Das Museum für Kunst und Gewerbe geht dem “Fenomen Ikea“ auf den Grund. Die Schau zeigt neben Möbeln “Non-Ikea“-Kunst, Klassiker der Gestaltung und beleuchtet den Do-it-yourself-Kult.
Es gibt ja letztlich wenige Massenprodukte, bei denen wirklich jeder mitreden kann. Wenn allerdings ein schwedisches Möbelhaus mit Namen Ikea Thema einer Ausstellung ist, kann jeder zum wichtigsten Hilfsmittel beim eigenhändigen Zusammenbau, dem "Inbusschlüssel", seine eigene Geschichte erzählen. Die Idee bezahlbarer und stilvoller Möbel für alle formulierten schon der Deutsche Werkbund und Vertreter des Bauhauses. Der schwedische Unternehmer Ingvar Kamprad trat 1948 an, diese Idee in die Tat umzusetzen. Heute ist Ikea der größte Möbelhersteller der Welt.
"Diese duzende schwedische Kultur denkt anders über Einrichtung nach. Wir haben kein Verhältnis zu den Dingen. Ein Tisch ist für uns ein Tisch. Bei Ikea trägt er auf einmal einen Namen", erklärt Nils Jockel, Kurator am Museum für Kunst und Gewerbe den Erfolg von Ikea. "Außerdem waren die Schweden locker und modern. Das war ein idealer Staat für alle, die sozial und links dachten. Die Dinge waren so überzeugend günstig. Alles passte zusammen." Grund genug für Jockel, eine Ausstellung zum "Fenomen Ikea" aufzulegen. Vom 6. November bis zum 28. Februar kommenden Jahres wird der gesamte Ikea-Kosmos im Museum lebendig.
Die Schau vereint die frühen Ikea-Produkte der 50er- und 60er-Jahre, die Klassiker der 70er- und 80er-Jahre und einige innovative Objekte der "PS Kollektion", mit denen Ikea 1995 in Mailand gegen exklusives und hochpreisiges Möbeldesign antrat. "Es wird aber bewusst keine reine Designausstellung", sagt Nils Jockel.
Der Kern der Ausstellung wurde von der Schau "Ikea - Democratic Design" aus der Münchner Pinakothek der Moderne übernommen. "Wir als Verbrauchermuseum gehen das Thema eher phänomenologisch an, fragen danach, wie diese Entwicklung historisch zu erklären ist", so Jockel. Das Bemühen der zahlreichen Reformer zu Beginn des 19. Jahrhunderts um größtmögliche Lebensqualität für alle beschäftigte auch die Gestalter auf der Suche nach demokratischem Design.
Ikea habe nach Jockel hier die dritte Dimension eingeführt, den Preis, der mit dem Selbstabholen der Kunden und der kleinstmöglichen Verpackung einherging.
Auch Jockel hat natürlich Ikea-Erfahrung aus erster Hand. "Ich gehöre zu den knapp 30 Prozent der Bevölkerung, die sich in den letzten zwei Jahren bei Ikea versorgt haben und dabei dankbar waren für Einrichtungslösungen, an die wir zuvor so nicht gedacht hatten."
Die Schau erstreckt sich im zweiten Stock auf 1200 Quadratmetern Fläche. Ein Flur wird zunächst frühe Massenprodukte wie den Thonetstuhl Nr. 14 vorstellen, den ersten massentauglichen Konsumstuhl, aber auch einen Volksempfänger oder ein Bobby-Car. Anschließend führt ein zwanzigminütiger Videofilm in das Thema ein.
Hier kommen auch die Fragen der Wohnpsychologie und der Werbung zur Sprache. "Sehr geschickt griff Ikea den Komplex ,Dein Chaos - Deine Ordnung' auf, erläutert Nils Jockel. "Die Botschaft lautete: Entdecke die Möglichkeiten. Wir helfen, sie zu finden. Du hast eine Chance, aber Du musst etwas daraus machen. Denk nicht, wir leisten alles für Dich." Diese Überlegungen gipfelten in dem bekannten Werbespruch: "Wohnst Du noch oder lebst Du schon?" Die Schau vermittelt mehrere Aspekte des "Ikea-Kultes". Neben der Werbung wird der Charme des Do-it-yourself näher beleuchtet.
Ein separater Bereich widmet sich dem "Non-Ikea"-Komplex. Hier sind 25 Kunst- und Designobjekte von internationalen Künstlern und Gestaltern ausgestellt, die sich auf das Phänomen Ikea beziehen, indem sie Ikea-Produkte umgestalten. Der Amerikaner Jason Salavon hat in "Field Guide To Style & Color" (2007) und "374 Farben" (2007) zum Beispiel Ikea-Kataloge dekonstruiert und zu eigenständigen Farbarrangements neu zusammengefügt, die Kunstwerken des niederländischen Konstruktivisten Piet Mondrian oder den Werkern der niederländischen Künstlergruppe De Stijl ähneln.
Zu Ikea gehört im Besonderen auch die Familienfreundlichkeit, die sich in der Ausstellung an zahlreichen interaktiven Elementen für Kinder zeigt. In dem Wettbewerb "Schule gestaltet Stühle" können Schulklassen einen vorgegebenen Ikea-Stuhl nach eigenen Vorstellungen umdesignen. Die Ergebnisse werden ab dem 15. Januar kommenden Jahres in einer separaten Ausstellung vorgestellt.
Mit einfachen Materialien wie Pfeifenreiniger und Strohhalm können Kinder auch während ihre Eltern einer Führung beiwohnen selbst zu kleinen Gestaltern werden. Umgekehrt kommen die Erwachsenen endlich einmal in den Genuss des berühmten "Bällebads". Hierfür wird ein 15 Quadratmeter großes Becken 30 Zentimeter hoch mit Bällen befüllt. "Wir versuchen die Ausstellung so ikeanisch, schwedisch, kundennah wie möglich zu gestalten", sagt Jockel. Besucher können sich darauf einstellen, bei Führungen geduzt zu werden.
Fenomen Ikea 6.11. bis 28.2.2010, Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, Di-So 11-18 Uhr, Mi/Do 11-21 Uhr