Ist keine 08/15-Ausstattung gefragt, drohen mitunter erhebliche Lieferzeiten. Käufer warten teilweise bis zu einem Jahr auf ihr neues Auto.
Wer einen Neuwagen bestellen möchte oder schon bestellt hat, muss teilweise erhebliche Wartezeiten in Kauf nehmen. Auch in Hamburg sind deshalb Kunden verärgert. Wie sehr das Problem nervt, lässt sich in einschlägigen Internetforen mit teils wütenden Kommentaren ablesen. Dort balancieren die aufgebrachten Autofahrer verbal zwischen Hass und Verzweiflung: "Ich flippe aus! Ich bin verzweifelt! Mein neues Auto sollte schon vor einem Jahr kommen. Vor einem Jahr!", schreibt ein Nutzer und fügt gleich noch eine Reihe Ausrufezeichen hinzu.
Dass viele Käufer mit ihrem Neuwagen nicht sofort vom Hof der Händler fahren können, liegt nicht nur an der unzureichenden Disposition der Unternehmen, sondern auch daran, dass Autos "von der Stange" hierzulande nicht besonders gefragt sind. Prof. Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research in Duisburg erstellt mit seinem Team eine monatliche Auflistung der durchschnittlichen Wartezeiten für Marken, aber auch für einzelne Modelle. "Die Deutschen", erklärt er, "lieben nun mal Individualausstattungen." Und die verlängern die Auslieferungszeiten.
Diese sind zwar im Juli im Bundesdurchschnitt um knapp eine Woche auf 3,6 Monate gesunken, dennoch liegen einzelne besonders begehrte Typen noch immer bei sieben bis zehn Monaten, manche sogar bei einem Jahr oder noch mehr.
Dass es so lange dauert, kann vielseitige Gründe haben. So spiegelt sich eine hohe Kapazitätsauslastung nicht nur in den Gewinnen wider, sondern auch - etwa bei VW und Audi - in der Wartezeit. Oft gibt es aber auch Probleme mit Zulieferern, wie Kunden es besonders nach der Katastrophe von Fukushima zu spüren bekamen. Durch den AKW-Unfall in Japan fiel zum Beispiel eine Speziallack-Fabrik aus, zudem gab es Engpässe bei Platinen für die Fahrzeugelektronik.
Werden die Lieferzeiten einfach nur wegen der guten Auftragslage zu lang, können Sonderschichten und Änderungen in der Produktion helfen. Bei Volkswagen zum Beispiel, einst Erfinder einer 28,8-Stunden-Woche, laufen die Bänder längst wieder auf Hochtouren. Peter Hartmann vom VW-Zentrum Hamburg versichert: "Einige VW-Modelle sind hier wirklich sehr schnell lieferbar." Einen Golf könne man beinahe schon direkt mitnehmen. Bei anderen Fahrzeugen werde es hingegen schwieriger. Besonders der Tiguan sei ein Problemfall. "Ja, da müssen sich die Kunden tatsächlich auf Wartezeiten bis zu zehn Monaten einstellen." Der Hamburger Händler versucht gegenzusteuern: "Wir haben uns einen hohen Lagerbestand zugelegt." So habe er kurzfristigen Zugriff auf 1000 Neuwagen, quer durch alle Modelle.
Auch Audi-Fans können in Hamburg Glück haben, es gibt durchaus Lagerbestände, selbst bei sehr gefragten Modellen. "Und wenn die Wunschausstattung oder Farbe nicht ganz so schnell aufzutreiben sind, gibt es für besondere Kunden unseres Hauses auch Angebote, die über die Wartezeiten hinwegtrösten", sagt eine Mitarbeiterin.
Bei Audi beträgt die Wartezeit laut Dudenhöffer für einen Q5 derzeit sieben Monate, bei BMW für einen X3 sechseinhalb Monate - und bei Hyundai für einen ix35 sogar zehn Monate. "Das ist tatsächlich ein sehr beliebtes Modell, das am Markt sehr gut angenommen wurde. So gut, dass es im Moment ausverkauft ist", sagt Thorsten Heinze, Verkaufsleiter beim Claas Wehner Autohaus. "Nicht nur hier in Hamburg und Deutschland, sondern europaweit. Aber Hyundai ist sich der Situation bewusst und will die Probleme durch die Eröffnung eines zweiten Werks bis Ende des Jahres in den Griff kriegen. Unsere Kunden wissen bei Bestellung allerdings, worauf sie sich einlassen." In diesem Fall hilft es also nicht, auf Lagerbestände zu hoffen.
Mittlerweile habe sich, so Dudenhöffer, sogar ein kleiner Markt für Kaufverträge etabliert. Das könne gerade in höheren Preiskategorien zum lukrativen Geschäft werden. Dennoch bleibe es "russisches Roulette", bei dem man am Ende Geld verlieren könne.
Michael Kenzler, Verkaufsleiter Neue Automobile bei BMW in Hamburg: "Die Lieferzeiten haben sich glücklicherweise etwas beruhigt, auch weil BMW die Produktion wieder hochgefahren hat. Wer heute seinen X3 bestellt, der hat ihn im Januar."