Berlin. Bankgebühren erhöhen ohne aktive Zustimmung der Kunden: das geht nicht, urteilt der Bundesgerichtshof. Wie man sein Geld zurückbekommt.

Banken können ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht länger einseitig ändern und dann das Schweigen einer Kundin oder eines Kunden als Zustimmung werten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in der vergangenen Woche dieses einschneidende Urteil verkündet (Az. XI ZR 26/20). So eine „fingierte Zustimmung“, wie der BGH das nennt, ist ungültig.

Das gilt nun für eine Reihe von AGB-Änderungen der Banken aus den vergangenen Jahren. Bankkunden können deshalb neu eingeführte oder erhöhte Kontogebühren in vielen Fällen zurückverlangen.

Bankgebühren: Schweigen gilt nicht als als Zustimmung

Die meisten Bankkunden haben sich an diese Art von Schreiben gewöhnt: „Wir haben unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen geändert. Sollten wir nichts von Ihnen hören, gilt Ihre Zustimmung als erteilt.“ Aber ist das auch in Ordnung? Der Verband der Verbraucherzentralen (vzbv) hat dagegen geklagt. Im konkreten Fall ging es um die Postbank. Der vzbv unterlag zunächst, ließ sich aber nicht beeindrucken und zog bis vor den BGH – der ihm nun Recht gab.

Nun gehen aber alle Banken und Sparkassen sehr ähnlich vor, verwenden inhaltsgleiche oder gar identische Klauseln. Dabei stützen sie sich auf eine Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch, in der geregelt ist, wie Banken einen sogenannten Zahlungsdiensterahmenvertrag ändern können (Paragraf 675g BGB).

Doch der Europäische Gerichtshof urteilte schon vergangenes Jahr in seiner Deniz-Bank-Entscheidung, dass diese Vorschrift nicht uneingeschränkt für normale Verbraucher gilt (Rs. C-287/19). Denn auch eine Änderung der Bedingungen zum Girokonto kann einen Bankkunden unangemessen benachteiligen, wenn sein Schweigen als Zustimmung gewertet wird.

Die Zwillingstürme der Deutschen Bank im Sonnenuntergang: Nicht nur dieses Institut wird auf das Urteil des Bundesgerichtshofs BGH reagieren.
Die Zwillingstürme der Deutschen Bank im Sonnenuntergang: Nicht nur dieses Institut wird auf das Urteil des Bundesgerichtshofs BGH reagieren. © Bloomberg via Getty Images | Bloomberg

Prozess um Bankgebühren: Zunächst ging es um die Postbank

Dazu zwei Beispiele: Schließt ein Kunde einen Vertrag für ein Wertpapierdepot ab, das als kostenlos beworben wird, kann die Bank nicht anschließend per Änderung der AGB Kosten einführen. Dazu ist ein neuer Vertrag notwendig. Auch aus einem Sparkonto mit Zinsen darf ohne konkrete Zustimmung kein Konto mit Verwahrentgelten werden, also mit Negativzinsen. Auch hier ist der Abschluss eines neuen Vertrags notwendig.

Diese Überlegungen und die europäische Rechtsprechung gaben nun auch für den Bundesgerichtshof den Ausschlag: Er kassierte zwei Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Postbank – und erteilt damit dem üblichen Vorgehen der Banken in Deutschland bei Gebührenerhöhungen eine klare Absage.

So fordert man seit 2018 zu viel gezahlte Gebühren zurück

Auch wenn der BGH sich bisher nicht zu den Rechtsfolgen der Unwirksamkeit geäußert hat, hat das Urteil Auswirkungen auf viele laufende Verträge. Hat eine Bank beim Konto oder Wertpapierdepot in den letzten Jahren ohne konkrete Zustimmung des Kunden eine Gebühr erstmals eingeführt oder erhöht, dann ist das nach dem BGH-Urteil unwirksam. Damit zahlten Bankkunden die Gebühren ohne Rechtsgrund (Paragraf 812 BGB).

Und für die vergangenen drei Kalenderjahre können Kunden deshalb zu viel gezahlte Gebühren von ihrer Bank oder Sparkasse zurückfordern – also seit dem 1. Januar 2018. Zinsen gibt es noch dazu in Höhe des Verzugszinses von derzeit 4,12 Prozent.

Wirksam vereinbart sind nur die Gebühren, die bei der Kontoeröffnung im Preisverzeichnis standen – auch wenn das schon deutlich länger zurückliegt als 2018. Die Gebühren findet man in alten Kontoauszügen, wenn man das Preisverzeichnis nicht zur Hand hat. Verbraucherinnen und Verbraucher können für die Rückforderung ein Musterschreiben von Finanztip nutzen.

Die Zeit drängt aber nicht, da etwaige Rückzahlungsansprüche erstmal nicht zu verjähren drohen. Wie die Banken und Sparkassen mit den Rückforderungen umgehen, wird sich zeigen. Erstattet die Bank nicht, können sich Bankkunden an die entsprechenden Ombudsleute oder an die zuständige Schlichtungsstelle wenden.

Die Banken werden die Zustimmung nachträglich holen

Auf Nachfrage bei mehreren Banken, beim Bundesverband deutscher Banken und dem Sparkassenverband DSGV war die einhellige Antwort, man wolle zunächst die schriftliche Urteilsbegründung des BGH abwarten. Es ist davon auszugehen, dass viele Banken neue Preiserhöhungen schicken werden. Diesmal werden sie ihre Kunden aber darum bitten, dass sie der Erhöhung aktiv zustimmen.

Eine direkte Folge des Urteils bekamen Kunden der Comdirect in ihr Postfach: Die Bank setzt nunmehr ihre zum 1. Mai geplante Preiserhöhung vorläufig aus, um die Rechtslage nach dem Urteil neu zu bewerten. Das Girokonto und die Kreditkarte bleiben zunächst kostenlos. Auch die PSD Bank Nord zog die für 1. Mai geplante Einführung neuer Kontomodelle vorerst zurück, um nun „die beste Lösung zu finden“.

BGH-Urteil macht Geschäftsmodell für Banken schwieriger

Noch ist unklar, wie die Banken das Urteil umsetzen – und was die Folge wäre, wenn Kunden keine aktive Zustimmung erteilen. Vielleicht gehen einige so weit, dass sie erklären, ohne Zustimmung das Konto kündigen zu wollen.

Das Geschäftsmodell einiger Banken und Finanzdienstleister, Kunden mit niedrigen Gebühren zu ködern, die sie dann nach einiger Zeit anheben, wird nach dem BGH-Urteil nicht mehr so leicht funktionieren. Überhaupt ist die Zahl der Anbieter von kostenlosen Konten zuletzt sehr klein geworden.

Kostenloser Gebührenvergleich von Stiftung Warentest

Stiftung Warentest bietet auf Geheiß der Bundesregierung einen kostenlosen Girokontenvergleich an. Nach wenigen Klicks gelangt man auf der Website zu einem Vergleich von 316 Girokontomodellen von rund 130 Banken, Testberichte inklusive. Die Verbraucherschützer gehen von einem Modell­kunden aus, der regelmäßig Gehalt oder Rente bekommt und sein Konto lediglich online nutzt.

Der kostenlose Gebührenvergleich der Stiftung Warentest soll als Interimslösung dienen, bis die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz Bafin, ein eigenes Portal aufgebaut hat. Das soll bis Mitte 2022 der Fall sein.

Dieser Beitrag erscheint in Kooperation mit finanztip.de. Der Geld-Ratgeber für Verbraucher ist Teil der Finanztip-Stiftung.

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