Berlin. Viele Frauen leiden unter Endometriose. Doch bis zur Diagnose vergehen oft Jahre. Ein neuer Test verspricht schnellere Erkenntnisse.
Starke Regelschmerzen und im schlimmsten Fall Unfruchtbarkeit: Endometriose ist eine der häufigsten gynäkologischen Erkrankungen. Schätzungen zufolge sind bis zu 15 Prozent aller Mädchen und Frauen betroffen. Der Weg zur Diagnose dauert meist mehrere Jahre – ein französisches Unternehmen will diesen quälend langen Prozess mit einem Speicheltest ändern. Doch auch fast ein Jahr nach seiner Markteinführung nutzen viele Gynäkologen den Test noch immer nicht für die Diagnostik.
- Studie: Forschende finden mögliche Ursache für Fettleibigkeit
- Untersuchungen: Stress erkennen – Diese Blutwerte sind alarmierend
- Gesunde Ernährung: Kind mag kein Gemüse? Ein Kinderarzt gibt Tipps
- Frauen: Endometriose-Betroffene geht radikalen Weg gegen Schmerzen
- Gewicht: Ärztin klärt auf – So kann Kaffee beim Abnehmen helfen
Symptome bei Endometriose: Bis zur Diagnose dauert es teilweise zehn Jahre
Endometriose ist eine chronische Erkrankung, bei der sich Gebärmutterschleimhautgewebe außerhalb der Gebärmutter ansiedelt. Die Diagnose ist für die Patientinnen oft zeitaufwändig. Im Schnitt vergehen siebeneinhalb Jahre vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnosestellung, so die Endometriose-Vereinigung Deutschland. Dazwischen liegen meist zahlreiche Arztbesuche und häufig auch mehrere Arztwechsel. Patientinnen mit unerfülltem Kinderwunsch erhalten ihre Diagnose im Durchschnitt nach etwa drei Jahren, Patientinnen, die wegen Schmerzen Fachärzte aufsuchen, warten bis zu zehn Jahre auf die Diagnose.
Einer der Hauptgründe dafür sei, dass insbesondere niedergelassene Gynäkologen oftmals keine Zeit für eine hinreichende Anamnese hätten, so Sylvia Mechsner, Leiterin des Endometriosezentrums an der Berliner Universitätsklinik Charité. Schließlich ließe sich das Gespräch zur Krankengeschichte der betroffenen Frau bei Krankenkassen deutlich schlechter abrechnen als Untersuchungen.
Lesen Sie auch: Endometriose-Betroffene geht radikalen Weg gegen Schmerzen
Kommt es zu einem Verdacht, gibt es für Gynäkologen verschiedene Möglichkeiten, die Diagnose zu bestätigen. Lange Zeit Standard war die Diagnostik über einer Bauchspiegelung, bei der je nach Fall auch eine Gewebeprobe entnommen und untersucht wird, so Mechsner. Inzwischen erfolge die Diagnose aber auch häufig mithilfe von bildgebenden Verfahren, also per Ultraschall oder Kernspintomographie (MRT). Entdecken könnten die Gynäkologen mit all diesen Verfahren allerdings nur fortgeschrittene Befunde.
Endometriose erkennen: Welche Praxis helfen könnte
„Bei Jugendlichen oder jungen Frauen sieht man noch nicht so viel. Das bedeutet aber nicht, dass da nichts ist und die Betroffenen gesund sind“, sagt Mechsner. Umso wichtiger sei eigentlich Zeit für eine ausführliche Anamnese, in der die jungen Frauen ihre Beschwerden schildern können, denn auch so könnten Fachleute auf dem Gebiet relativ sicher feststellen, ob es sich um Endometriose handele oder nicht.
Betroffenen Hoffnung auf eine schnellere und einfachere Diagnose gemacht hat unter anderem ein Speicheltest, der seit Anfang des Jahres verfügbar ist. Bei dem sogenannten Endotest wird eine Speichelprobe der jeweiligen Patientin auf bestimmte Genmarker und Proteine untersucht, die bei Endometriose in erhöhten Konzentrationen im Speichel nachweisbar sind. Der französische Hersteller Zwig verspricht den Betroffenen innerhalb von 28 Tagen eine nichtinvasive und relativ sichere Antwort auf die Frage nach der Endometriose-Diagnose zu liefern.
- ADHS bei Erwachsenen:Betroffene erklärt, was wirklich hilft
- Schlafstörungen:Häufig hilft nur noch diese Methode
- Hormone:Wechseljahre mit 27 – Die ersten Anzeichen der Menopause
- Demenz: Ab wann Gedächtnislücken besorgniserregend sind
Gynäkologin kritisiert neuen Endometriose-Test
Dabei bezieht sich Zwig auf eine Studie, die in der Fachwelt in der Kritik steht. Mechsner erklärt: Die Studie sei mit gerade einmal 200 Patientinnen an sechs französischen Kliniken durchgeführt worden – einer Datenlage, die weder ausreiche noch die man bisher mit einer anderen Patientinnengruppe habe reproduzieren können.
Außerdem kritisiert Mechsner, dass Zwig mehr als ein Jahr nach der Vorstellung des Produktes auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in München noch immer viele offene Fragen zu dem Test nicht beantwortet habe. Unklar sei auch noch, ob der Test nur Primärerkrankungen erkennt oder ob auch seltenere Formen von Endometriose sowie die endometrioseähnliche Adomyose von dem Test erkannt werden.
Sollte der Test verschiedene Unterformen oder auch Adomyose nicht erkennen, könnte das dazu führen, dass Patientinnen mit ihren Beschwerden nicht mehr ernst genommen würden, sobald das Testergebnis negativ ist. „Das sagt ja dann recht klar: Die Patientinnen haben nichts – auch wenn das nicht stimmt“, befürchtet Mechsner. Dabei sei es wichtig, Patientinnen mit Beschwerden grundsätzlich ernst zu nehmen, sie zu behandeln und über Therapiemöglichkeiten wie eine Hormonmedikation oder die Einnahme von Schmerzmitteln aufzuklären.
Andere Endometriose-Diagnosewege sind günstiger
Ein weiterer Nachteil der Speicheltests seien die Kosten: 800 Euro, die die Krankenkasse aktuell nicht übernehmen. „Der Preis ist auch einfach nicht verhältnismäßig“, findet Mechsner. „Das ist wirklich viel Geld! Zum Vergleich: Für eine einstündige Beratung können niedergelassene Ärzte maximal 47 Euro mit den Krankenkassen abrechnen und für eine ambulant durchgeführte Magenspiegelung 300 Euro.“
Auch interessant:Biomarker-Test erhöht die Überlebenschancen bei Brustkrebs
In der Berliner Charité jedenfalls kommt der Speicheltest wohl also vorerst nicht zum Einsatz. Außerdem gebe es wichtigere Punkte, in die investiert werden müsste als in ein überteuertes Produkt, das zwar recht unkompliziert Antworten liefert, aber auch viele Fragezeichen hinterlässt, erklärt Mechsner. Beispielsweise die Versorgungslage sollte ausgebaut werde und niedergelassene Ärzte die Möglichkeit bekommen, sich intensiver mit ihren Patientinnen auseinander zu setzen als bisher.