Berlin. Durch die Corona-Krise hat sich auch das Einkaufsverhalten der Deutschen stark verändert. Warum das Auswirkungen für die Umwelt hat.
Essen liefern lassen, anstatt im Restaurant zu speisen, das neue Sommerkleid ebenfalls gleich online bestellen und endlich genügend Zeit, um den eingestaubten Keller auszumisten: Bedingt durch die Corona-Pandemie verbringen die Deutschen nicht nur sehr viel mehr Zeit in den eigenen vier Wänden. Sie produzieren auch bedeutend mehr Hausmüll.
Konkret rechnet die Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft (DGAW) für das aktuelle Jahr mit 2,26 Millionen Tonnen zusätzlich. Das sind über fünf Prozent mehr als noch im Jahr 2017. Und das, obwohl die Deutschen schon vor der aktuellen Krise pro Kopf so viel Verpackungsmüll produziert haben, wie kaum ein anderes Land in Europa, sagt Bernhard Bauske, Experte für Plastikmüll bei der Umweltstiftung WWF Deutschland.
Corona-Krise: Mehr Menschen kaufen Lebensmittel online
Wie sehr sich die Gewohnheiten der Menschen hierzulande durch die Ausgangsbeschränkungen verändert haben, zeigt sich bereits beim Lebensmitteleinkauf. Trotz Maskenpflicht hält die die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus einige Verbraucher offenbar vom Einkauf im Supermarkt ab.
Laut einer Umfrage von Bitkom Research bestellt derzeit knapp jeder Fünfte (19 Prozent) seine Lebensmittel bei einem Online-Supermarkt. Zum Vergleich: Vor der Krise haben das nach eigenen Angaben gerade einmal sieben Prozent der Befragten getan.
Die gelieferten Lebensmittel müssen in Kartons verpackt und häufig gepolstert werden – zusätzlicher Abfall, der anschließend im Hausmüll landet.
Fertigpizzen statt Restaurantbesuch – 20 Prozent mehr Hausmüll
Andere Verbraucher hingegen kochen seit den deutschlandweiten Zwangsschließung der Restaurants mindestens ein warmes Gericht pro Tag selbst, wie Forschende der Universität Göttingen in einer Konsumentenbefragung herausfanden. Das betreffe vor allem Menschen, die derzeit im Homeoffice arbeiten oder in Quarantäne sind.
Auch der Trend zum Kochen bedingt mehr Hausmüll. „Die Abfallmengen sind durchschnittlich um rund 20 Prozent gestiegen“, sagt Bernhard Schodrowski vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft.
Noch komfortabler hingegen ist, andere kochen zu lassen. Wen wundert es da, dass Essenslieferdienste wie beispielsweise Delivery Hero auch in der Corona-Krise weiter wachsen. Das Leben eines Pizzakartons ist für gewöhnlich jedoch relativ kurz, ebenso das der Schalen, Boxen und Beutel, die für Transport und Warmhaltung der Speisen benötigt werden.
Nach Angaben des Naturschutzbundes (Nabu) entfielen auf diesen Take-away-Müll bereits vor Corona rund 280.000 Tonnen Abfall jährlich. Die aktuelle Krise dürfte die ohnehin schon hohe Menge noch um einige Tonnen anwachsen lassen.
Plastikabfall niemals in der Biotonne entsorgen
Das Problem: Verpackungsmüll aus Kunststoff wird überwiegend verbrannt statt recycelt. Nur knapp 16 Prozent der gesamten Kunststoffabfälle, die Verbraucher in Deutschland produzieren, werden anschließend weiterverarbeitet. Und für Transportverpackungen im Onlinehandel existieren ohnehin kaum Mehrweglösungen.
Gleichzeitig ist seit Beginn der Corona-Krise auch die Menge der sogenannten Fehlwürfe um rund zehn Prozent gestiegen. „Das bedeutet, dass mehr Müll in falschen Tonnen landet, was das Recycling zusätzlich erschwert“, sagt Schodrowski. Denn durch konsequente Mülltrennung könnten mehr wertvolle Rohstoffe wiederverwertet werden.
Papier und Metalle beispielsweise lassen sich nach Angaben des WWF-Experten Bauske gut recyceln, aus Biomüll wiederum lässt sich wertvoller Kompost generieren. Deshalb sollte Plastikabfall auf keinen Fall in der Biotonne entsorgt werden. Dort zersetzt er sich mitunter in kleine Kunststoffteilchen mit einem Durchmesser von weniger als fünf Millimetern und gelangt als Mikroplastik in die Natur.
Experten raten zu Mehrweg statt Einweg
Dabei ist es auch in diesen außergewöhnlichen Zeiten möglich, Verpackungsmüll zu reduzieren und weitestgehend auf Einwegplastik zu verzichten. WWF-Sprecherin Rebecca Gerigk beispielsweise rät Verbrauchern dazu, ihre Gewohnheiten zu überprüfen: „Welche Einwegprodukte nutze ich und welche kann ich auch durch Mehrwegprodukte ersetzen?“ Eine eigene Stofftasche zum Einkauf mitzunehmen, helfe beispielsweise, Plastiktüten einzusparen.
Wasserflaschen aus Glas gelten als umweltfreundlichere Alternative zu Einweg-Trinkflaschen. Denn sie können laut Nabu gereinigt, wiederbefüllt und innerhalb eines Lebenszyklus bis zu 50-mal benutzt werden. Erst dann werden sie eingeschmolzen und zu einer neuen Flasche verarbeitet. Auch Mehrweg-Plastikflaschen seien ökologisch sinnvoll. Sie werden immerhin bis zu 25-mal wiederbefüllt.
Wochenmärkte sind Sieger der Krise
Für viele andere Produkte bietet der Handel mittlerweile praktische Nachfüllpacks an. Darunter für Gewürze, Waschpulver oder Flüssigseife. Sie kommen häufig nicht nur mit weniger Verpackungsmaterial aus, sondern schonen auch den Geldbeutel. In größeren Städten wie Berlin, Hamburg, Erfurt oder Braunschweig ist es sogar relativ einfach, beinahe verpackungsfrei einzukaufen.
Zum Beispiel beim Obst- und Gemüsehändler, in Metzgereien, Käsefachgeschäften oder sogenannten Unverpackt-Supermärkten. Dort können lose Nudeln, Tee und Gewürze aus Keramikkrügen und Spendern in mitgebrachte Behälter abgefüllt werden. Anschließend werden die Lebensmittel an der Kasse abgewogen.
Aber auch Wochenmärkte sind aktuell sehr beliebt – und die gibt es häufig auch in kleineren Städten und ländlichen Regionen. Laut Bitcom Research zählen sie in Sachen Einkaufsverhalten sogar zu den Gewinnern der Krise: Immerhin 43 Prozent der Befragten gaben an, aktuell vermehrt auf Märkten einzukaufen. Die dort angebotenen Lebensmittel sind gewöhnlich weniger stark verpackt als ihre Pendants aus dem Supermarkt.
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