Keine Angst vor Impfungen oder Antibiotika. Nur so können gefährliche Krankheiten verhindert und Infektionen behandelt werden.
Hamburg. Moritz ist vier Monate alt, ein fideles Kerlchen, gesund und zufrieden mit der Welt, so erzählt seine Mutter Sina Imhof. Heute ist sie in die Praxis gekommen, umihren Sohn impfen zu lassen. Mit großen blauen Augen verfolgt Moritz, was um ihn herum vor sich geht. Doch als Kinderarzt Dr. Hans-Ulrich Neumann den Impfstoff in seine Oberschenkel spritzt, beginnt Moritz zu weinen. Der Schmerz ist jedoch schnell vergessen, als seine Mutter ihm die Flasche gibt. "Jetzt ist der kleine Junge gut durchgeimpft", sagt Kinderarzt Neumann.
Der Mediziner hält die Impfungen, die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Berliner Robert-Koch-Institut empfohlen werden, für sehr sinnvoll. Dazu zählen Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung, Hämophilus Influenzae (Erreger von Hirnhautentzündungen), Keuchhusten, Hepatitis B, Pneumokokken (Erreger von Lungenentzündungen), Meningokokken, die Hirnhautentzündungen auslösen, Masern, Mumps und Röteln, Windpocken sowie für Mädchen die Impfung gegen Humane Papillomaviren, die als Auslöser von Gebärmutterhalskrebs gelten (ausführliche Erklärungen siehe Glossar).
Zusätzlich rät Neumann zur Impfung gegen Rotaviren, Erreger von Durchfallerkrankungen, ab der sechsten Lebenswoche. "Bei dieser Erkrankung, die vor allem kleine Kinder zwischen einem halben und drei Jahren betrifft, trocknen die Patienten schnell aus und müssen wegen des hohen Flüssigkeitsverlustes oft im Krankenhaus behandelt werden", sagt Neumann. Die STIKO hat die Impfung bereits für sinnvoll erklärt. Aber da die Kostenübernahme durch die Kassen noch nicht vollständig geregelt ist, müssen dieEltern das Geld (120 Euro) erst auslegen, die meisten Kassen erstatten aber die Kosten der Impfung.
Dass es nach Impfungen zu leichten vorübergehenden Nebenwirkungen kommt, ist nicht ungewöhnlich. "Bei zehn bis 15 Prozent der geimpften Kinder kommt es zu Fieber, das je nach Impfung ein bis zwei Tage andauern kann, und zu Schwellungen, Rötungen und Schmerzhaftigkeit an der Einstichstelle. Nach der Masernimpfung können in etwa zehn Prozent Fieber, gelegentlich auch abgeschwächte Masern auftreten", sagt Neumann.
Impfschäden, bei denen über längere Zeit Probleme auftreten, seien aber extrem selten geworden. Die Häufigkeit liege bei eins zu 1,2 Millionen. Deswegen hält Neumann die Furcht vieler Eltern davor für unbegründet: "Ich versuche sie davon zu überzeugen, dass es Impfschäden heute durch gut verträgliche Impfstoffe eigentlich nicht mehr gibt und dass die Impfungen das Immunsystem anregen, Antikörper zu bilden, und dadurch Krankheiten verhindern."
Eine andere Befürchtung einiger Eltern ist, dass das Kind zu stark belastet wird, wenn es gegen mehrere Infektionen gleichzeitig geimpft wird. "Auch diese Sorge ist unbegründet", sagtDr. Christoph Kemen, Oberarzt der Pädiatrie des Katholischen Kinderkrankenhauses Wilhelmstift. "Wenn das Kind draußen unterwegs ist oder in den Kindergarten geht, setzt es sich täglich mit vielen Keimen auseinander. Das Immunsystem nimmt dadurch keinen Schaden." Viele Eltern verschieben Impfungen, wenn ihre Kinder unter leichten Infekten leiden. Nach Ansicht von Neumann ist das jedoch unnötig. Nicht geimpft werden sollten Kinder, die hohes Fieber haben mit Temperaturen, die deutlich über 38,5 Grad liegen, oder die sich gerade von einer schweren Erkrankung erholen, wie etwa einer Lungenentzündung.
Vorsicht geboten ist auch bei Kindern, die wegen einer chronischen Erkrankung, wie zum Beispiel Rheuma, Medikamente bekommen, die das Immunsystem unterdrücken. "Dann sollte man zurückhaltend sein mit Impfstoffen, die abgeschwächte, aber lebende Erreger enthalten. Dazu zählen Impfstoffe gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken. Andere chronische Erkrankungen wie Asthma, Diabetes und Neurodermitis sind kein Hinderungsgrund für eine Impfung", sagt Neumann.
Doch die Zahl der Erreger, gegen die es eine Impfung gibt, ist winzig im Vergleich zu den Infekten, die Kinder überhaupt erleiden können. "Infektionen, mit denen Kinder in unsere Praxis kommen, sind vor allem Lungenentzündungen, Virusinfekte, Durchfallerkrankungen, Mittelohr- und Mandelentzündungen sowie Harnwegsinfekte", sagt Neumann, der eine Gemeinschaftspraxis mit zwei Kollegen betreibt. Nicht jeder Infekt muss unbedingt vom Arzt versorgt werden. Bei leicht erhöhten Temperaturen, einem leichten Atemwegsinfekt mit laufender Nase muss man nicht gleich zum Arzt, aber wenn akut hohes Fieber einsetzt, eventuell mit Husten oder Brennen beim Wasserlassen, mit Schluckbeschwerden oder starken Ohrenschmerzen oder Erbrechen, sollte ein Arzt aufgesucht werden, rät Neumann.
Eine Behandlung in der Klinik ist dann nötig, wenn die Überwachung oder Therapie ambulant nicht mehr gewährleistet ist. "Das ist am häufigsten der Fall, wenn die Kinder nicht mehr essen und trinken können und dann austrocknen, sodass sie Infusionen brauchen. Oder wenn sie Medikamente benötigen, die intravenös verabreicht werden, vor allem auch dann, wenn die Kinder so schlecht Luft bekommen, dass sie mit Sauerstoff versorgt und intensiv überwacht werden müssen", sagt Kemen. Im Säuglingsalter sei oft eine Bronchitis oder eine Lungenentzündung der Grund für eine stationäre Aufnahme, aber auch Neugeboreneninfektionen, bei denen man noch gar nicht genau wisse, welcher Erreger dahinterstecke, aber offensichtlich sei, dass es den Kindern nicht gut gehe, weil sie zum Beispiel hohes Fieber haben, zu wenig trinken und schlecht aussehen. Im Kleinkindalter zwischen einem und vier Jahren sind es oft Durchfallerkrankungen, bei denen es vor allem um Flüssigkeitsersatz geht, häufig aber auch Lungenentzündungen.
Auch bei den Schulkindern sind oft Atemwegsinfekte der Grund für eine stationäre Behandlung. "Erkrankungen, die man nur über die Vene behandeln kann, sind zum Beispiel Borreliose, die durch Zeckenbisse übertragen wird, Knocheninfektionen und die bakteriellen Hirnhautentzündungen", sagt Kemen. Bei Lungenentzündungen ist eine Behandlung mit Antibiotika nötig, die Kinder müssen inhalieren und erhalten Sauerstoff.
Vorbehalte vieler Eltern gegen Antibiotika hält Kemen für falsch: "Manche Eltern lehnen Antibiotika strikt ab, weil sie glauben, dass sich eine Resistenz entwickelt. Es ist aber in der Regel kein Risiko, wenn ich einem Kind für einige Tage ein Antibiotikum gebe."
Ansonsten setzen die beiden Experten, wenn möglich, auch auf alte Hausmittel: Bei Durchfall empfehlen sie zum Beispiel Hühnersuppe mit Reis und Möhren. Bei Ohrenschmerzen helfen einigen Kindern laut Kemen neben Nasentropfen und Schmerzmitteln auch Zwiebelsäckchen, die auf die Ohren gelegt werden. Bei Infektionen der Atemwege rät Neumann seinen Patienten, viel zu trinken, Tee oder warme Milch mit Honig, sowie zu Inhalationen mit Kamille.