Krebs ist heute häufig heilbar. Aber die Behandlungsmethoden können zu Unfruchtbarkeit führen. Schwangerschaft ist trotzdem nicht unmöglich.

Erlangen. Für die betroffenen jungen Frauen ist es ein doppelter Schlag: Sie sind von der Diagnose Krebs erschüttert und kämpfen um ihr Überleben. Gleichzeitig wissen sie, dass die vor ihnen liegende Chemotherapie sie unfruchtbar werden lassen kann und ihnen damit die Aussicht nimmt, jemals eigene Kinder zu bekommen.

Neue Verfahren in der Fortpflanzungsmedizin aber können diesen Frauen helfen: Ihnen werden vor der Krebstherapie Eizellen oder Eierstockgewebe entnommen und so lange eingefroren, bis die Krebsbehandlung abgeschlossen ist und sie als geheilt gelten.

„Dies stellt für die Frauen häufig eine Art hoffnungsvollen Rettungsanker dar“, sagt die Psychotherapeutin Hannelore Sinzinger vom Psychoonkologischen Dienst des Universitätsklinikums Erlangen. Den Frauen gehe durch den Kopf: „Es ist nicht alles verloren, ich kann trotz meiner Erkrankung noch ein Kind bekommen.“ Für viele bedeute dies ein Stück Normalität, so dass Ängste und Sorgen in Bezug auf den Kinderwunsch erst einmal in den Hintergrund treten könnten, sagt Sinzinger, die die Betroffenen oft über einen langen Zeitraum begleitet.

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Denn in der Regel vergehen mehrere Jahre, bevor eine sogenannte Reimplantation des entnommenen Gewebes oder der Eizellen stattfinden kann. „Wir sagen immer: mindestens zwei Jahre, meistens aber eher fünf“, sagt der wissenschaftliche Leiter der Reproduktionsmedizin am Uniklinikum Erlangen, Ralf Dittrich. In der Zwischenzeit wird das Gewebematerial in einer speziellen Tiefkühlanlage aufbewahrt, was die Patientinnen etwa 200 Euro im Jahr kostet. Generell ist ein großer Teil der Kosten von der Patientin selbst zu finanzieren.

Ob besser Eizellen entnommen werden oder Eierstockgewebe, hängt oft von der Art der Krebserkrankung ab und davon, wie viel Zeit die Patientin hat. Die Entnahme von Eizellen braucht deutlich mehr Zeit: „Zwischen drei bis sechs Wochen“, sagt Dittrich. Denn zunächst muss der Zyklus der Frau durch die Gabe von Hormonen stimuliert werden, so dass Eizellen heranreifen, die man dann entnehmen und einfrieren kann. Bis vor einigen Jahren wurden die Eizellen dann vor dem Einfrieren im Reagenzglas befruchtet, weil sie nur so überlebensfähig waren.

Doch mittlerweile können auch unbefruchtete Eizellen konserviert werden. Dies ist ein Vorteil gerade für junge Patientinnen, deren Partnerwahl möglicherweise noch nicht abgeschlossen ist. „Denn wenn die Eizellen einmal befruchtet sind, können wir das natürlich nicht rückgängig machen“, sagt Dittrich.

Einige Krebserkrankungen müssen jedoch sofort behandelt werden, so dass keine Zeit bleibt, Eizellen heranreifen zu lassen. Dann kann Eierstockgewebe entnommen werden, was in einem minimal-invasiven Eingriff, für den nur eine knopflochgroße Öffnung nötig ist, sofort geschehen kann. Das Gewebe wird portionsweise eingefroren und kann später ebenso portionsweise wieder eingesetzt werden.

Das Spektakuläre daran ist, dass die Frauen dann auf natürlichem Weg schwanger werden können. „Mit etwas Glück kann man sogar mit einer Transplantation mehrere Kinder bekommen, wie es vor einiger Zeit einer Patientin in Kopenhagen passiert ist“, sagt Dittrich.

Noch ist diese Methode so neu, dass weltweit erst elf Frauen damit ein Kind zur Welt gebracht haben. Die Uniklinik Erlangen war die erste Klinik, der dies in Deutschland gelang, und zwar im vergangenen Oktober. Eine weitere Erlanger Patientin ist gerade schwanger.

Dittrich glaubt jedoch, dass sich diese Methode langfristig durchsetzen wird. „Schon jetzt konservieren wir öfter das Eierstockgewebe als Eizellen“, sagt er. „Wenn genug Zeit ist, raten wir Patientinnen dazu, beide Verfahren anzuwenden. Dann kann sich die Frau später entscheiden.“

Auch bei Ethikern könnte diese neue Methode auf mehr Akzeptanz stoßen als das Einsetzen befruchteter Eizellen. Einer der vehementesten Gegner der künstlichen Befruchtung ist die katholische Kirche. Sie sei prinzipiell dagegen, weil die Befruchtung auf nicht natürliche Weise erfolge und dadurch Sexualakt und Zeugung auseinandergerissen würden, sagt der katholische Moraltheologe Stephan Goertz von der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz dazu. Bei der Reimplantation von Eierstockgewebe griffen diese Vorbehalte nicht, meint er: „Denn hier ist die Möglichkeit einer natürlichen Schwangerschaft gegeben.“