Antwerpen/Göteborg. Statt Plastik wird bei Einweg-Geschirr zu Produkten aus Papier oder Bambus gegriffen. Doch Forscher warnen – auch hier lauern Gefahren.

In der EU sind Plastikgeschirr und andere Einweg-Produkte aus Plastik seit 2021 verboten. Mittlerweile haben sich verschiedene plastikfreie Alternativen für Strohhalme und Co. auf dem Markt etabliert. Von Papier und Bambus über Glas bis zu Edelstahl – die gängigsten Alternativen sind in vielen Restaurants und Bars der neue Standard. Doch auch sie können für Umwelt und Gesundheit schädlich sein, warnt ein Forschungsteam in der Fachzeitschrift "Food Additives & Contaminants: Part A". Im Fokus der Forscher: Langlebige und potenziell giftige Chemikalien.

Einweg-Produkte aus Papier: Forscher finden schädliche Chemikalien – "können ins Getränk übergehen"

Bei der Untersuchung von 39 in Belgien erhältlichen Strohhalmen wurden per- und polyfluorierte Chemikalien (kurz: PFAS) in 18 von 20 Papierhalmen, vier von fünf Bambus-Halmen und sogar in einigen Glas- und Plastikhalmen gefunden. Die Edelstahlhalme waren die einzige Kategorie ohne PFAS. Mithilfe eines speziellen Massenspektrometrie-Verfahrens identifizierten die Forscher unter anderem die Substanzen Trifluoressigsäure und Trifluormethansulfonsäure – beide sind nicht unbedenklich.

Das Forscherteam warnt: "Die Chemikalien sind gut wasserlöslich, sodass die Gefahr besteht, dass sie vom Strohhalm in das Getränk übergehen." Der genaue Umfang der PFAS-Aufnahme durch den Menschen ist noch unklar – weitere Untersuchungen sind nötig. PFAS werden oft eingesetzt, um Papierhalme vor Feuchtigkeit zu schützen. Die Studienautoren betonen jedoch, dass die Chemikalien nicht notwendigerweise absichtlich hinzugefügt werden. Diese könnten auch durch verunreinigte Materialien oder Prozesswasser ins Endprodukt gelangen.

Auch die Alternativen zum Plastik-Geschirr können bedenkliche Chemikalien enthalten. Diese müssen nicht zwangsläufig absichtlich in die Produkte gekommen sein, sagen Forscher.
Auch die Alternativen zum Plastik-Geschirr können bedenkliche Chemikalien enthalten. Diese müssen nicht zwangsläufig absichtlich in die Produkte gekommen sein, sagen Forscher. © Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Schädliche Chemikalien in Einweg-Produkten: Forscherteam rät zu sicherer Alternative bei Strohhalmen

Thimo Groffen von der Universität Antwerpen fasst die Analyse zusammen: "Strohhalme aus pflanzlichen Materialien wie Papier und Bambus werden oft als nachhaltiger und umweltfreundlicher beworben als solche aus Kunststoff. Das Vorhandensein von PFAS in diesen Produkten bedeutet jedoch, dass das nicht unbedingt stimmt." Als nachhaltige Option empfiehlt das Forscherteam die Edelstahlhalme, die wiederverwendet, PFAS-frei und vollständig recycelbar sind. Geringe Mengen PFAS seien an sich zwar nicht schädlich – könnten aber die schon im Körper vorhandene chemische Belastung erhöhen.

Eine weitere Studie der Universität Göteborg befasste sich mit Papierbechern als Alternative zu Einweg-Plastikbechern. Da Papier an sich nicht fett- oder wasserabweisend ist, werden oft Beschichtungen wie Polylactid (PLA) verwendet. Bethanie Carney Almroth und ihr Team stellten fest, dass solche Papier-Becher schädliche Substanzen in die Umwelt abgeben können, wobei der Effekt mit der Zeit im Wasser oder Sediment zunimmt. Carney Almroth betont, dass auch Biokunststoffe Probleme verursachen können.

Ewigkeitschemikalien (PFAS) in Einweg-Bechern: Fazit der Forscher – Biokunststoffe meist nicht besser

Solche Biokunststoffe – etwa Polylactid (PLA) – können ebenso Chemikalien enthalten wie klassische Kunststoffe. Für ihre im Fachjournal "Environmental Pollution" vorgestellten Studie setzten die Forscher Mückenlarven der Art Chironomus riparius Wasser und Sediment aus, in dem ein bis vier Wochen lang Teile von Bechern sowie Deckeln aus Polypropylen oder Polystyrol sowie Polylactid und Papier gelegen hatten. Die Erkenntnis der Forscher: "Alle Becher in der Untersuchung wirkten sich negativ auf das Wachstum der Mückenlarven aus", sagte Almroth.

Schädliche Substanzen sind aus dem Material in die Umgebung gelangt. In der Studie heißt es weiter: "Lebensmittelverpackungen auf Papierbasis können hohe Mengen an per- und polyfluorierten Alkylverbindungen enthalten." Der beobachtete Effekt war umso größer, je länger das Material im Wasser oder den Sedimenten gelegen hatte. Almroth fasst zusammen: "Biokunststoffe enthalten mindestens genauso viele Chemikalien wie herkömmliche Kunststoffe." Diese Biokunststoffe hätten zudem noch einen weiteren Nachteil: Sie bauen sich in der Umwelt ineffektiv ab.

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Videografik: Der Pazifische Müllstrudel

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    Chemie auch in Papier-Alternativen: Forscherin zieht Fazit – vom "Wegwerf-Lebensstil verabschieden"

    Das aus den Bioplastikprodukten resultierende Mikroplastik werden von den Lebewesen aufgenommen, wie bei anderen Kunststoffen auch. Almroth dazu: "Auch Papierverpackungen stellen im Vergleich zu anderen Materialien ein potenzielles Gesundheitsrisiko dar und sie werden immer häufiger verwendet." Ihr Fazit nach der Untersuchung: Die Menschen müssen sich vom "Wegwerf-Lebensstil verabschieden" – für die Umwelt und für die eigene Gesundheit. Die PFAS-Chemikalien generell stehen immer wieder zur Debatte.

    PFAS – auch als Ewigkeitschemikalien bekannt – werden in verschiedenen Branchen verwendet, von Textilien bis zu Lebensmittelverpackungen. Weil viele von ihnen sehr beständig sind, nehmen ihre Mengen in der Umwelt stetig zu. Einige PFAS gelten als gefährlich und sind schon weitestgehend verboten. Doch es gibt noch viele, deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt noch weitestgehend unbekannt sind. In der EU gibt es eine Diskussion darüber, ob komplette Chemikalien-Gruppen verboten werden sollen.

    Auf EU-Ebene (Symbolbild) wird über ein Verbot ganzer Gruppen von bestimmten Chemikalien diskutiert.
    Auf EU-Ebene (Symbolbild) wird über ein Verbot ganzer Gruppen von bestimmten Chemikalien diskutiert. © Arne Immanuel Bänsch/dpa

    Debatte um PFAS-Verbote in der EU: Was die Ewigkeitschemikalien für Menschen so gefährlich macht

    Das Problem an solchen Verboten: In vielen Produkten sind die PFAS enthalten und oft nicht leicht zu ersetzen. Besorgte Verbraucher können aber schon jetzt bedenkliche Chemikalien vermeiden. Anti-Haft-Beschichtung etwa können für bestimmte Produkte selbst hergestellt werden – ganz ohne Chemie. Da die PFAS sehr beständig und kaum abbaubar sind, werden sie auch Ewigkeitschemikalien genannt. In der Umwelt reichern sie sich immer mehr an. PFAS werden mit verschiedenen Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht – dazu zählen:

    • Geringeres Geburtsgewicht von Säuglingen
    • Schilddrüsenerkrankungen
    • Erhöhte Cholesterinwerte
    • Leberschäden
    • Nieren- und Hodenkrebs

    Von der Europäischen Umweltagentur (EEA) heißt es: "Von den relativ wenigen gut untersuchten PFAS gelten die meisten als mittel- bis hochtoxisch – vor allem für die Entwicklung von Kindern." Von den allermeisten PFAS weiß man noch gar nicht, wie sie auf Mensch und Umwelt wirken. Viele Fachleute gehen aber davon aus, dass zumindest ein Teil davon negative Eigenschaften aufweist. Über das Thema – ob und in welchem Umfang PFAS verboten werden sollen – wird daher wohl noch oft diskutiert werden. (jsn mit dpa-Material)