Dr. med. Mirriam Prieß, Autorin von „Burnout kommt nicht nur von Stress“, gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um die Kündigung.

Was macht eine Kündigung psychologisch mit dem Betroffenen?

Je nachdem, ob die Kündigungerwartet oder unerwartet kommt, ist sie für die meisten Betroffenen ein „Schock“ – je unerwarteter, umso größer ist dieser. Jede Kündigung, ob unerwartet oder erwartet, ist immer ein einschneidendes Erlebnis, denn sie ist immer „Absage an die eigene Person“. Je nachdem wie der Betroffene sich in seinem eigenen Selbstwert erlebt, kann dies von einer Betroffenheit bis hin zu dem Gefühl der Vernichtung und damit verbundenen existenziellen Krisen führen.

Dies ist von Folgendem abhängig: Die Gesamtsituation, in der sich der Betroffene befindet. Es gibt sechs zentrale Lebensbereiche im Leben eines Menschen. Wenn der Betroffene in den anderen fünf Lebensbereichen mit sich und seinem Umfeld im Dialog steht, also über ein ansonsten zufriedenes und stabiles Umfeld und zufriedenes Leben verfügt, umso leichter kann er so eine Kündigung tragen. Je konfliktbeladener die anderen Lebensbereiche jedoch ebenfalls sind, um so „angreifbarer“ ist der Betroffene und umso schwerwiegender die Kündigung. Eine Kündigung ist immer eine Absage an die Person, selbst wenn sie aus betrieblichen Gründen getroffen werden muss. Je weniger sich der Betroffene selbst „wert fühlt und wert schätzt“ umso schwerer mehr wird er die Kündigung als Absage an die eigene Person verstehen und sich in seinem geringen Wert bestätigt fühlen.

Dies führt häufig zu schweren Selbstwertkrisen, die sich unterschiedlich ausdrücken. Einige Betroffene versuchen diese vor sich und dem Umfeld zu verstecken und durch unterschiedliche (Sucht-)Mittel zu kompensieren, andere beginnen sich depressiv zurück zu ziehen.Viele Menschen identifizieren sich über den Beruf. Je höher die Identifikation, um so existenzieller die Kündigung – je mehr sich ein Mensch über seinen Job definiert umso größer „das Loch“ in das er fällt und die damit verbundene Krise.

Wie geht man richtig mit einer Kündigung um?

Zu allererst einmal „Ruhe bewahren“ – so schwer dies auch ist. Ruhe bewahren, zur Ruhe kommen und sich die Ruhe nehmen, die Situation zu begreifen. Zu allererst ist es notwendig aus diesem Gefühl des Schocks zu kommen.

Sprechen Sie mit Menschen, denen Sie vertrauen oder suchen sich, wenn nötig, auch professionelle Hilfe, um die Situation zu verdauen. Es gibt unterschiedlichste Gründe für Kündigungen und nicht immer sind diese gerechtfertigt und nicht selten werden sie auf dem Boden einer bereits konflikthaften Situation ausgesprochen. Versuchen Sie mit sich darüber in den Dialog – und wenn es die Situation und Ihr Gefühl erlaubt – in den Dialog mit dem Arbeitgeber zu gehen.

Was ist der Grund für Ihre Kündigung? Stellen Sie auch sich in Frage aber niemals Ihren Wert – weder in dieser noch in anderen Situationen. Es gibt keinen Grund, den eigenen Wert anzuzweifeln. Wenn Sie dies erkennen, dann können Sie auch ruhig entscheiden, was zu tun ist. Viele Kämpfe, auch vor Gericht, finden vor diesem Hintergrund statt, sich in seinem Wert „vernichtet“ zu fühlen und um diesen und um Wiedergutmachung zu kämpfen.

Jede Krise birgt immer eine Chance

Eine Kündigung hat immer zwei Seiten – und eine davon ist die Ihre. Seien Sie so selbstbewusst, dass Sie Ihren Anteil daran erkennen wollen, nicht um sich selbst moralisch zu vernichten, sondern um zu lernen, sich weiter zu entwickeln und zu handeln. Jede Krise birgt immer eine Chance. Wenn es Ihnen gelingt Ihren Anteil an der Situation, und sei es, dass dieser noch so klein ist, zu übernehmen, dann können Sie im nächsten Schritt eigenmächtig entscheiden, was Sie tun wollen. Möglicherweise erkennen Sie, dass der Arbeitgeber sich nicht korrekt verhalten hat. Wollen Sie darum kämpfen, dort zu bleiben, wo man Sie nicht will? Wollen Sie sich dafür bezahlen lassen, dass Sie gehen? Oder wollen Sie den Blick nach vorne richten und alle Kraft und Energie in den neuen Aufbau in Ihr Leben investieren?

Jede Krise kann nur bewältigt und wirklich abgeschlossen werden, wenn die Betroffenen auch weiter gehen wollen. Vielen gelingt dies nicht, weil sie in dem Gefühl der Ungerechtigkeit verharren. Ich erlebe immer wieder Betroffene, die zu mir in die Beratung kommen, weil sich entweder in dem Kampf um vergebliche Wiedergutmachung erschöpft haben oder daran, dass Sie die Kränkung innerlich nicht los lassen können.

Solche Krisen können, wie das Leben an sich, nur dann bewältigt werden, wenn der Betroffene bereit ist, an zu erkennen, dass das Leben nicht gerecht ist. So bitter dies auch ist. und die einzige Möglichkeit, um „im Fluss des Lebens“ zu bleiben, ist dies am Ende zu akzeptieren, sich nicht auf Vergangenes oder Unmögliches zu konzentrieren, sondern den Blick auf die Gegenwart und Zukunft und Mögliches zu richten.

Wie baut man sein Selbstbewusstsein wieder auf?

Man könnte sagen, dass viele, die eine Kündigung erhalten, ähnliche Phasen durchlaufen, wie in Trauerprozessen zu erleben und beschrieben worden ist. (1. Nicht wahr haben wollen, 2. Wut, 3. Verhandeln, 4. Depression und 5. Akzeptanz – nach der Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross). Es gilt die Situation ganz zu verarbeiten. Verarbeitet ist die Situation, wenn Sie ihr auf Augenhöhe ruhig begegnen können und sie akzeptieren. Solange Sie noch mit dem Geschehenen hadern, ist es noch nicht verarbeitet. Sie werden Bewerbungsgespräche nur erfolgreich führen, wenn Sie dies im Dialog auf Augenhöhe tun. Die Augenhöhe können Sie im Außen jedoch nur halten, wenn Sie sich selbst auf Augenhöhe begegnen können und dafür muss die Kündigung wirklich „verdaut“ sein.

Wenn Sie sich bewerben, so machen Sie sich zukünftig bewusst, dass Sie sich niemals in Ihrem Wert bewerben, sondern in Ihrer Person als Arbeitskraft – aber in Anerkennung des eigenen Wertes selbstverständlich dafür zu sorgen, sich nur dort zu bewerben, wo nicht die Funktion, sondern der Wert Mensch ebenso selbstverständlich erkannt und gelebt wird. Grundsätzlich für den Aufbau einer echten Identität zu sorgen. Sich also nicht, in diesem Fall, über Leistung und Erfolg definieren, sondern über sich selbst. Das heißt nicht, dass Sie dann nicht erfolgreich sind und leisten wollen, aber Ihre Existenz, Ihr Wert –Sie selbst hängen dann nicht von der Leistung und Ihrem Job ab.

Sorgen Sie vor diesem Hintergrund dafür, dass die sechs zentralen Lebensbereichen* nicht nur ausgebildet sind, sondern Sie auch dort stehen, wo Sie stehen wollen und auf Ihre Kosten kommen. Nutzen Sie diese berufliche Krise also auch als Chance für sich selbst und Ihr Leben, um sich weiter zu entwickeln. Verwerten Sie die Kündigung nicht als Absage sondern gestalten Sie sie für sich als eigene Zusage an den weiteren Aufbau eines eigenen identischen Lebens.