Die Ölvorräte sind endlich, so auch das Benzin. Weil auch Strom kein idealer Treibstoff ist, arbeitet die Industrie am alternativen Sprit.
Autohersteller und Kraftstofflieferanten sind in der Zwickmühle: Benzin ist endlich, Ethanol aus Mais oder Zuckerrohr fördert den Raubau an Äckern und Urwäldern, und Strom aus Kohle oder Kernkraft ist mit Blick auf den CO2-Ausstoß und das radioaktive Risiko auch keine ideale Lösung. Weil immer sparsamere Antriebe alleine die Energieprobleme nicht lösen werden, braucht es neben neuen Motoren auch neue Treibstoffe. Unabhängig vom Engagement für das Elektroauto arbeiten Fahrzeugbauer und Energieversorger deshalb mit Hochdruck am Sprit von morgen.
Zu den sogenannten Biokraftstoffen zählt das Ethanol, das wie beim E10-Sprit dem regulären Kraftstoff beigemischt wird. Aktuell wird der Biosprit zumeist aus ganzen Pflanzen gewonnen und steht damit in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Um dieses Problem zu lösen, arbeiten Forscher an einer zweiten Generation von Bio-Kraftstoffen.
In Schweden zum Beispiel stehen Pilotanlagen, die Ethanol aus Müll destillieren. Zudem hat das sächsische Chemieunternehmen Choren im Testbetrieb sogenannte Biomass-to-Liquid-Kraftstoffe (BTL) aus Biomüll wie Holzschnipseln hergestellt, musste aber zu Beginn des Jahres Insolvenz anmelden. Dennoch lobt VW-Forschungschef Jürgen Leohold: „BTL ist eine der Schlüsseltechnologien, um die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor nachhaltig zu reduzieren.“
Als weitere Alternative zu Benzin und Diesel gilt Erdgas. Es lässt sich mit deutlich geringerem CO2-Ausstoß verbrennen und ist in vergleichsweise großen Mengen verfügbar. Deshalb forcieren die Autohersteller gerade wieder seinen Einsatz und haben zur Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt im September die Initiative Erdgasmobilität gestartet. Damit wollen sie unter anderem den Anteil von Erdgas und dem ohne fossile Reserven gewonnenen Biomethan an deutschen Tankstellen deutlich steigern.
Als erster Autohersteller mischt Audi in diesem Sektor mit. Ein Windpark liefert Audi den Strom für die Erzeugung von Wasserstoff, der mit konzentriertem CO2 aus einer Abfall-Biogas-Anlage in Methan umgewandelt wird. Dieses synthetische Gas ist chemisch identisch mit Erdgas und soll in Haushalten verheizt sowie in Autos verbrannt werden, erläutert Entwicklungsvorstand Michael Dick. Die Anlage soll mit pro Jahr etwa 1000 Tonnen Methan produzieren, das bei Audi künftig e-Gas heißt. Diese Menge bringe 1500 Fahrzeuge wie den für
2012 angekündigten A3 TCNG jährlich jeweils 15 000 Kilometer weit. Und binde 2800 Tonnen CO2 im Jahr.
Das Lieblingsgas der Autobauer ist allerdings Wasserstoff in Reinform. Er lässt sich wie bei Mercedes mit Hilfe einer Brennstoffzelle per Elektrolyse unbegrenzt aus Wasser und Strom herstellen und treibt Autos mit Elektromotoren ohne schädliche Abgase an. Bei Alltagstests von Mercedes, Ford, Opel, Honda oder Toyota funktioniert das mittlerweile problemlos.
Doch hat Wasserstoff neben der teuren Antriebstechnologie einen Haken: Bislang gibt es für das hoch explosive Gas keine vernünftige Infrastruktur. Wolfgang Arlt von der Universität Nürnberg-Erlangen sagt: „Es lässt sich nur schwer transportieren, man kann es kaum irgendwo zapfen, und im Auto braucht man teure und schwere Spezialtanks.“ Diese benötigten entweder Temperaturen von weniger als minus 200 Grad oder müssten immensen Druck widerstehen.
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Das Problem will der Verfahrenstechniker mit einem neuen Treibstoff lösen, der zum Wundersprit des Wasserstoffzeitalters werden könnte: Carbazol. Die Flüssigkeit lässt sich mit Wasserstoff anreichern, der ihr im Auto durch eine weitere chemische Reaktion wieder entzogen wird. So kann daraus in der Brennstoffzelle Strom für einen Elektromotor gewonnen oder die thermische Energie im Verbrennungsmotor in Bewegungsenergie umgewandelt werden. „In beiden Varianten ist das einzige Abgas Wasserdampf“, so Arlt. Der vermeintliche Wundersprit könnte zwar unproblematisch getankt werden, und auch die Energieversorger könnten die bestehende Infrastruktur nutzen. Aber: Carbazol ist noch wenig erforscht. Die Einsatzreife ist noch Jahre entfernt.
Eine Zwischenbilanz von Karin Retzlaff vom Mineralölwirtschaftsverband (MWV) klingt dann auch eher ernüchternd: „Keiner der alternativen Energieträger ist heute wettbewerbsfähig. Deshalb wird der Verkehrssektor auch in Zukunft durch fossile Kraftstoffe bestimmt werden.“ Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie der Deutschen Energie-Agentur. Sie schätzt den Mineralölanteil im Verkehrssektor für das Jahr 2030 auf 58 bis 84 Prozent und bezeichnet Benzin und Diesel als „ungeliebt, aber unentbehrlich“.