Berlin. Drei Fußball-Profis haben zuletzt innerhalb von Tagen die Schockdiagnose Hodenkrebs bekommen. Was über diese Tumorart bekannt ist.
Timo Baumgartl, Marco Richter, Sébastien Haller – drei Fußball-Profis, eine Diagnose: Hodenkrebs. Zwischen der Bekanntgabe der Erkrankungen der Sportler vergingen jeweils nur wenige Wochen. Für Betroffene, Vereine und Fans sind die Diagnosen schockierend. Und sie werfen ein Schlaglicht auf eine Tumorart, die vor allem junge Männer betrifft. Ein Überblick.
Hodenkrebs: Wie oft tritt die Erkrankung auf?
In Deutschland erkranken pro Jahr nach Angaben des Robert Koch-Instituts zirka 4750 Männer an einem bösartigen Hodentumor. Mit einem Anteil von etwa zwei Prozent aller neuen Krebserkrankungen ist Hodenkrebs eine eher seltene Tumorerkrankung. Betroffen sind vor allem Männer zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. In dieser Altersgruppe ist Hodenkrebs nach Angaben der Universitätsmedizin Essen sogar die häufigste Tumorerkrankung.
„Etwa einer von 130 Männern in Deutschland entwickelt im Laufe seines Lebens einen Hodentumor“, sagt Professor Boris Hadaschik, Direktor der Klinik für Urologie am Uniklinikum in Essen. Laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum ist die Zahl der Neuerkrankungen in den vergangenen zehn Jahren relativ stabil geblieben. Lesen Sie auch:Krebs: Alles zu Forschung, Therapien und Heilungschancen
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Hodenkrebs und Sport?
Fußball-Profis oder Berufssportler seien keine besondere Risikogruppe, sagt Professor Axel Heidenreich, Direktor der Klinik für Urologie an der Uniklinik Köln. Der Lebensstil oder bestimmte Sportarten hätten bisherigen Erkenntnissen zufolge keinen Einfluss auf die Entstehung von Hodenkrebs. „Dass drei Profi-Fußballer innerhalb von kurzer Zeit diese Diagnose bekommen haben, ist eine zufällige Häufung“, sagt Heidenreich.
Nach Angaben des Urologen Frank Sommer könnte extremer Leistungssport vor der Pubertät ein Risikofaktor für die Entstehung von Hodenkrebs sein. „Internationale Studien zeigen, dass Jungen, die vor der Pubertät extrem anstrengenden Leistungssport machen, ein erhöhtes Risiko für Hodenkrebs haben, unabhängig von genetischen Faktoren“, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit.
Welche Risikofaktoren für Hodenkrebs sind bekannt?
Laut Axel Heidenreich gibt es drei Risikofaktoren: Erstens: Wenn Männer bereits Hodenkrebs oder einen angeborenen Hodenhochstand hatten, der nicht im ersten Lebensjahr korrigiert worden sei. „Auch eine familiäre Prädisposition kann ein Risikofaktor sein“, sagt der Urologe. Sei ein Verwandter ersten Grades, also Vater oder Bruder, an Hodenkrebs erkrankt, sei das Risiko erhöht. Auch eine Fruchtbarkeitsstörung gelte als mögliches Risiko. Auch interessant: Männlich, erfolgreich, zeugungsunfähig – das große Tabu
Auf welche Alarmsignale sollten Männer achten?
Eine tastbare, schmerzlose Verhärtung im Hoden, eine Schwellung oder Schmerzen im Hodenbereich, ein Schweregefühl oder Ziehen in Hodensack oder Leiste, ein Anschwellen oder Schmerzen der Brustdrüsen. Laut Universitätsmedizin Göttingen kann auch Blut im Sperma, erkennbar durch eine rostbraune Verfärbung, als Symptom auftreten. Bei fortgeschrittener Erkrankung seien darüber hinaus Rückenschmerzen möglich, hervorgerufen durch vergrößerte Lymphknoten im hinteren Bauchraum.
Wie läuft die Therapie ab?
Für die endgültige Diagnose und als erster Schritt der Therapie wird eine Gewebeprobe des Hodens entnommen. Wird dabei der Verdacht eines Tumors bestätigt, werden der betroffene Hoden und Samenstränge entfernt und feingeweblich untersucht. „Die weiteren therapeutischen Schritte richten sich nach der Ausprägung der Krankheit zum Zeitpunkt der Diagnose“, sagt Axel Heidenreich. Dazu würden Tumormarker im Blut gemessen, Brustkorb und Bauchraum per Schnittbildgebung untersucht.
Als zusätzliche Therapieoptionen stehen Bestrahlung, unterschiedliche chemotherapeutische Verfahren sowie die operative Entfernung von Tochtergeschwülsten vor oder nach einer Chemotherapie zur Verfügung. Bei lokal auf den Hoden begrenzten Fällen kann auch ein abwartendes Konzept verfolgt werden: Dabei wird nach der OP zunächst keine weitere Therapie durchgeführt. In diesen Fällen sind kurzfristige Kontrollen des Patienten notwendig, um das mögliche Auftreten von Metastasen frühzeitig zu erkennen. „Es geht darum, eine Unter- und Übertherapie zu verhindern“, sagt Boris Hadaschik. Zu wenig Therapie berge das Risiko für einen Rückfall, zu viel Therapie das Risiko für Folgeerkrankungen etwa infolge einer überflüssigen Chemotherapie. Lesen Sie auch:Neues Medikament kann Darmkrebs heilen
Wie gut sind die Heilungschancen?
Drei Viertel aller Tumore werden in frühen Stadien entdeckt. Diese werden laut Deutscher Krebsgesellschaft praktisch immer geheilt. Selbst in fortgeschrittenen Stadien bestehen Heidenreich und Hadaschik zufolge sehr gute Heilungschancen. Bei einer Behandlung in einem speziellen Zentrum für Hodentumore liegen diese besonders hoch – bei im Mittel über 90 Prozent. „Die Therapie außerhalb eines Hodentumorzentrums ist mit einer Rückfallrate und einer verringerten Überlebensrate vergesellschaftet wie wir in einer großen Studie haben zeigen können“, sagt Heidenreich. Boris Hadaschik: „Die Einführung des Chemotherapeutikums Cisplatin vor etwa 40 Jahren war bei der Behandlung von Hodenkrebs ein echter Game-Changer.“
Was kann ich tun, um den Krebs früh zu erkennen?
Eine spezielle Untersuchung zur Früherkennung gibt es nicht. Die Krebsgesellschaft rät zum regelmäßigen Abtasten der Hoden. Boris Hadaschik empfiehlt bei vorliegenden Risikofaktoren eine monatliche Selbstuntersuchung ab der Pubertät. Meist aber trete ein Hodentumor im Alter zwischen 20 und 40 auf. Dem Urologen aus Essen zufolge sind Tumore des Hodens sehr leicht fühlbar. Sie seien oft Kirschkern-groß, steinhart und wüchsen schnell. „Wenn Sie oder auch die Partnerin oder der Partner etwas Ungewöhnliches feststellen, sollten Sie sofort einen Urologen oder eine Urologin aufsuchen“, sagt Hadaschik. Ein Verdacht auf Hodenkrebs werde immer als Notfall behandelt.