Ein Inhaltsstoff des Grünen Tees legt die Helfer lahm, die das Eindringen der Viren unterstützen. EGCG könnte, in Intimcremes verpackt, Frauen vor der tödlichen Krankheit schützen.

Neue Hoffnungen im Kampf gegen Aids. Hamburger Forscher haben den ersten natürlichen Wirkstoff gefunden, der die sexuelle Übertragung von HIV behindert. Sie entdeckten ihn im Grünen Tee. Nun hoffen sie, dass Intimcremes mit diesem Wirkstoff Frauen vor HIV-Infektionen schützen können.

"Das wäre eine wirkliche Lebenshilfe vor allem für die Frauen in Afrika. Dort wütet die tödliche Krankheit in erschreckendem Ausmaß, und die Frauen stecken sich in erster Linie durch sexuellen Kontakt mit infizierten Männern an", sagt Dr. Ilona Hauber, Erstautorin der Studie, die in der aktuellen Ausgabe der renommierten "Proceedings of the National Academy of Sciences" (USA, PNAS) erschien.

Um die Ausbreitung von HIV und Aids zu stoppen, suchen Forscher seit Längerem nach wirksamen Mikrobiziden. Denn Kondome schützen nur so lange vor einer HIV-Infektion, solange keine Kinder erwünscht sind. Bislang waren die Forscher bei der Entwicklung von Vaginalcremes allerdings nicht sonderlich erfolgreich. Das könnte sich nach den sensationellen Laborversuchen der Wissenschaftler vom Hamburger Heinrich-Pette-Institut (HPI) ändern.

Eigentlich habe sie gar nicht mit Grünem Tee forschen wollen, sagt Ilona Hauber, die sich auch für "Aids-Waisen International" engagiert. Doch dann fiel ihr ein Artikel von Professor Werner Hunstein in die Hände, den er in der international renommierten Zeitschrift "Blood" (Vol. 110, Nr. 6, 2007) veröffentlicht hatte. In ihm schildert der Heidelberger Mediziner, der sich als "knallharten Schulmediziner" bezeichnet, seine Selbstheilung mit Grünem Tee.

Nachdem bei dem Hämatologen im Alter von 72 Jahren eine lebensbedrohliche Bluterkrankung festgestellt worden war, hatte er eine Chemotherapie erhalten. Sie hielt ihn am Leben, aber seine Beschwerden schwanden nicht. Im September 2006 bekam der Heidelberger Professor einen Anruf von einem seiner ehemaligen Schüler aus Berlin. Er erzählte ihm, dass Wissenschaftler vom Max-Delbrück-Centrum im Labor nachgewiesen hatten, dass der Hauptwirkstoff des Grünen Tees die tödlichen Eiweißablagerungen bei Chorea Huntington bremst. Das machte Hunstein hellhörig, denn seine Krankheit wurde auch durch Eiweißablagerungen ausgelöst. Hunstein trank fortan jeden Tag zwei Liter Grünen Tee - und seine Gesundheit kehrte langsam zurück. Seitdem wirbt der Schulmediziner dafür, die Heilkraft des Grünen Tees zu nutzen. Diesen Wunsch griff Ilona Hauber auf. "Herr Hunstein hat mir viele wissenschaftliche Artikel über Studien zur Verfügung gestellt, wir haben regen E-Mail-Kontakt", erzählt die HPI-Forscherin.

Grüner Tee ist reich an Mineralstoffen und Spurenelementen. Zu seinen interessantesten Inhaltsstoffen gehören die Catechine. Vor allem ein spezielles Catechin, das EGCG (Epigallocatechin-3-Gallat), der Hauptwirkstoff des Grünen Tees, weckte das Interesse der Forscher. Die Berliner Wissenschaftler zeigten, dass EGCG auch den tödlichen Prozess der Plaquebildung bei Parkinson und Alzheimer umkehrt, und Ilona Hauber konnte jetzt nachweisen, dass dieser Wirkstoff die Infektionsgefahr von HIV verringert.

"Er vernichtet nicht die Viren, sondern ihre Helfer bei der sexuellen Übertragung. Das sind, wie Kollegen aus Hannover und Ulm Ende 2007 zeigten, spezielle Eiweißstrukturen, genannt SEVI. Sie kommen in der Samenflüssigkeit vor und erhöhen die Infektionsrate des HI-Virus dramatisch", sagt Ilona Hauber. Die feinen Fasern, amyloide Fibrillen, entstehen durch eine Zusammenballung von Eiweißbruchstücken. Die Fibrillen binden dann HI-Viren und beschleunigen ihr Eindringen in die Zielzellen. In Tests stieg die Infektionsrate in Gegenwart dieser Fibrillen um das Hundertfache. "Im Reagenzglas konnten wir zeigen, dass EGCG diese Fibrillen auflösen und sogar ihre Bildung verhindern kann, sodass die HI-Viren die Zellen nur noch schwer infizieren können", berichtet die Wissenschaftlerin und fügt hinzu: "EGCG ist für die Gewebezellen nicht schädlich. Deshalb könnte es gelingen, diesen Wirkstoff in Vaginalcremes in Kombination mit anderen antiviralen Medikamenten zu bringen, um so einer sexuellen Übertragung von HI-Viren entgegenzuwirken.

Damit könnte die Infektionsgefahr bei der sexuellen Übertragung von HIV-1 hoffentlich deutlich gesenkt werden." Bis es so weit ist, werden die Hamburger Wissenschaftler ihre Erkenntnisse noch weiter im Labor überprüfen. Erste klinische Studien, um die Wirksamkeit von Grünem Tee bei Alzheimer und anderen amyloiden Erkrankungen zu testen, führen derzeit Berliner Wissenschaftler durch. Professor Hunstein, der inzwischen 80 Jahre alt ist, wird das große wissenschaftliche Interesse an Grünem Tee freuen.