Berlin. Die Untersuchung per Fotos wird bereits von vielen Kassen bezahlt. Das sind die Vorteile und die Grenzen des Ferndiagnose-Verfahrens.
Bei Hautproblemen zeitnah einen Termin bei der Hautärztin oder dem Hautarzt zu bekommen, ist oft nicht einfach – schon gar nicht auf dem Land. Verschiedene Online-Dienstleister bieten nun eine Alternative zum klassischen Arztbesuch an: Man fotografiert die betroffene Hautstelle, lädt die Bilder in einer App oder auf einer Webseite hoch und bekommt kurze Zeit später eine Diagnose und eine Therapieempfehlung. Terminvereinbarungen, An- und Abfahrtswege sowie nervige Wartezeiten bleiben einem erspart.
Aber können solche Onlineangebote wirklich die persönliche Untersuchung durch eine Ärztin oder einen Arzt ersetzen? Der Dermatologe Stephan Rietz von der Hautklinik der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz hat sich intensiv mit den Möglichkeiten der Fernbehandlung in der Dermatologie beschäftigt und meint: „Für einige Hautkrankheiten ist das durchaus eine Sache, die man machen kann und die auch Behandlungslücken schließen kann. Denn wir müssen damit rechnen, dass im ländlichen Bereich künftig nicht nur Hausärzte, sondern auch immer mehr Fachärzte wie Dermatologen fehlen werden.“
Eine Behandlung ausschließlich über das Internet, ohne dass Arzt und Patient persönlich in Kontakt treten, war in Deutschland lange nicht erlaubt. 2018 wurde dieses sogenannte Fernbehandlungsverbot aber abgemildert. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien wie das Internet ist jetzt im Einzelfall erlaubt, wenn der Arzt oder die Ärztin das für vertretbar hält. Voraussetzung ist, dass der Arzt ebenso sorgfältig den Befund erhebt, berät, behandelt und dokumentiert, wie er es in der Praxis tun würde. Lesen Sie auch: Erektionsstörungen – App soll impotenten Männern helfen
Hauterkrankungen: Das ist für Ferndiagnose notwendig
Diese berufsrechtliche Regeländerung ermöglichte es Online-Unternehmen, bestimmte ärztliche Leistungen auch über das Internet anzubieten, zum Beispiel die Diagnose von Hauterkrankungen.
Bisher mussten solche Online-Hautchecks allerdings selbst bezahlt werden. Doch die verschiedenen Anbieter streben eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung an. Verträge mit verschiedenen Krankenkassen bereits abgeschlossen hat der Anbieter OnlineDoctor. „Patientinnen und Patienten, die bei diesen Krankenkassen versichert sind, können sich bei uns kostenlos online zu ihren Hautproblemen beraten lassen“, sagt Max Tischler. Der niedergelassene Hautarzt aus Dortmund ist auch der Medizinische Direktor von OnlineDoctor.
Auf der Webseite des Unternehmens leitet ein durch künstliche Intelligenz gestützter Chatroboter die Patienten durch einen Fragenkatalog. Gefragt wird dabei nach den aktuellen Beschwerden, aber auch nach Allergien, Vorerkrankungen und anderen Daten, die wichtig für eine Diagnose sein können. Am Ende lädt der Patient oder die Patientin drei Bilder hoch, die das Hautproblem aus unterschiedlichen Winkeln zeigen.
Rezepte stellen die Online-Anbieter nicht aus
„Wir arbeiten mit 400 Hautärzten aus ganz Deutschland zusammen, die alle auch eigene dermatologische Praxen haben“, sagt Tischler. Aus diesen Ärztinnen und Ärzten können sich die Patienten eine Behandlerin oder einen Behandler für ihren Fall auswählen, zum Beispiel einen Arzt in der Nähe oder eine Ärztin, die sie bereits kennen. Nach spätestens 48 Stunden erhalten sie dann schriftlich eine Diagnose, Informationen zu ihrer Hauterkrankung und eine Empfehlung für die Therapie.
Ein Kassenrezept für ein Medikament ausstellen können die Online-Anbieter allerdings nicht. Benötigen die Patienten ein Kassenrezept, müssen sie immer noch die Praxis des Arztes aufsuchen, um ihre Gesundheitskarte einlesen zu lassen. Privatrezepte sind dagegen möglich.
Laut dem Anbieter OnlineDoctor können die Probleme aber in den meisten Fällen rein digital gelöst werden. „Nur bei etwa 15 Prozent der Patienten lautet die Empfehlung, mit der Erkrankung doch eine Hautarztpraxis vor Ort aufzusuchen“, sagt Tischler.
Für den Dermatologen Rietz liegt der große Vorteil der Online-Angebote vor allem darin, unkompliziert und schnell herauszufinden, ob es sich bei einem Hautproblem um etwas Relevantes handelt, um das man sich kümmern sollte. Oder ob es nur ästhetisch störend ist, aber keine Gefährdung darstellt. „Solche Dinge kann man gut anhand einiger hochgeladener Bilder abklären lassen“, so der Hautarzt.
Ferndiagnose: Vorteile und Nachteile
Grundsätzlich bieten sich für Ferndiagnosen Erkrankungen an, die nicht gefährlich und nicht übermäßig zeitkritisch sind. „Und das ist in der Dermatologie häufig der Fall“, sagt Rietz. Gute Beispiele seien die Neurodermitis, das atopische Ekzem und die Schuppenflechte.
Die Grenze würde der Mainzer Dermatologe beim schwarzen Hautkrebs ziehen. „Wenn ein Patient von einem Pigmentmal wissen möchte, ob es gut- oder bösartig ist, lässt sich das eigentlich nur mit einer Auflichtmikroskopie sicher sagen. Das kann selbst die beste Handykamera nicht ersetzen.“
In solchen Fällen könne die Empfehlung des Online-Anbieters nur lauten, dass der Patient sich in einer Hautarztpraxis vor Ort vorstellen soll. „Und es liegt in der Verantwortung des online behandelnden Arztes, dies dann auch möglich zu machen“, betont Rietz.
Tischler, der selbst Patientinnen und Patienten über OnlineDoctor behandelt, sieht in dem Angebot auch neue Möglichkeiten für die Behandlung chronischer Erkrankungen. Aktuell werde es vor allem von Patientinnen und Patienten mit einem neu aufgetretenen Hautproblem genutzt. Er selbst verwendet das System aber auch häufig für Verlaufskontrollen bei seinen eigenen Patientinnen und Patienten. „So müssen die chronisch Erkrankten, etwa mit Schuppenflechte, Neurodermitis, Akne, für das klassische Kontrollgespräch nicht mehr extra in die Praxis kommen, zumindest nicht jedes Mal“, sagt er.
Online-Arztbesuch: Diese Anbieter gibt es
Es gibt verschiedene Anbieter, die in Deutschland über das Internet oder mobile Apps dermatologische Leistungen anbieten. Der erste Anbieter, dessen Kosten von verschiedenen Krankenkassen übernommen werden, ist das Hamburger Unternehmen OnlineDoctor. Kostenlos ist die Online-Beratung auf der Webseite dort bislang für rund 26 Millionen Deutsche, die bei 40 der 97 gesetzlichen Krankenkassen versichert sind. Ob auch Ihre Krankenkasse die Kosten übernimmt, erfahren Sie auf der Webseite.
Auch andere Anbieter stehen in den Startlöchern. Das Düsseldorfer Unternehmen dermanostic etwa bietet eine Hautarzt-Behandlung per App an und will noch diesen Sommer die ersten Verträge mit einigen großen gesetzlichen Kassen abschließen.