Berlin. Gravel-Bikes mit E-Motor fahren sich abseits befestigter Wege flott und schaffen auch Anstiege mühelos. Fünf Modelle im Vergleich.

Kaum eine Fahrradkategorie entwickelte sich in den vergangenen Jahren so sehr zu einem Trend-Thema wie die sogenannten Gravel-Bikes („Schotterräder“). Dabei handelt es sich im Grunde um Rennräder, die aber eine dickere Bereifung bis zu 50 Millimeter Breite und ein gröberes Reifenprofil haben.

Richtig Spaß machen Gravel-Bikes auf hügeligen Strecken, die über unbefestigte Wege im Gelände führen. Wenn sie dabei zusätzlich elek­trisch unterstützt werden, geht es selbst steilere Steigungen relativ einfach hoch – was selbst Rennradanfänger begeistert. ­IMTEST, das Verbrauchermagazin der FUNKE Mediengruppe, hat fünf E-Gravel-Bikes im Gelände und im Labor von Hansecontrol getestet.

E-Gravel-Bikes im Test: Das bieten die Rennräder fürs Gelände

Die Räder von Canyon, C.B.T. Italia, Look, Stevens und Giant aus dem Testfeld zeichnet eine hochwertige Verarbeitung aus. Mit Ausnahme des Giant (Aluminiumrahmen und Carbongabel) sind die Rahmen aller Kandidaten komplett aus Carbon gefertigt. Die Kettenschaltungen stammen entweder von Shimano oder SRAM und bieten mindestens 11 Gänge. Ausnahmen sind das Revolt E + von Giant, das elektrische Schaltunterstützung für sein Shimano-GRX-Di2-RX817-Schaltwerk bietet und das E-Getaway von Stevens mit 2 x 11 Gängen.

Die leichtesten Bikes im Test (C.B.T. Italia und Look) wiegen noch 13,4 Kilogramm. Mit 18,3 Kilo war das Giant zwar am schwersten, aber auf dem IMTEST-Testparcours wirkte sich das nicht nachteilig aus. Allen Bikes ist zudem gemein, dass sie eine sehr gute Straßen- und Kurvenlage bieten. Am bequemsten sitzt man auf dem Look, die insgesamt beste Handhabung beim Schalten, Bremsen, Auf- und Absteigen bietet das Canyon Grail:ON CF7 WMN.

Gravel-Bikes mit E-Motor zeigen Stärken abseits der Straße

Aber auf der Straße zeigen sie Schwächen. Wer schon einmal mit einem Rennrad unterwegs war, erreicht dabei schnell Geschwindigkeiten von 25 Stundenkilometern (km/h) oder mehr. In der Regel sind Rennräder ohne allzu große Kraftanstrengung jenseits von 30 km/h unterwegs – bergab werden es schnell über 50 km/h.

Genau hier liegt die Krux beim Einsatz eines E-Gravel-Bikes auf asphaltierten Strecken: Bevor die sportlichen Bikes eine vergleichbar hohe Geschwindigkeit aufnehmen können, werden sie von ihren E-Motoren abgebremst. Selbst durch kraftvolles Mittreten gelang es im Test keinem der Testfahrer, mit den E-Gravel-Bikes auf ein mit Rennrädern vergleichbares Tempo zu kommen.

Mit dem C.B.T. Italia war es zumindest möglich die 30-km/h-Grenze zu knacken. Canyon und Giant erreichten im Test jedoch kaum die möglichen 25 km/h Spitze auf flacher Strecke. Dafür wussten beide beim Berganfahren dank ihrer kraftvollen Mittelmotoren (je 85 Newtonmeter [NM] Drehmoment) von Bosch (Canyon) und Shimano (Giant) zu überzeugen. Selbst verhältnismäßig steile Abschnitte bewältigten sie dank kraftvoller Tretunterstützung.

Motorunterstützung überzeugte nicht bei allen Gravel-Bikes im Test

Anders die E-Gravel-Bikes von Stevens und Look. In beiden steckt je ein Mittelmotor vom deutschen Hersteller Fazua mit einem Drehmoment von 58 Nm. Die Unterstützung in der Praxis fällt aber trotzdem eher gering aus. Die Radfah­renden müssen selbst schon sehr kräftig in die Pedale treten, um auf dem IMTEST-Testparcours mit ihnen flott bergauf zu kommen.

Im Labor zeigte sich der Fazua-Motor beim Look zudem eigenwillig: Während sich für das Stevens E-Getaway im genormten Reichweiten-Test („R200“) noch eine Reichweite von sehr kurzen 12 Kilometern ermitteln ließ, kam für das Look kein Ergebnis zustande. Das lag daran, dass die Unterstützungsleistung des E-Gravel-Bikes im Test zu gering für die Reichweitenmessung nach dem R200-Verfahren ausfiel.

Per Gravel-Bike lassen sich Waldwege, Schotterpisten und Anstiege am besten bewältigen. Neuere Modelle mit E-Motor erleichtern die Tour, kosten aber auch mehr.
Per Gravel-Bike lassen sich Waldwege, Schotterpisten und Anstiege am besten bewältigen. Neuere Modelle mit E-Motor erleichtern die Tour, kosten aber auch mehr. © iStock | istock

Akku: Große Unterschiede bei der Reichweite

Fürs Stevens gilt, dass für längere Strecken nicht mit höchster E-Unterstützung geplant werden sollte. Sind hingegen die unteren Unterstützungsstufen zugeschaltet, lassen sich weitere Strecken mit dem Bike bewältigen. Mit knapp 60 Kilometern pro Akkuladung zeigt das Canyon die größte Ausdauer im Test – ein ordentlicher, wenn auch nicht überragender Wert.

Auch bei den genormten Bremsentests mit 60 Newton (N) Betätigungskraft (entspricht einem normalen Handdruck) im Hansecontrol-Labor konnten die Bikes nur bedingt punkten. Am besten schnitten die hydraulischen Scheibenbremsen beim Stevens ab, die Bremsleistungen vom Look und C.B.T. Italia waren „ausreichend“.

Fazit: E-Gravel-Bikes sind nicht überall im Vorteil

Keine Frage, es bringt ungemein Spaß mit dem Grail:ON CF7 WMN von Canyon Steigungen im Wald hoch- oder über Feldwege dahinzusausen. Geht es aber auf asphaltierte Pisten, setzt bei diesen Bikes rasch Ernüchterung ein. Per Gravel-Bike ohne E-Motor ist man in der Regel schneller und – je nach Fahrer – ausdauernder unterwegs.

1. Platz: Grail:ON CF7 WMN – Canyon / Testsieger-Siegel IMTEST Ausgabe 6/2022

  • Preis: 4999 Euro
  • Dank kraftvollem Bosch-Mittelmotor bewältigte das Grail:ON CF7 WMN Fahrten auf Schotterpisten sowie Berganstiege souverän.
  • + Überzeugt mit guter Straßenlage, bei Kurvenfahrten und im Gelände.
  • – Mit 18,6 km/h etwas langsam bei 6 Prozent Steigung über längere Zeit.
  • Ergebnis: gut 2,5

2. Platz: Revolt E + – Giant

  • Preis: 5399 Euro
  • Schnelles Hoch- oder Runterschalten: Das Giant punktet dank elektrischer Schaltunterstützung bei Fahrten im hügeligen Gelände.
  • + Top bei kraftvollen Bergauf-Fahrten mit höchster Unterstützung.
  • – Mit über 18 Kilogramm das schwerste E-Gravel-Bike im Test.
  • Ergebnis: befriedigend 2,6

3. Platz: Blade99 E-Bike Gravel – C.B.T. Italia

  • Preis: 5120 Euro
  • Mit 13,4 Kilogramm zählt das Blade99 E-Bike Gravel zu den leichten E-Gravel-Bikes im Test. Es lässt sich daher gut handhaben.
  • + Dank leichter Bauweise angenehmes Bergauf-Fahren möglich.
  • – Gemessene Bremsleistung insgesamt nur ausreichend.
  • Ergebnis: befriedigend 3,2

3. Platz: E-Getaway – Stevens Bikes

  • Preis: 5199 Euro
  • Wie das E-765 Gravel von Look hat auch das Stevens-Bike einen Fazua-Mittelmotor, der gerade bei Steigungen Schwächen zeigt.
  • + Gute Shimano GRX RX810-Kettenschaltung (2 x 11 Gänge).
  • – Ermittelte Reichweite mit 12 Kilometer pro Akkuladung sehr gering.
  • Ergebnis: befriedigend 3,2

5. Platz: E-765 Gravel – Look Cycle

  • Preis: 4999 Euro
  • Das Look bietet einen hohen Sitz- und Fahrkomfort. Seine E-Unterstützung – gerade im Gelände – ist aber zu gering.
  • + Verhältnismäßig leicht (13,4 kg) und daher sehr wendig im Gelände.
  • – Tretunterstützung bergauf in weiten Teilen zu gering.
  • Ergebnis: ausreichend 3,6