Hamburg. Wann ist es ratsam und wann dringend geboten? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zur Vorbeugung.
Die Hochsaison für Infektionen mit Influenza-Viren beginnt in der Regel zwar erst im Januar. Trotzdem kann es sinnvoll sein, sich schon im Oktober oder November gegen Grippe impfen zu lassen, um rechtzeitig geschützt zu sein, so die Hamburger Gesundheitsbehörde. Denn nach der Impfung dauert es zehn bis 14 Tage, bis der Impfschutz vollständig aufgebaut ist.
Welche Menschen besonders gefährdet sind, für wen eine Impfung empfohlen wird und was man zur Vorbeugung tun kann – die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was unterscheidet eine Grippe vom unkomplizierten Atemwegsinfekt?
Bei einer Grippe fühlen sich die Betroffenen von jetzt auf gleich sehr krank, im Gegensatz zu einer Erkältung, die sich eher schleichend bemerkbar macht und unter anderem von Rhino- und Coronaviren hervorgerufen wird, erläutert Prof. Martin Scherer, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am Uniklinikum Eppendorf (UKE). Bei einer Grippe ist das Fieber meist hoch (über 38,5 Grad), und es dauert drei bis vier Tage – bei einer Erkältung ist es meist mäßig. Kopfschmerzen sind bei einer Grippe häufig und stark ausgeprägt, während sie bei einer Erkältung nur teilweise auftreten und leichter ausgeprägt sind; auch Gliederschmerzen und Abgeschlagenheit treten bei einer Influenza-Infektion stärker auf als bei einer Erkältung.
Wer sollte sich impfen lassen?
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt den aktuellen Vierfachimpfstoff für alle Personen ab 60 Jahren, für Schwangere im zweiten Schwangerschaftsdrittel, für Menschen mit vorbestehenden Erkrankungen, die ein hohes Risiko für Komplikationen oder eine Verschlechterung ihrer Grunderkrankung haben, und für gefährdete Berufsgruppen wie zum Beispiel medizinisches Personal. Dass die Stiko die Grippeimpfung nur für bestimmte Personengruppen empfehle, bedeute nicht, dass sie von einer Influenza-Impfung anderer Personen abrate, so die Hamburger Gesundheitsbehörde. „Bei Bedarf sollte geklärt werden, ob die Krankenkasse die Kosten übernimmt.“
Welche Nebenwirkungen kann eine Grippeimpfung haben?
Die häufigste Nebenwirkung sei ein Schmerz im Oberarm, sagt Martin Scherer. Etwas seltener seien grippeähnliche Symptome wie leichtes Fieber, Frösteln, Schwitzen, Müdigkeit, Kopf- und Gliederschmerzen. Äußerst selten seien schwere Komplikationen, die etwa bei Menschen mit Hühnereiweißallergie auftreten. All die genannten Nebenwirkungen seien beim Vierfachimpfstoff nicht häufiger als beim Dreifachimpfstoff, sagt Scherer.
Ist eine Grippeimpfung auch für Kinder sinnvoll?
„Wir empfehlen die Grippeimpfung grundsätzlich vorwiegend für Kinder mit chronischen Erkrankungen“, sagt Dr. Stefan Renz, Vorsitzender des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in Hamburg. Wenn das Kind jünger als neun Jahre ist und noch nie gegen Grippe geimpft wurde, sollte nach frühestens vier Wochen eine zweite Dosis verabreicht werden. Der Schutz setze nach zwei bis drei Wochen ein. Der Vierfachimpfstoff ist ab sechs Monaten zugelassen.
Gibt es genügend Impfstoff?
Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung in Hamburg kann die Menge der von den Praxen angeforderten Grippeimpfstoffmengen für diese Saison 2019/2020 nicht beziffert werden. Der Grund: Die (Vor)Bestellungen der Praxen laufen über Apotheken an Großhandlungen und Hersteller oder an die Hersteller direkt. „Wir können nur später sagen, wie viele Impfungen abgerechnet wurden, bzw. die Kassen können sagen, wie viele Grippeimpfstoffdosen bei ihnen abgerechnet wurden“, sagt Jochen Kriens, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg.
Sind spezielle Grippemedikamente empfehlenswert?
Bekannt sind die verschreibungspflichtigen Medikamente Relenza und Tamiflu, die ein Virus-Enzym blockieren und dadurch die Ausbreitung der Erreger im Körper verhindern sollen. Wenn diese Arzneien überhaupt wirken sollen, müssten sie aber spätestens 36 Stunden nach den ersten Symptomen eingenommen werden, sagt Martin Scherer vom UKE. Diese Arzneien wirkten nicht gegen unspezifische grippale Infekte, haben nur geringe Effekte auf die Vorbeugung einer Grippe, und sie könnten Nebenwirkungen haben, etwa Übelkeit und Erbrechen. UKE-Experte Martin Scherer: „Im Regelfall kann man auf eine Behandlung mit speziellen Grippemedikamenten verzichten.“
Wie stark verliefen Grippewellen zuletzt?
In der Saison 2018/19 verzeichnete das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin rund 182.000 Erkrankungen deutschlandweit, 954 Menschen starben infolge einer Grippe-Infektion. Deutlich stärker verlief die Grippewelle in der Saison 2017/18 mit fast 330.000 gemeldeten Erkrankungs- und 1674 Todesfällen. Etwa die Hälfte aller Todesfälle treten bei über 80-Jährigen auf, bei Menschen also, deren Immunsystem weniger leistungsfähig ist. Am zweithäufigsten von Grippe-Todesfällen betroffen ist die Gruppe der 60- bis 79-Jährigen.
Was hilft außer einer Influenza-Impfung, eine Grippe zu vermeiden?
Schützen kann insbesondere regelmäßiges Händewaschen, sagt Scherer. Eine ausgewogene Ernährung – vor allem mit Vollkornprodukten, Gemüse und Obst– stärke das Immunsystem. Für Probiotika, Zink, Vitamin-D-Präparate, Knoblauch-Tabletten und Ginseng gebe es keine Nachweise, dass solche Nahrungsergänzungsmittel vor Grippe schützen könnten. Einen wichtigen Beitrag für ein wehrhaftes Immunsystem könne dagegen regelmäßige Bewegung leisten, also Sport aller Art.