forscher den Ursprung einer Infektion genauer lokalisieren und die Ausbreitung der Erreger genauer verfolgen.
Es gibt zwei Nachweismethoden. Ist der Erreger noch im Blut vorhanden, lässt sich die Infektion durch DNA-Tests belegen. Auf diese Methode hat sich Altona Diagnostics spezialisiert. Ist der Erreger nicht mehr im Blut vorhanden, kann die Infektion indirekt anhand von Antikörpern, die der Körper gegen die Erreger gebildet hat, im Blut nachgewiesen werden. Auf diesem Gebiet hat das Bernhard-Nocht-Institut große Erfahrung. Insbesondere bei der Antikörpererkennung gebe es noch viel zu verbessern, sagte Rolf Horstmann. Das Problem: Es ist bisher schwer möglich, Antikörper mit Sicherheit auf einen bestimmten Erreger zurückzuführen, also zum Beispiel nachzuweisen, dass ein Patient nur mit dem West-Nil-Virus infiziert war und die Antikörper sich nicht etwa infolge einer Gelbfieberimpfung gebildet haben. Denn Antikörper bleiben teils jahrelang, teil lebenslang im Körper erhalten. Der Nachweis kann dann nur durch ein Ausschlussverfahren gelingen, indem man zeigt, dass es in einer bestimmten Region zum Ausbruch von nur einer Tropenkrankheit kam und dass Antikörper im Blut von Patienten nur von dieser Erkrankung herrühren können.
Im Rahmen des neuen Forschungsprojekts will das BNI deshalb mit Blutproben aus aller Welt eine Referenzprobenbank aufbauen, durch die sich Infektionen eindeutig bestimmten Erregern zuordnen lassen sollen. Es wäre die erste Datenbank dieser Art.