Einem Arztreport zufolge leiden immer mehr Kinder an ADHS. Die Therapiekosten übersteigen dabei die Ausgaben für Medikamente bei weitem.

Hamburg/Berlin . Es sind nicht die Medikamente, die bei der Behandlung von Kindern mit Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) den Löwenanteil der Kosten ausmachen, sondern begleitende Therapien. Dies teilte die Techniker Krankenkasse (TK) am Dienstag in Hamburg mit. Die TK bezog sich auf Ergebnisse einer eigenen Studie, für die sie mit den Universitäten Hannover und Bielefeld zusammengearbeitet hatte. Ausgewertet wurde das Zahlenmaterial von bundesweit über 30.000 ADHS-Patienten von 6 bis 18 Jahren, die bei der Techniker Krankenkasse zwischen 2006 und 2008 versichert waren.

Nach Angaben der TK liegen die Ausgaben für Verhaltenstherapie und Heilmittel wie etwa Ergotherapie bei zusammen 44 Prozent der Kosten. Hierfür würden pro Jahr und Patient rund 1700 Euro zu Buche schlagen, sagte Studienleiter Professor Roland Linder laut Mitteilung. Für Arzneimittel wie Ritalin gaben die Kassen pro minderjährigem ADHS-Patient und Jahr etwa 480 Euro aus – zwölf Prozent der Gesamtkosten. Insgesamt belaufen sich die Ausgaben demnach auf 3888 Euro. Nach den Therapien folgten nach TK-Angaben die Ausgaben für die ambulante Behandlung (22 Prozent) und die stationäre Versorgung (21 Prozent). Grund: ADHS-Kinder leiden häufiger an Begleiterkrankungen, sind öfter depressiv und verletzen sich häufiger.

Nach dem von der Krankenkasses Barmer GEK am Dienstag in Berlin vorgestellten Arztreport 2013 stieg die Zahl diagnostizierter Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) zwischen 2006 und 2011 von 2,92 auf 4,14 Prozent. Das entspricht einem Zuwachs von 42 Prozent. Bei Jungen wurde demnach ADHS deutlich häufiger als bei Mädchen festgestellt: In der Altersgruppe bis 19 Jahre erhielten 472.000 Jungen und 149.000 Mädchen diese Diagnose.

Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Rolf-Ulrich Schlenker, zeigte sich besorgt über die Entwicklung. „Dieser Anstieg erscheint inflationär. Wir müssen aufpassen, dass ADHS-Diagnostik nicht aus dem Ruder läuft und wir eine ADHS-Generation fabrizieren“, betonte Schlenker. Pillen gegen Erziehungsprobleme seien der falsche Weg: „Ritalin darf nicht per se das Mittel der ersten Wahl sein.“

Die Verordnungsraten von Methylphenidat, besser bekannt unter dem Handelsnamen Ritalin, seien zwischen 2006 und 2011 gestiegen, wobei die Menge der verordneten Tagesdosen nach 2010 erstmals zurückging. Die höchsten Verordnungsraten finden sich im Alter von elf Jahren. In diesem Alter erhielten 2011 rund sieben Prozent der Jungen und zwei Prozent der Mädchen eine Verordnung.

Insgesamt wurde Methylphenidat rund 336.000 Personen verschrieben. Im Laufe der Kindheit und Jugend dürften damit laut Arztreport schätzungsweise 10 Prozent aller Jungen und 3,5 Prozent aller Mädchen mindestens einmal Methylphenidat erhalten.