Die beschwerlichen Wochen für Allergiker haben bereits begonnen. An einigen Orten ist der Pollenflug bereits kritisch. Experten warnen: Heuschnupfen wird nur bei jedem zehnten Patienten richtig behandelt.
Berlin/Hamburg. So früh kamen die Hasel-Pollen offenbar noch nie in die Luft. Und das liegt am warmen Wetter – auch wenn es in den vergangenen Tagen wieder kälter wurde. Für Allergiker ist diese Witterung gewöhnungsbedürftig. Denn normalerweise fliegen die Frühblüter erst später. In diesem Jahr allerdings sind bereits in Niedersachsen, im Rhein-Main-Gebiet, im Neckartal und am Oberrhein Hasel-Pollen in messbarer Konzentration in der Luft. Darauf weist auch der Polleninformationsdienst hin.
Früher als sonst ist die Pollen-Plage gestartet. Das Kribbeln in der Nase und das Jucken an den Augen geht bereits los. Geniest wird allerorten bereits. „Es gibt Leute die sagen: Ende November hat mein Heuschnupfen doch gerade erst aufgehört und jetzt fängt es wieder an“, berichtet der Mannheimer Allergologe Professor Ludger Klimek.
Das hat auch der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB) gemerkt. Die ersten Anfragen von geplagten Pollenallergikern kamen schon im Dezember. „Es sieht so aus, dass es die ersten Beschwerden schon Weihnachten gegeben hat“, sagt Patientenberaterin Anja Schwalfenberg.
Der Eindruck täuscht nicht. Früher hat die Hasel erst im Februar geblüht. „Es gibt immer mehr Jahre, in denen die Haselnusspollen teilweise schon Ende Dezember fliegen, die allerersten in bestimmten Regionen“, sagt Professor Karl-Christian Bergmann, Allergologe und Vorstand der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst. Das Saarland und das Rhein-Ruhr-Gebiet seien bei den Ersten, Hamburg sei immer später als München.
Die Birke sei im Schnitt auch zwei Wochen früher dran. Dieser Baum kann für Allergiker eine große Rolle spielen: 50 Prozent der Summe aller Baumpollen, die bei Pollenallergikern Heuschnupfen auslösen, stammen laut Bergmann von der Birke. Patienten, die auf Baumpollen allergisch reagierten, bemerkten den früheren Pollenflug.
Blüte von Beifuß und Ambrosia dauert länger
Die Blühzeit für Gräserpollen von Ende Mai bis Mitte Juli sei geblieben. Aber die Blühzeit für Kräuterpollen wie Beifuß und Ambrosia gehe länger, bis in den Oktober rein, erläutert der Allergologe. Bis in den November hinein wurden vom DAAB auch noch blühende Brennnesseln gesichtet.
Der Polleninformationsdienst misst seit 30 Jahren den Pollenflug an 45 Stellen in Deutschland und bietet eine kostenlose Pollen-App an. Damit können Allergiker für ihren Standort eine Pollenvorhersage bekommen. Und wenn sie dazu noch einige Tage ihre persönliche Sensibilität auf den Pollenflug eingeben, sagt ihnen das System, wie stark sie auf die Pollenbelastung reagieren werden. Die Anwendung hat mittlerweile 60.000 Nutzer.
Immer mehr Patienten haben mehrere Allergien
Der Allergologe Klimek kennt noch die Regel von früher, dass Pollenallergiker vier bis sechs Wochen im Jahr Beschwerden haben. Heute sei das teilweise umgekehrt. „Die Zahl derjenigen, die auf verschiedene Pollen reagieren, hat dramatisch zugenommen“, sagt der Mediziner.
Wer auf eine Pollenart reagiere, habe tendenziell ein Risiko, dass dies auch für weitere Pollen gelte. „Es ist letztlich eine Eigenschaft der Immunreaktion, dass der Körper im Laufe der Zeit auf immer mehr Dinge allergisch reagiert“, sagt Klimek. Verschnaufpausen können dadurch kürzer werden.
Zum Kribbeln kommen Entzündungen und Kopfschmerzen
Bei den Patienten, die während der ganzen Blütezeit Beschwerden haben, sieht Klimek drei Phasen: zuerst eine starke Reaktion auf die ersten Pollen. Die Reaktion lässt dann etwas nach, aber es kommt zu Entzündungen in den Schleimhäuten. „Die Betroffenen haben dann zusätzlich Kopfschmerzen, eine verstopfte Nase, gereizte Schleimhäute, die sich wie wund anfühlen“, sagt Klimek.
Trotzdem würden aber nach einer aktuellen Untersuchung nur 10 Prozent der Allergiker medizinisch richtig behandelt, sagt DAAB-Patientenberaterin Schwalfenberg. Allergien würden oft nicht ernst genug genommen, auch von Ärzten und Krankenkassen. „Allergie ist keine Bagatell-Erkrankung“, stellt sie dagegen fest. Werde diese nicht behandelt, könne daraus Asthma entstehen.