Berlins Gesundheitssenatorin Lompscher (Linke) warnt vor voreiligen Schlüssen. Schweriner Verbraucherschutzministerium untersucht Empfänger von Sprossen. 21 Todesfälle mit EHEC in Verbindung gebracht. Hygiene-Institut gleicht aktuelle EHEC-Gene mit früheren Bakterienstämmen ab.

Hamburg. Nachdem Sprossen als Träger des Darmkeims EHEC in Verdacht geraten sind, untersucht das Schweriner Verbraucherschutzministerium jetzt mögliche Empfänger des Sprossengemüses aus Niedersachsen in Mecklenburg-Vorpommern. Eine Liste der Betriebe, die Sprossen aus der Gärtnerei aus Bienenbüttel bei Uelzen erhielten, werde erwartet, sagte eine Ministeriumssprecherin am Montag. Nach Angaben des niedersächsischen Landwirtschaftsministers Gert Lindemann (CDU) wurden Sprossen direkt oder über Zwischenhändler an Restaurants und Handelseinrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Niedersachsen geliefert.

Nochmals besucht würden auch Restaurants, in denen EHEC-Patienten vor ihrer Erkrankung gegessen hatten, sagte die Sprecherin. Einen Produzenten von Sprossen gibt es nach ihrem Wissen in Mecklenburg- Vorpommern nicht.

Möllner Sprossen-Händler belieferte mehrere Betriebe

Ein Sprossen-Zwischenhändler in Mölln (Herzogtum Lauenburg) hat neben dem unter EHEC-Verdacht stehenden Lübecker Restaurant noch weitere Betriebe in Schleswig-Holstein beliefert. Die möglicherweise EHEC-belasteten Sprossen stammten von dem zurzeit untersuchten Biohof in Niedersachsen und wurden auf dem Hamburger Großmarkt gekauft, wie die Geschäftsführerin des Handelsbetriebs, Johanna Tramm, am Montag der Nachrichtenagentur dpa sagte. "Wir haben eine Rückrufaktion für die Sprossen gestartet und warten jetzt auf die Laborergebnisse.“ Das Veterinäramt Mölln habe am Sonntagabend Proben der Sprossen genommen und die restliche Ware versiegelt oder vernichtet. Wie viele Sprossen der Betrieb ausgeliefert habe und an welche Kunden, darüber habe sie keinen Überblick, sagte Tramm.

Entwarnung im "Kartoffelkeller"

Entwarnung für die Mitarbeiter des Lübecker Restaurants "Kartoffelkeller“: Ihre Stuhlproben sind ohne EHEC-Befund. "Die Proben der elf Mitarbeiter in der Küche, die direkten Kontakt mit den Lebensmitteln haben, sind negativ“, sagte Inhaber Joachim Berger am Montag. Die Untersuchung eines Labors in Lübeck habe ergeben, dass keiner der Mitarbeiter mit dem Darmkeim infiziert sei. Nachdem am Sonntag bekanntgeworden war, das Sprossen möglicherweise eine Ursache der EHEC-Erkrankungen sein könnten, wurden nach Angaben von Berger alle Sprossenvorräte in dem Restaurant versiegelt oder vernichtet. Das Gesundheitsamt Lübeck nahm außerdem eine Lebensmittelprobe. Über einen Möllner Zwischenhändler hatte das Lokal auch Sprossen des verdächtigen Biohofs in Niedersachsen bezogen.

Forscher gleichen EHEC-Stämme ab

Unterdessen haben Wissenschaftler in Münster mit einem Abgleich der Gene des aktuellen EHEC-Erregers und einem früheren Stamm begonnen. Die Forscher erhoffen sich von dem Vergleich "wertvolle Hinweise darüber, was den aktuellen Ausbruchsstamm so aggressiv macht“, sagte Alexander Mellmann vom Institut für Hygiene in Münster am Montag. "Zum jetzigen Zeitpunkt erwarten wir allerdings noch keine unmittelbar diagnostisch oder gar therapeutisch verwertbaren Ergebnisse aus der Analyse.“

Die Untersuchungen sollen den Angaben zufolge zeigen, warum und in welcher Form sich der aktuelle Erregerstamm, HUSEC041 (O104:H4), gegenüber einem zehn Jahre alten Erregertyp verändert hat. So verfügt der aktuelle Ausbruchsstamm zum Beispiel über eine neue Antibiotikaresistenz.

Lompscher warnt vor Spekulationen bei Suche nach EHEC-Quelle

Berlins Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) hat bei der Suche nach der Quelle des EHEC-Erregers vor voreiligen Schlüssen gewarnt. "Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen, es gelten weiterhin besondere Vorsicht bei frischem Gemüse und die entsprechenden Hygienemaßnahmen“, sagte sie am Montag auf dapd-Anfrage. Auffällig sei aber, dass sich viele der Erkrankten in Norddeutschland infiziert hätten.

Demgegenüber betonte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) am Montag, dass der Verursacher der gefährlichen Darmkrankheit trotz der Hinweise auf Sprossengemüse aus Niedersachsen noch nicht feststehe. Es müssten noch die Bestätigung der Labortests abgewartet werden, die voraussichtlich am Dienstag vorlägen. Bis dahin könne noch keine Entwarnung gegeben werden.

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) werden in Deutschland mittlerweile 21 Todesfälle mit EHEC in Verbindung gebracht. Bundesweit seien inzwischen mehr als 1.500 EHEC-Fälle sowie mehr als 620 HUS-Fälle gemeldet worden.

Japanischer Astronaut plant Gurkenzucht im Weltall

Ein japanischer Astronaut will der EHEC-Krise zum Trotz schon bald erste Gurken im Weltall ernten. Der Versuch sei Teil einer Studie darüber, inwiefern Raumfahrer bei künftigen Missionen ihre Nahrung selbst produzieren könnten, sagte Satoshi Furukawa am Montag am Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan.

Gemeinsam mit seinem russischen Kollegen Sergej Wolkow und dem NASA-Astronauten Michael Fossum wird Furukawa am Mittwoch für eine sechsmonatige Mission zur Internationalen Raumstation ISS aufbrechen. Während Japan dabei mit dem Anbau von Gurken experimentieren werde, plane Russland die Zucht von Tomaten, sagte Wolkow. Im Falle einer erfolgreichen Ernte sei es den Teilnehmern der Mission allerdings nicht erlaubt, das Weltraum-Gemüse zu verzehren.

Gurken aus Spanien waren in der vergangenen Woche zunächst als mutmaßliche Ursache für die EHEC-Krise genannt worden, auch vor dem Verzehr roher Tomaten wurde gewarnt. An den Folgen der EHEC-Infektionswelle sind nach Angaben des Robert-Koch-Instituts deutschlandweit bisher 21 Menschen gestorben. (dapd/dpa)