Hamburg. 328 „Briefe aus der Mühle“ hat Karl Günther Barth geschrieben. Mit diesem letzten nimmt er Abschied von seinen Leserinnen und Lesern.
Sieben Jahre sind eine lange Zeit. Auch für einen Kolumnisten. Genau 328-mal habe ich im Prinzip darüber geschrieben, was mir und meiner Frau Anke in unserem kleinen Mühlenpark im Wendland auf- und eingefallen war. Immer sonnabends, an dieser Stelle. 328 Kolumnen mit gut 1,4 Millionen Zeichen. Reicht fast an den „Ulysses“ von James Joyce (1882–1941). Rein zeichenmäßig, ist doch klar.
Anke hat mir mal vorgerechnet, dass ich pro Kolumne zehn Tassen Kaffee trinke. Deutlich weniger als Balzac. Wenn er schrieb, kam er auf 40 Tassen. Am Tag. Anke hatte natürlich Angst, dass ich nach zehn Tassen nachts nicht mehr schlafen kann. Sie streut den Kaffeesatz als Dünger an unsere Pflanzen. Alte Gärtnerweisheit. Einen wissenschaftlichen Beweis gibt es dafür nicht. Aber auch nicht dafür, dass die Pflanzen nach so viel Kaffeesatz nicht schlafen können.
Es hätten ein paar Kolumnen mehr sein können. Wenn wir in Urlaub fuhren, hatte ich sie zwar vorher abgeliefert. Aber manchmal fiel die Kolumne aus, weil die Redaktion für ein großes Thema den gesamten Platz von „Mehr Hamburg“ brauchte. Oder wenn ich, wie dieses Jahr in der ersten Jahreshälfte, mal ins Krankenhaus musste. Kleine Eingriffe, nix Dramatisches. Alles wieder gut.
Allmählich gehen mir die Anekdoten aus
Das ist aber nicht der Grund, weshalb diese Kolumne meine letzte sein wird. Ich glaube, man sollte Schluss machen, wenn es am schönsten ist. Und bevor die Leute sich fragen, ob einem nichts mehr einfällt. Tatsächlich gehen mir aber auch allmählich die Anekdoten aus. Die vom Gärtnern.
Als ich im Herbst 2012 die erste Kolumne schrieb, hieß diese noch wie ich. Einfach „Karl Günther Barth“. Eine Idee des damaligen Chefredakteurs. Er dachte wohl an TV-Formate wie „Maischberger“ oder „Beckmann“. Der Titel „Brief aus der Mühle“ ist auch geklaut. Klaus Kundel, ein sehr gebildeter Mann und hauptberuflich Seite-1-Chef beim Abendblatt, hat ihn mir kurz vor meinem Abschied in die Rente für die Kolumne vorgeschlagen. Er hatte gerade ein Buch mit Geschichten des französischen Romanciers Alphonse Daudet (1840–1897) gelesen, die 1869 in der berühmten Pariser Zeitung „Figaro“ als Kolumne unter dem Titel „Briefe aus der Mühle“ erschienen waren.
2012 sonnte sich die Union noch in Umfragewerten von über 40 Prozent. Die AfD gab es noch nicht, stattdessen die Piraten. Und Gerhard Schröder war noch mit seiner vierten Ehefrau verheiratet. Greta Thunberg war damals noch neun Jahre alt und dachte wohl nicht im Traum daran, in Deutschland mal freitags Zehntausende von Schülern zum Protest für den Klimaschutz auf die Straße zu bringen. Damals galt Angela Merkel sogar noch vielen als Klimakanzlerin. Es hat sich also seitdem schon was getan, in den Köpfen der Deutschen.
Wollte nie der Gartenfuzzi sein
2012 war aber auch das Jahr, als die Menschen in Deutschland anfingen, wie blöd SUVs zu kaufen. Glyphosat, das es im Baumarkt als Round-up zu kaufen gibt, war noch nicht von der Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) als „vermutlich krebserregend“ eingestuft worden. Inzwischen hat das Herbizid den Aktienkurs der Firma Bayer nahezu halbiert. Man sieht also auch hier, wie sehr sich das Denken der Menschen verändert hat. Weswegen wohl auch in Bayern mehr als eine Million Menschen ein Volksbegehren mit dem Ziel „Rettet die Bienen“ unterzeichnet haben.
Wie kommt also einer, der sein ganzes Berufsleben lang als politischer Journalist gearbeitet hat, dazu, eine Gartenkolumne zu schreiben? „Willst du rechtzeitig zur Rente der Gartenfuzzi des Abendblattes werden?“, fragte mich sogar ein Kollege. Wollte ich natürlich nicht. Ich fand aber, dass Garten ein Thema sei. Weil ich selber Hobby-Gärtner war und gelesen hatte, dass die Bundesbürger damals erstmals mehr Geld für ihre Gärten und Balkone ausgaben als für Backwaren – und die Auflage der Zeitschrift „Landlust“ die Millionengrenze überschritt und den „Spiegel“ überholte.
Dank auch an die Leser
Drei Kolleginnen, die häufiger über Garten- und Naturthemen geschrieben hatten, hatte ich für die Kolumne im neu gestalteten Wochenend-Magazin vorgeschlagen. Als die mit der Begründung abwinkten, sie hätten ja nicht einmal selber einen Garten, musste ich selber ran. Schließlich hatte ich mich ja auch so vehement für die neue Kolumne eingesetzt. Die Kolleginnen hatten wohl recht: Ohne Dreck unter den Fingernägeln wäre das wohl nur schwer was geworden. Ich hatte da schließlich schon fast 15 Jahre in unserem kleinen Mühlenpark in der Erde gewühlt.
Ohne den Rat von Experten hätte ich aber die Jahre als Kolumnist nicht unfallfrei überstanden. Stellvertretend für alle bedanke ich mich beim stets hilfsbereiten Hans-Helmut Poppendieck. Ich glaube, ich muss den langjährigen Kustos am Botanischen Garten der Uni Hamburg ziemlich genervt haben. Hier der Garten-Fuzzi vom Abendblatt. Dort der international renommierte Botaniker, der die Naturschützerin Loki Schmidt oft auf Exkursionen begleitete – bis in die Bergwelt der Anden.
Vielen Dank auch an die Leser, für Lob, Kritik und treue Begleitung. Es war ein Vergnügen.
Sagt der Mann von Frau Anke.