Entschädigungsforderungen von Patienten steigen zunehmend. 2011 wurden 99 Todesfälle wegen Behandlungsfehlern verzeichnet.

Berlin. Hüft- und Knieoperationen ziehen weiterhin die meisten Beschwerden von Patienten wegen Behandlungsfehlern nach sich. Das geht aus den Statistiken der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen hervor, die die Bundesärztekammer am Dienstag in Berlin vorstellte. Demnach haben sich 2011 mehr als 11.100 Patienten mit Gesundheitsschäden an eine Schlichtungsstelle gewendet, um eine Entschädigung zu beanspruchen. 2010 waren es rund 100 weniger.

In etwa 7.450 Fällen wurde eine Entscheidung gefällt. In etwas mehr als einem Viertel dieser Fälle (1.901 Fälle) stellten die Gutachter einen Behandlungsfehler fest, der unmittelbar im Zusammenhang mit den Problemen des Patienten stehe. In weiteren 386 Fällen erkannten die ärztlichen Stellen einen Behandlungsfehler oder mangelnde Risikoaufklärung, aber keinen Zusammenhang zu den Beschwerden des Patienten.

In den meisten Fällen, bei denen ein Zusammenhang zu den ärztlichen Fehlern erkennbar war, machten die Ärzte vorübergehende leichte Schäden aus (740 Fälle), gefolgt von dauerhaften leichten Schäden (525 Fälle). 99 Patienten starben infolge von Behandlungsfehlern.

Wie bereits in den Vorjahren ging es bei den meisten Beschwerden um Fehler bei Operationen, vor allem am Knie- und Hüftgelenk, gefolgt von gebrochenen Unterarmen, Unterschenkeln oder Sprunggelenken. Rückgängig war hingegen die Zahl der Beschwerden wegen unzureichender Behandlung von Brustkrebs, etwa weil ein Gynäkologe eine Patientin zu spät zur Mammografie geschickt hatte oder der Krebs nicht rechtzeitig erkannt wurde. Hier gab es 2011 nur 15 Fälle.

Etwa neun Prozent der Patienten wandten sich nach dem Schlichtungsverfahren zusätzlich noch an Gerichte. In rund 90 Prozent der Fälle gaben diese den Schlichtungsstellen recht.

Die Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen der Ärztekammern kümmern sich um geschätzt ein Viertel aller vermuteten Fälle, in denen ein Arzt für Behandlungsfehler haftbar gemacht werden soll. Das Prüfverfahren ist für Patienten kostenlos. Dass die Zahl der Beschwerden zunimmt, erklären Ärzte mit einem wachsenden Bewusstsein für Patientenrechte.

Den Gesetzlichen Krankenkassen reicht indes die Rechtslage bei ärztlichen Behandlungsfehlern nicht aus. Gernot Kiefer, Vorstand des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), sprach sich in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstagsausgabe) für eine erleichterte Beweislast von Seiten der Patienten aus. Patienten sollten nur belegen müssen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dass sie einen Schaden erlitten haben. Anders als heute sollten die behandelnden Ärzte oder Kliniken nach Kiefers Ansicht dann im Zweifel beweisen, dass der Behandlungsfehler nicht ursächlich für den Schaden verantwortlich war.

Die Bundesregierung plant ein neues Patientenrecht, das ab 2013 dafür sorgen soll, dass Kranke ihre Rechte kennen und gegen Behandlungsfehler vorgehen können. Nur bei „groben Fehlern“ soll demnach künftig der Arzt in der Beweispflicht sein. Kranken- und Pflegekassen werden künftig verpflichtet, ihre Versicherten bei Schadenersatzansprüchen zu unterstützen, beispielsweise, indem sie Gutachten bestellen und bezahlen.

Maria Klein-Schmeink von der Grünen-Bundestagsfraktion wies darauf hin, dass die Schlichtungsverfahren freiwillig seien. Viele Betroffene blieben daher auf den Gang vor das Gericht angewiesen. Es reiche nicht, die Beweislast nur für „grobe“ Behandlungsfehler umzukehren. Klein-Schmeink forderte auch einen Härtefallfonds für Patienten mit besonders schweren Schäden, bei denen unklar bleibe, ob ein Behandlungsfehler vorliegt.