Wer nach Gesundheitsthemen im Netz sucht, stößt oft auf Unverständliches. „Doktor Google“ löst Panik aus. Das muss sich ändern, sagt der Hamburger Arzt Johannes Wimmer.
Hamburg. Das Internet ist ein Paradies für Hypochonder. Wer online nach Krankheitssymptomen sucht, der findet todsicher mindestens drei Diagnosen für seine aktuelle Wehwehchen, nach denen er morgen ein Krüppel und in zwei Wochen begraben ist. „Doktor Google“ ist das Gegenteil eines guten Arztes. Er berät und beruhigt nicht, er sorgt vor allem für Panik.
Das allerdings ist natürlich nicht die Schuld der Suchmaschine, sondern eher der Ärzte, die im Internet und in den Social Media wie Facebook oder Twitter kaum zu finden sind – und deswegen als Ansprechpartner in der Online-Welt ausfallen. Findet jedenfalls Doktor Johannes.
Doktor Johannes ist ein promovierter früherer Hamburger Klinikarzt, der im wahren Leben auf den Namen Johannes Wimmer hört. Seit August 2013 betreibt er das medizinische Videoportal „Doktor-Johannes.de“ – und ist damit der erste deutsche Arzt mit eigenem Videoblog. Weil er auch bei Facebook und Twitter aktiv ist, wird ihm auch schon mal das Etikett „Twitter-Arzt“ angeheftet.
„Kaum etwas in der Medizin ist wichtiger als die Kommunikation“, sagt der 30-Jährige. Gerade die Kommunikation aber komme fast immer zu kurz. Ärzte hätten zu wenig Zeit, und dann redeten Mediziner und Patienten auch noch häufig aneinander vorbei. Manchmal liege das auch daran, dass die Patienten zu aufgeregt seien oder zu wenig über Medizin wüssten, um die richtigen Fragen zu stellen.
Doktor Johannes will daher mit Hilfe seines Videoportals vor allem die Kompetenz der Patienten stärken. Bisher stehen nur einige wenige Filme auf der Seite, in denen Wimmer wechselweise im blauen oder weißen Kittel die Herkunft des Muskelkaters erklärt oder den Fragen nachgeht, warum man beim Einschlafen zuckt, wie der perfekte Stuhlgang beschaffen ist, oder ob es gefährlich ist, ein Kaugummi zu verschlucken. Ab Mitte Februar 2014 aber soll aus dem Videoblog ein Art Videolexikon der Medizin werden.
„Wir haben schon mehr als 500 kurze Filme gemacht, in denen ich die am häufigsten gestellten Fragen beantworte“, sagt der auffallend schlanke Arzt mit der markanten Brille. Dort werden Volkskrankheiten wie Diabetes erklärt, es wird erläutert, was bei den häufigsten Operationen geschieht und wie man sich darauf vorbereitet. Die Plattform will den Nutzern aber auch dabei helfen, den richtigen Arzt für die eigene Erkrankung zu finden. Und dann in der Sprechstunde die richtigen Fragen zu stellen.
„Es geht mir nicht darum, Ferndiagnosen zu stellen. Das ist nach deutschem Recht ohnedies nicht zulässig“, sagt Wimmer. „Wir wollen vor allem Ängste abbauen.“ Wenn eine Frau unter der Dusche einen Knoten in ihrer Brust entdecke und danach im Internet nach der Bedeutung suche, dann lande sie in der Regel auf einem Wikipedia-Artikel über Brustkrebs. Der sei erstens sehr lang und für Laien schwer verständlich. Und er mache Angst oder löse Panik aus, weil er die gelieferten Informationen nicht einordne. Das dürfe man niemandem zumuten.
„An Informationen ist im Internet kein Mangel“, sagt Wimmer, „aber es fehlt meist an Kontext, also an einer richtigen Einordnung der Informationen. Die Einordnung ist unser Job als Ärzte.“
Dabei gehe es auch darum, empathisch auf die Emotionen des Patienten einzugehen. „Obwohl die Patientenreise und somit der Bedarf nach einer kontextuellen Klärung des Problems heute online beginnt, zeigt sich ein geringes, bzw. vollständig fehlendes Engagement der Ärzte in diesem Bereich“, bemängelt Wimmer in einem Beitrag, den er für das „Healthcare Magazin“ geschrieben hat.
„Ärzte haben zwar verstanden, dass der Kampf um den passenden Patienten online geführt wird und dass der alleinige Eintrag in Arztverzeichnissen nicht ausreicht, um die Praxen und Kliniken wirtschaftlich rentabel zu führen, Ärzte sind aber dennoch nicht online aktiv“, so Wimmer.
Dass liege vor allem an der rechtlichen Unsicherheit, also der Angst gegen telemedizinische Beratungsverbote zu verstoßen. Außerdem hätten die meisten Ärzte schlicht keine Zeit für eine intensives Online-Engagement.
Dabei appelliert Wimmer keinesfalls nur an das ärztliche Ethos. Mit medizinischen Internetplattformen lasse sich auch Geld verdienen, glaubt er. Etwa dadurch, dass man Werbevideos einbette, oder den Zugang zu bestimmten Informationen nur beim Kauf von angebotenen Arzneimitteln oder Medizinprodukten ermögliche.
Derzeit wird die Seite „Doktor Johannes“ noch vom Gelbe-Seiten-Verlag Dumrath und Fassnacht gesponsert. In dessen Gebäude am Winsbergring in Bahrenfeld hat sich Wimmer ein hochwertiges Videostudio eingerichtet.
Vom Frühjahr an aber, muss er die Finanzierung seines Projektes selbst stemmen – durch Werbung, Produktverkauf oder Honorare, etwa für die Entwicklung ähnlicher Portale für Krankenkassen oder Unternehmen der Medizinbranche. Eines aber ist für Wimmer klar: Seine Videos sollen immer kostenlos zu sehen sein.
Unter dem Titel „Wann wird Social Media zur Social Medicine“ stellt Dr. Johannes Wimmer seine Thesen im Rahmen der Social Media Week zur Diskussion. Am 17. Februar um 18 Uhr in der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in der Gertrudenstraße 3. Der Eintritt ist frei, Anmeldung erforderlich unter http://socialmediaweek.org/hamburg
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