Berlin. Babys können sich offenbar im Mutterleib mit dem Coronavirus anstecken. Wie sich das auf die Kinder auswirken kann, ist noch unklar.

Keine besondere Gefahr für Schwangere und ihre Ungeborenen – so war der Tenor zu Beginn der Corona-Pandemie. Inzwischen gibt es immer mehr Berichte, die eine andere Geschichte erzählen.

Ein Fallbericht aus Frankreich, der im Fachblatt „Nature Communications“ veröffentlicht wurde, kommt erstmals zu dem Schluss, dass sich das Kind über die Plazenta bei der infizierten Mutter anstecken kann. Im konkreten Fall hatte sich eine 23 Jahre alte Frau im letzten Trimester ihrer Schwangerschaft mit Sars-CoV-2 infiziert. Sie kam mit Fieber und Husten in die Klinik.

Kind steckt sich im Bauch mit dem Coronavirus an

Nach der Geburt wiesen Tests das Virus sowohl im Körper des Kindes als auch in der Plazenta nach. Das Neugeborene zeigte neurologische Auffälligkeiten im Gehirn und Symptome von Covid-19.

„Mit dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass eine Infektion von der Mutter auf das Ungeborene möglich ist“, sagt Professor Mario Rüdiger, Leiter des Fachbereiches Neonatologie an der Uniklinik Dresden.

Allerdings liefere die Arbeit keine Informationen darüber, welche mütterlichen beziehungsweise kindlichen Faktoren die Schwere der mütterlichen oder kindlichen Infektion erklärten. „Denkbar wären zum Beispiel familiäre Immundefekte.“

Auch interessant: Erziehungsforscherin: Supermütter schaden der Familie

Infektion des Kindes über die Plazenta wohl eher selten

Obwohl sich die einzelnen Fallberichte mehren, gehen Experten bislang davon aus, dass die Infektion des Kindes über die Plazenta selten vorkommt. Sie sind sich einig: Es braucht mehr Daten. Auch zum Beispiel zu der Frage, ob der Zeitpunkt der Infektion in der Schwangerschaft von Bedeutung ist.

Das Cronos-Register der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) hat einen Anfang gemacht und sammelt Daten. Beteiligt sind 118 deutsche Kliniken. Mit Stand vom 10. Juli sind 137 Schwangere registriert, die positiv auf das neue Coronavirus getestet worden sind. Davon haben 88 Frauen ihr Kind bekommen, bei fünf Babys wurde das Virus nachgewiesen.

Lesen Sie hier: Kaiserschnitt: Leitlinie soll Zahl der Eingriffe reduzieren

Corona-Verlauf bei Neugeborenen variiert

Wie sich eine Infektion auf das Kind auswirken kann, ist derzeit auch noch unklar. „Der Verlauf bei Neugeborenen scheint zu variieren“, sagt Mario Rüdiger. „In der Mehrzahl der Fälle verliefen die Infektionen relativ unauffällig. Häufig wurden Probleme berichtet, die sich aus der zu frühen Beendigung der Schwangerschaft ergaben.“

Allerdings sei der Fallbericht aus Frankreich, bei dem das Baby neurologische Auffälligkeiten im Gehirn aufweist, ein Hinweis, dass nicht alle Infektionen harmlos verliefen.

Auch interessant: Bluttest für Schwangere: Geschäft mit falscher Sicherheit

„Jede fieberhafte Infektion ist ein Risiko für Schwangere“

Susanne Modrow, Professorin für Molekulare Virologie und Genetik an der Universität Regensburg, verweist darauf, dass jede fieberhaft Infektion ein Risiko für eine Schwangerschaft und die Gesundheit des Ungeborenen ist. „Infektionen müssen nach Möglichkeit vermieden werden“, sagt Modrow.

Hinweise, dass Schwangere schwereren Covid-19-Verlauf haben

Ob Schwangere ein besonders hohes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf haben, ist ebenso nicht sicher. Hinweise darauf gibt es jedoch. Daten der US-Behörde Centers for Disease Control and Prevent von Ende Juni zeigen, dass werdende Mütter eher auf der Intensivstation landen als nicht-schwangere Frauen ihrer Altersklasse.

Das Kind aus dem Fallbericht in Frankreich konnte nach 18 Tagen aus der Klinik entlassen werden.

Mehr Infos zur Coronavirus-Pandemie: