Bahne war leidenschaftlicher HSV-Fan, der argentinische Stürmerstar Romeo einst sein Idol. Bahne kickte auch selbst für sein Leben gern. Und er hatte große Lust auf Punkt- und Pokalspiele, „weil es da um etwas geht und nicht bloß gedaddelt wird“. Beim 1. FC Hellbrook hatte der damals Elfjährige sogar eine tolle Schülermannschaft gefunden, „in der es richtig Spaß machte“. Doch dann gab es immer wieder Probleme mit der Beitragszahlung. Bahne wollte schweren Herzens wieder austreten, „um dem Club nicht ständig diese Schwierigkeiten zu machen“.
Es waren Probleme wie diese, die im Jahr 2004 zu einer damals in Deutschland einmaligen Initiative führten. Jedes Hamburger Kind, jeder Hamburger Jugendliche sollte in einem Sportverein Mitglied werden können, egal ob seine Eltern sich die Beiträge nun leisten können, das Taschengeld reicht oder eben nicht – das war das erklärte Ziel. Weil Sport und Bewegung für die körperliche und geistige Entwicklung Heranwachsender einfach unverzichtbar sind. Neun Monate lang diskutierte die Sportredaktion des Hamburger Abendblatts mit der Hamburger Sportjugend (HSJ) und deren Vorstand Arne Klindt die Umsetzung dieser Pläne. Dann ging die Aktion „Kids in die Clubs“ vor mehr als neun Jahren mit mehreren Auftaktveranstaltungen in der Stadt an den Start – mit Spendengeldern des gemeinnützigen Abendblatt-Vereins „Kinder helfen Kindern“ und der organisatorischen wie administrativen Unterstützung der HSJ.
„Kids in die Clubs“ übernahm fortan die zehn Euro Monatsbeitrag für Bahne. Und für Bahnes neue Clubkameraden beim 1. FC Hellbrook, die Mini-Fußballer Patrik-Maurice, 4, und Pascal, 5, sowie beim SC Roland für die Ringer Ivan und Alichan, beide 16, die aus Kasachstan und Tschetschenien kamen und seit 2001 in Hamburg lebten. Diese fünf waren die Ersten, die vom neuen großen Hamburger Jugendsportprojekt profitierten. Und nicht nur den jungen Sportlern war damit geholfen, auch ihren Vereinen. Rund 30 bis 40 Prozent der Beiträge von Kindern und Jugendlichen standen damals beim SC Roland jeden Monat aus. Beglichen wurden sie in den seltensten Fällen. Dank „Kids in die Clubs“ kam wieder Verlässlichkeit in diese Zahlungen, und immer mehr Vereine hatten jetzt das Geld, weitere Trainer zu bezahlen, was ihnen ermöglichte, bessere Nachwuchsarbeit zu betreiben. Das gilt bis zum heutigen Tag.
Aus den Anfängen ist in den vergangenen mehr als neun Jahren ein Modellprojekt für viele ähnliche Initiativen in diesem Land geworden. Und die Aktion „Kids in die Clubs“ stand auch Pate, als die damalige Familien- und spätere Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in der vergangenen Legislaturperiode das Teilhabegesetz formulierte. Das soll Kindern aus einkommensschwachen Familien helfen, Mitglied in Sportvereinen zu werden, zum Schwimmunterricht zu gehen, Musik zu machen oder an kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen.
„Kids in die Clubs“ hat bis heute mehr als 70.000 Hamburger Kinder und Jugendliche unterstützt. Dafür wurden – auch mit finanzieller Hilfe der Stadt Hamburg – mehr als zwei Millionen Euro aufgewandt. Ein Eckpfeiler ist und war von 2006 an der HSH Nordbank Run über vier Kilometer durch die HafenCity, Norddeutschlands größter Spenden- und Firmenlauf, organisiert vom Sportpromoter Axel Gernert. Bis heute kam bei diesem jährlich stattfindenden Event für die Aktion mehr als eine Million Euro zusammen.
Das Projekt „Kids in die Clubs“ des Abendblatts ist bis heute eine soziale Erfolgsgeschichte. Gegenwärtig beteiligen sich 170 Hamburger Vereine, Tendenz: jährlich steigend. Sie haben entsprechende Kooperationsvereinbarungen mit der Sportjugend abgeschlossen und akzeptieren Monatsbeiträge von zehn Euro, obwohl sie von ihren jugendlichen Mitgliedern oft einen höheren Obolus verlangen. Im jüngsten Förderzeitraum 2012/2013 wurde insgesamt 8695 Kindern und Jugendlichen die kostenlose Vereinsmitgliedschaft ermöglicht. Zudem nahmen im Kalenderjahr 2012 mithilfe von „Kids in die Clubs“ 892 Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien an 135 verschiedenen Sportreisen teil wie Trainingslagern, Turnierfahrten und Wochenendfreizeiten. Für den neuen Förderzeitraum 2013/2014 liegt die Zahl der bereits zum 1. August eingegangenen Anträge noch einmal um 18 Prozent höher als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres, was wieder einen neuen Rekord erwarten lässt.
Während die grundlegenden Bausteine von „Kids in die Clubs“ – kostenlose Vereinsmitgliedschaften und Teilnahme an Sportreisen – über „Kinder helfen Kindern“ und die Stadt Hamburg gefördert werden, beteiligt sich inzwischen auch der „Hamburger Weg“ an dem Projekt. Die Initiative des Fußball-Bundesligaclubs Hamburger SV bezahlt Sportausrüstungen, zum Beispiel Schuhe, Trikots, Trainingsanzüge – in diesem Jahr bereits für 500 Jugendliche. Zudem hat in den vergangenen neun Jahren die Alexander-Otto-Sportstiftung des Hamburger Unternehmers Alexander Otto (ECE) die Aktion wiederholt mit großzügigen Spenden von bis zu 50.000 Euro unterstützt.
„Wenn es ‚Kids in die Clubs‘ nicht längst schon gäbe, müsste man es erfinden“, sagt Günter Ploß, der Präsident des Hamburger Sportbundes (HSB). Die Fußball-Bundesliga-Stiftung hat die Aktion jetzt mit dem ersten Preis für soziales Engagement ausgezeichnet.