Mediziner aus Afrika arbeiten oft in Industrieländern. Denn dort herrscht Ärztemangel. Für die ärmsten Länder hat das gravierende Folgen.

Frankfurt/Main. Sebastian Dietrich fand nur leere Betten vor, als er mit einem Team von „Ärzte ohne Grenzen“ in einem Krankenhaus im Osten des Tschad ankam. Es gab dort, mitten in Afrika, kaum Patienten, nur wenige Pfleger und keinen einzigen Arzt. Der Tschad ist kein Einzelfall. Der weltweite Mangel an Medizinern trifft die ärmsten Länder am härtesten.

„Wenn wir ein Projekt beginnen, finden wir oft keine Ärzte im weiten Umkreis“, berichtet Dietrich, der „Ärzte ohne Grenzen“ in medizinischen Fragen berät. Kliniken werden in armen Ländern häufig nur von Krankenschwestern oder -pflegern geführt. Und auch von denen gibt es zu wenige.

Wenn ausländische Ärzte eintreffen, ist das Krankenhaus sofort voll belegt. Das hat Dietrich mehrfach beobachtet. Zuvor seien die Kranken aus Resignation kaum noch gekommen, sagt er. Denn die Pfleger sind nicht immer gut ausgebildet. Außerdem fehlen Geräte und Medikamente. Anderswo haben die wenigen Pfleger so viele Patienten, dass sie kaum alle versorgen können. Vielen Kranken bleibe da nur der Gang zum traditionellen Heiler, der ihnen Kuhdung oder Kräuter auflegt, berichtet Dietrich.

Weltweit fehlen nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 4,3 Millionen Fachkräfte im Gesundheitsbereich, aber in den ärmsten Ländern ist der Mangel besonders groß. Im Tschad kommt statistisch gesehen auf 25.000 Menschen nur ein Arzt. In Deutschland steht ein Arzt etwa 280 Patienten gegenüber. 2006 benannte die WHO 57 Länder, in denen der Mangel besonders kritisch ist. Davon liegen 36 in Afrika südlich der Sahara. Die Folge: Heilbare Krankheiten führen dort häufig zum Tod – etwa Lungenentzündung oder Durchfall.

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Weil in armen Staaten oft seit Jahren zu wenig Geld ins Gesundheitssystem fließt, bilden die wenigsten genügend Fachkräfte aus. „Einige Länder haben keine eigene Hochschule, an der Medizin unterrichtet wird“, sagt Carmen Dolea, Expertin für Gesundheitspersonal bei der WHO.

Auch für eine ausreichende Bezahlung der Ärzte ist oft kein Geld da. Das geringe Gehalt und die schlechten Arbeitsbedingungen verschärfen die Unterversorgung weiter: Immer mehr Mediziner wandern deswegen aus. 2006 arbeitete laut WHO einer von vier afrikanischen Ärzten in einem Industrieland.

In reichen Ländern werden sie mit offenen Armen empfangen, schließlich fehlen auch dort Mediziner. „Das Problem ist, dass es in westlichen Ländern nicht als unanständig gilt, Gesundheitspersonal aus Ländern abzuwerben, die selbst kaum Fachkräfte haben“, kritisiert Medizin-Berater Dietrich.

In Deutschland kamen Ende 2010 nach Angaben der Bundesärztekammer rund sechs Prozent aller gemeldeten Ärzte aus dem Ausland. Die Tendenz ist steigend. Damit liegt Deutschland aber weit hinter englischsprachigen Staaten: So sind nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 38 Prozent aller Ärzte in Großbritannien im Ausland ausgebildet worden.

International wird nach Lösungen für den Medizinermangel gesucht. Die WHO hat 2010 einen Kodex zur Migration verabschiedet. Darin empfiehlt sie Industrienationen, keine Ärzte aus Entwicklungsländern abzuwerben. Alle Länder sollen außerdem langfristig ausreichend Mediziner ausbilden, um ihren Bedarf selbst zu decken. Entwicklungsländer benötigten dabei internationale Unterstützung, heißt es in dem Kodex.

Damit Ärzte nach ihrer Ausbildung in armen Ländern bleiben, müssten dort die Arbeitsbedingungen, aber auch das Personalmanagement verbessert werden, sagt WHO-Expertin Dolea. Von den 4,3 Millionen fehlenden Medizinern werden laut WHO 1,8 Millionen in Management und Verwaltung benötigt. „Kein Gesetz kann oder will Migration verhindern“, betont Dolea. Sie habe auch positive Effekte für Entwicklungsländer. So schicken viele Auswanderer Geld an ihre Familien zu Hause und manche kehren nach einigen Jahren mit mehr Erfahrung zurück.