Berlin. Immer mehr Initiativen kämpfen gegen die Wegwerfgesellschaft, wollen Geld und Rohstoffe sparen. Doch rechtlich ist noch einiges im Argen.

Manche Schattenseiten der Konsumgesellschaft hat wohl jede Verbraucherin oder jeder Verbraucher schon einmal kennengelernt. Die erst vor Kurzem gekaufte Kaffeemaschine streikt. Doch statt sie mal eben zu reparieren, muss eine neue gekauft werden. Denn das nötige Ersatzteil ist fast so teuer wie ein neues Gerät. „Bei einer Kaffeemaschine für 54 Euro kostete die Heizpatrone allein mal 45 Euro“, erinnert sich Michael Eichner. „8 bis 15 Euro wären angemessen.“

Eichner ist Helfer im Repair-Café in Freital. Dort und an sechs weiteren Standorten können sich Anwohner aus der Nachbarschaft einmal monatlich treffen und mithilfe der Experten kaputte Geräte wieder instand setzen. Das spart Geld und wertvolle Rohstoffe.

Repair-Cafés: Hilfe zur Selbsthilfe

Aus privaten Initiativen wie der in Sachsen ist längst eine bundesweite Bewegung geworden. Repair-Cafés gibt es inzwischen in vielen Städten. Hier helfen Freiwillige den Konsumenten mit ihrem Fachwissen, wenn das Tablet, ein Wasserkocher oder Fernseher instand gesetzt werden muss. Es ist Hilfe zur Selbsthilfe, zum Beispiel durch Werkzeug. Es ist keine Dienstleistung, bei der Kunden warten, bis andere die Arbeit für sie erledigt haben. Dafür kostet es auch nichts.

Bundesweit gibt es ein großes Netzwerk der Initiativen, das auf eine Idee aus den Niederlanden zurückgeht. Interessenten finden unter der Webadresse www.reparatur-initiativen.de Einrichtungen in ihrer Nähe. 925 sind dort inzwischen gemeldet. Die Initiativen beobachten inzwischen auch eine wachsende Nachfrage von Kommunen nach Repair-Cafés in ihrer Gemeinde.

Der Antrieb für die Helferinnen und Helfer ist neben der Begeisterung für die Tätigkeit selbst auch die Möglichkeit, der Wegwerfgesellschaft etwas entgegenzusetzen. „Tüfteln war schon immer meins“, sagt Erik Schanze, der das Dresdner Repair-Café organisiert. Die Besucher kommen aus allen Bevölkerungsgruppen. „Die einen wollen Geld sparen, anderen ist Nachhaltigkeit wichtig, wieder andere wollen einfach bloß reden“, berichtet Schanze. Bei Letzteren helfen Kaffee und Kuchen, jedenfalls war es vor der Pandemie noch so.

Hi-Fi-Anlagen und Radios liegen an der Spitze

Am häufigsten sind es Audiogeräte wie Radios oder Hi-Fi-Anlagen, die mitgebracht werden. Auf Rang zwei der Statistik befinden sich Haushaltsgeräte, gefolgt von Computern. Aber auch Spielzeug, Leuchten oder Telefone sind im Gepäck. Doch stoßen die Helfer überall in Deutschland auch schnell an die Grenzen ihrer Möglichkeiten.

Hi-Fi ganz vorn: Heinz Schmidt repariert im neuen Repair-Café im Bürgertreff in Hamminkeln-Wertherbruch einen Reciver.
Hi-Fi ganz vorn: Heinz Schmidt repariert im neuen Repair-Café im Bürgertreff in Hamminkeln-Wertherbruch einen Reciver. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

Ein Problem sind fehlende Schaltpläne für Elektrogeräte. Die Hersteller stellen sie oft nicht bereit oder rücken sie nur an Fachbetriebe heraus. „Serviceunterlagen gibt es für weniger als zehn Prozent der Produkte“, schätzt Eichner. Die Industrie hat offenkundig mehr Interesse am Verkauf neuer Güter als an einer möglichst langen Lebensdauer bereits verkaufter Produkte.

Ein zweites Ärgernis für die Helfer sind verklebte statt verschraubte Chassis. Eine Reparatur ist zwar möglich, doch hinterher lässt sich das Gehäuse nicht mehr richtig zusammensetzen. Hier fordert Schanze andere Vorgaben an die Industrie. „Die Geräte müssen einfach zu öffnen sein“, verlangt er. Derlei Probleme hat die Politik sowohl in Deutschland als auch in der EU zwar erkannt, doch die bisherigen Maßnahmen für ein Recht auf Reparatur gehen den Praktikern nicht weit genug. Ohnehin kommen längst nicht alle Reparaturen für die Selbsthilfe infrage.

Auch die EU hat das Thema für sich entdeckt

Die Tüftelarbeit erstreckt sich vor allem auf alte Geräte, für die es noch Ersatzteile gibt. Auch eher preiswerte Artikel, für die es sich nicht lohnt, einen Profibetrieb zu beauftragen, oder jene, die nur mit einem großen Zeitaufwand wieder instand gesetzt werden können, sind ein Fall für das Repair-Café. Um Waschmaschinen oder andere Großgeräte kümmern sich die professionellen Fachbetriebe. „Es ist keine Konkurrenz“, betont Daniel Affekt, der in Berlin ein Repair-Café für den Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) betreibt. Im Gegenteil sei die Kooperation mit den Reparaturbetrieben in einem großen Netzwerk erwünscht. „Da ist noch ein großes Potenzial“, sagt er.

Die EU hat sich des Themas zwar schon angenommen. Seit März müssen die Hersteller einiger Elektrogroßgeräte wie Waschmaschinen, TV-Geräte oder Kühltruhen die Verfügbarkeit von Ersatzteilen über Jahre sicherstellen und die Geräte so konstruieren, dass sie geöffnet werden können. Doch am Recht auf Reparatur für viele Produkte arbeitet die Kommission noch.

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Netzwerk fordert von der Bundesregierung ein Recht auf Reparatur

Einzelne Länder sind da schon weiter. So hat Frankreich einen Reparaturindex für einige Produktgruppen eingeführt. Kundinnen und Kunden können beim Einkauf anhand eines Zeichens erkennen, wie kundenfreundlich ein Produkt in dieser Hinsicht ist. Außerdem gilt im Nachbarland für Reparaturen durch Fachbetriebe ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz. So wird der Kostenabstand zum Neukauf vergrößert.

Das Netzwerk Runder Tisch Reparatur fordert auch von der Bundesregierung nationale Regeln für das Recht auf Reparatur. Neben einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz fordert es zum Beispiel die Pflicht von Herstellern, zehn Jahre lang Software-Updates für ihre Produkte bereitzustellen. Auch solle die Regierung darauf einwirken, dass Ersatzteile zu angemessen günstigen Preisen erhältlich sind. Schließlich plädiert das Netzwerk für einen Reparaturbonus, den es etwa in Thüringen und Österreich als Vorbilder bereits gibt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf abendblatt.de.