Die Autoindustrie bereitet sich auf das Zeitalter der Elektrofahrzeuge vor. Viele Hersteller planen derzeit die Produktion großer Serien strombetriebener Autos.
Hamburg. Elon Musk bietet der Börse eine Wette an: Der gebürtige Südafrikaner und Vorstandsvorsitzende des amerikanischen Elektroautopioniers Tesla will sein Unternehmen noch in diesem Jahr an den Aktienmarkt bringen. Das wäre der erste Börsengang eines Autobauers in den USA seit 1956, als Ford das Parkett betrat. Und erstmals könnten Investoren Aktien eines reinen E-Autoherstellers kaufen – zweifellos eine Investition in die Zukunft.
Denn in der Gegenwart hat das kalifornische Unternehmen seit seiner Gründung vor sechs Jahren kaum 1000 seiner Sportwagen Tesla Roadster verkauft. Die Gewinne haben gerade den einstelligen Millionenbereich erreicht und es ist unklar, wann Autos mit reinem Elektroantrieb massentauglich sein werden. Doch Tesla und seine illustre Kundenschar – unter anderem die Schauspieler George Clooney und Dustin Hoffman, Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger sowie Talkmaster Jay Leno – ficht das nicht an. Sie alle glauben fest an das elektromobile Projekt.
Und Glauben spielt beim Thema Elektromobilität derzeit eine wesentliche Rolle. Denn vom Fortbewegungsmittel für Jedermann sind die strombetriebenen Autos noch so weit entfernt wie ein Lamborghini Gallardo von einem Ein-Liter-Auto. Gleichwohl arbeiten alle Hersteller weltweit an Konzeptstudien, denken Regierungen über Fördermittel nach und warten Kunden auf die entsprechenden Modelle. Bis 2013 planen weltweit 23 Automobilkonzerne ihren Einstieg in die Serienproduktion von Elektrowagen. „Die Automobilindustrie fährt in ein neues Zeitalter“, sagt Christian Malorny, Direktor bei der Unternehmensberatung McKinsey und Leiter der deutschen Abteilung für Automobil- und Maschinenbau.
Tatsächlich ist das Elektroauto noch kein Massenphänomen. Der Managementberatung Oliver Wyman zufolge haben Fahrzeuge wie der Tesla Roadster oder der TH!NK City derzeit im Gesamtmarkt einen Anteil von weniger als 0,1 Prozent. Auch der weltweite Bestand an Hybridfahrzeugen, die einen Elektro- und einen Verbrennungsmotor haben, ist mit ungefähr 2,5 Millionen Fahrzeugen angesichts eines Gesamtbestands von 850 Millionen Einheiten eine Randerscheinung. Im Jahr 2010 werden gerade mal zwei Prozent der neu verkauften Autos elektrisch unterstützt oder rein elektrisch fahren. Bei Volkswagen erwartet man, dass Elektroautos im Jahr 2020 einen Marktanteil von 1,5 bis zwei Prozent weltweit haben und dann vor allem in Großstädten genutzt werden.
Gleichwohl macht die PS-Branche erste zaghafte Schritte in Richtung Stromantrieb: Die deutschen Premiumhersteller Daimler und BMW lassen seit Monaten Elektroversionen ihrer Modelle Smart und Mini in kleineren Flotten durch die Straßen Berlins fahren, um deren Alltagstauglichkeit zu beweisen. Andere große Hersteller drängen bereits mit Serienmodellen auf den Markt, um die Vorreiter zu sein – etwa General Motors (GM) mit dem Chevrolet Volt oder Mitsubishi mit i-MiEV. Viele Konkurrenten planen im nächsten Jahr in die Großserienproduktion einzusteigen.
Dennoch können solche Projekte nicht die weiterhin bestehenden Probleme der E-Autos verdecken. Vor allem der Preis, die Verlässlichkeit oder die Speicherkapazität für die Batterien sind große Hindernisse dafür, dass Elektroautos zum Massenprodukt werden. Noch kostet eine Kilowattstunde Motorenleistung rund 1000 Euro – zusätzlich zum Rest des Autos. Erst ab Großserienpreisen von 250 bis 350 Euro je Kilowattstunde Leistung wird das Elektroauto konkurrenzfähig, schätzen Experten.
Doch das Elektroauto hat mit weiteren Problemen zu kämpfen. Ungeklärt ist nach wie vor die Frage der Ladestationen und die Dauer des Aufladens. Vor allem die Reichweite der Batterien, die derzeit im Durchschnitt bei kaum 150 Kilometern liegt, macht der Branche Sorgen. Innerstädtisch mag der geringe Radius kaum ein Problem sein, wenn Busse und Bahnen im Falle einer leeren Batterie nahe sind. Urlaubsfahrten oder Wochenendtrips jedoch wären für elektromobile Erstkäufer ein Abenteuer. Hinzu kommt, dass ebenfalls unklar ist, wie lange die Batterien halten oder wie sicher sie sind. In Flammen aufgehende Akkus, wie dies bereits bei Laptops vorgekommen ist, würden im Falle eines brennenden Autos die Branche um Jahre zurückwerfen. Bedeutsam ist zudem, dass die Verbraucher mehrheitlich kompakte Fahrzeuge mit vier Plätzen wollen, keine zweisitzigen Sportwagen, die Familien mit zwei Kindern als Kundenkreis weitgehend ausschließen.
Deutschlands Autobauer geben sich angesichts der unklaren Gemengelage zwar einerseits überzeugt, dass der Elektromobilität die Zukunft gehört. „Porsche wird eines Tages auch einen Elektrosportwagen im Angebot haben. Dieser Trend ist nicht mehr aufzuhalten“, sagt Porsche-Chef Michael Macht. Andererseits jedoch wollen sie auch nichts überstürzen. „Wir sind genau so weit wie die anderen“, sagt etwa VW-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg. Die Wolfsburger sind nach eigenem Bekunden jedoch etwas konservativer als andere Autobauer. „Wir wollen die Technik erst einmal bis ins Detail verstehen“, sagt Hackenberg. Der Konzern will sein erstes Elektrofahrzeug im Jahr 2013 als Teil der neuen Kleinwagenfamilie Up! auf den Markt bringen. Außerdem erprobt VW einen Elektro-Golf.
Neben den Herstellern muss sich auch die Bundesregierung verstärkt Gedanken darüber machen, wie sie Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität machen kann. Mit der Einrichtung einer „Geschäftsstelle Elektromobilität“ und 500 Millionen Euro zur Förderung der alternativen Antriebstechnologien ist es offenbar nicht getan: „Es ist höchste Zeit, dass wir auch in Deutschland eine breite Schneise für Elektromobilität schlagen“, sagt Jan Peter Korthals, Experte für Elektromobilität und alternative Antriebe bei der Unternehmensberatung McKinsey.
Singapur, Shanghai oder auch New York und Paris hätten sich bereits heute zum Ziel gesetzt, in den kommenden fünf bis zehn Jahren zu Elektromobilitäts-Vorreitern zu werden, sagt Korthals. So wird Großbritannien den Kauf eines Elektrofahrzeugs ab 2011 mit 2500 bis 6000 Euro unterstützen, China mit etwa 6500 Euro, Japan sogar mit bis zu 11000 Euro. „Den Anschub könnten auch Städte selbst geben, wenn sie etwa für ihre eigenen Flotten massiv Elektroautos erwerben oder entsprechende Förderprogramme auflegen“, sagt McKinsey-Experte Malorny. In der französischen Hauptstadt Paris etwa sollen Staatsunternehmen wie die Post, die Bahn oder Energieversorger mit 50000 Elektroautos ausgestattet werden. Christian Kleinhans, Partner und Automobilexperte bei Oliver Wyman, regt zur Förderung der E-Mobilität nach dem „100000-Dächer-Programm“ für Solaranlagen Ende der 90er-Jahre jetzt ein „Eine-Mio-E-Fahrzeuge-Programm“ an, damit in den nächsten Jahren der Kauf eines strombetriebenen Autos trotz deutlich höherem Anschaffungspreis attraktiver wird.
Das Ziel der Bundesregierung, dass bis 2020 eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen fahren, hält McKinsey durchaus für realistisch. Bis zum Jahr 2014 dürften etwa 100000 Fahrzeuge im deutschen Markt sein. In den Jahren 2019 und 2020 könnten dann jährlich 300000 Fahrzeuge im Inland neu zugelassen werden. Dies würde bei einem Markt von drei Millionen Zulassungen einem Anteil bei Neufahrzeugen von etwa zehn Prozent entsprechen.
Doch um dieses Ziel zu erreichen, reichen nach Ansicht der Branchenexperten finanzielle Anreize nicht aus. Vor allem die Gefühle der Käufer müssten angesprochen werden. „Elektromobilität braucht Emotionalität“, sagt Malorny. Und er macht einen ungewöhnlichen Vorschlag: „Der Berliner Flughafen Tempelhof könnte die erste Formel 1-Elektrorennstrecke bekommen. Autorennen mitten in der Stadt ohne Abgase – das würde das Thema mächtig mit Emotionalität aufladen.“